11.
2012
Social Facilitation
„Get delighted", lautet das Motto der WM. Für des Englischen nicht perfekt Kundige und einfach formuliert: Die Zuschauer sollen sich von dem Anlass erfreuen, entzücken lassen. Was bedeuten aber die zu erwartenden Zuschauermassen für die Spieler? Auch hier gibt es einen schönen englischen Ausdruck: „Social Facilitation". Mit „sozialer Erleichterung" ist der Begriff nur unzureichend übersetzt. Kurz gesagt geht es dabei darum, dass Lebewesen bei blosser Anwesenheit von Artgenossen emotional erregt werden, was die Leistung beeinflusst. Schon 1898 stellte Norman Triplett wissenschaftlich fest, dass Radrennfahrer im Wettbewerb gegen andere schneller sind, als wenn sie alleine gegen die Uhr fahren.
Der Psychologe Robert Zajonc experimentierte 1965 mit Kakerlaken. Er setzte eine Kakerlake in eine Schachtel, bestrahlte sie (die Kakerlake) mit Licht und mass die Zeit, die das lichtscheue Insekt benötigte, um den abgedunkelten Zielraum zu erreichen. Dann wiederholte er das Experiment mit Kakerlaken als Publikum. Und siehe da: Die Renn-Kakerlake war sofort schneller unterwegs.
Was heisst das für die Heim-WM? Je mehr Fans in der Halle sind, die sogar noch „Hopp Schwiiz" rufen, desto stärker unsere Nati? So einfach ist es nicht. Denn bei seinem nächsten Experiment baute Zajonc in die Schachtel ein einfaches Labyrinth ein. Die Kakerlake musste auf dem Weg ins Dunkle also auch noch ein bisschen denken. Und plötzlich wurde Anwesenheit der Artgenossen im Publikum zum Hemmschuh - ohne den Druck des Publikums fand sie den Ausgang schneller.
Damit haben wir die Erklärung für einen der häufigsten Sätze in Interviews nach Spielen gefunden, der da lautet: „Wir haben super trainiert, konnten es aber im Match nicht umsetzen." Wobei die Auswirkungen der „Social Facilitation" angesichts der Zuschauerzahlen in der SML nicht unendlich gross sein dürften.
Andererseits wissen wir noch nicht, wie die Schweizer Nati auf die Zuschauermassen an der WM reagieren wird. Finnische, schwedische oder tschechische Verteidiger sind etwas schwieriger zu überwinden, als ein simples Labyrinth - dafür steht an der Spitze der Nati aber auch ein Trainer-Philosoph, während Zajonc Kakerlake auf sich alleine gestellt war. Sicher ist: Auf dem Weg zum Erfolg wird es auch Denkarbeit brauchen, nicht nur schnelle Beine.