03.
2017
Den Cupfinal nicht verdaut
Nach einer ansprechenden Qualifikation ist für den ambitionierten HC Rychenberg bereits im Playoff-Viertelfinal Schluss. Hauptgrund für das unerwartet frühe Ausscheiden dürfte die ungenügend verarbeitete Niederlage im Cupfinal gewesen sein.
Vor drei Wochen war die Welt für den HC Rychenberg noch in Ordnung gewesen. Der Cupfinal stand unmittelbar vor der Tür, den zum ersten Mal seit 1996 wieder zu gewinnen er sich auf die Fahne geschrieben hatte. Und in der Meisterschaft hatte sich die Mannschaft von Rolf Kern mit sieben Siegen in Folge in der Schlussphase der Qualifikation noch auf den zweiten Platz vorgearbeitet. Damit hatte sie sich nicht nur den Heimvorteil für den Viertel- und Halbfinal der Playoffs gesichert, sondern dort in der ersten Runde auch eine Aufgabe gestellt bekommen, die unter normalen Umständen wohl einigermassen problemlos zu meistern gewesen wäre.
Der Sturz ins emotionale Loch
Doch als es dann in die Playoffs ging, waren die Umstände alles andere als normal. Der HCR hatte eine Woche zuvor einen Cupfinal verloren, den er nicht mehr hätte verlieren dürfen. Nach 25 überzeugenden Minuten hatte er scheinbar vorentscheidend 6:1 voran gelegen, sich danach aber ohne Not von zwei Gegentoren aus der Ruhe bringen lassen und am Ende den ersten Cupsieg des Vereins seit gut zwanzig Jahren noch mit 7:8 verpasst.
Wäre der HCR im Final chancenlos gewesen, wären die Folgen wohl nicht nicht so verheerend gewesen wie sie dann waren. «Es ist eine Gratwanderung», weiss Kern. «Wir hatten uns emotional stark auf den Cupfinal fokussiert. Entsprechend gross war dann die Enttäuschung. Davon erholten wir uns - in der kurzen Zeit - nie mehr ganz.» Der HCR fiel in eine kollektive Schockstarre und fand nicht mehr rechtzeitig daraus heraus. Er wirkte im Playoff-Viertelfinal wie paralysiert. Es fehlte an Emotionen, Überzeugung und Leidenschaft, das Spiel mit Ball wurde statisch, ideenlos und berechenbar. Und es fehlte bei fünf Spielen innert neun Tagen die Zeit, um den Hebel noch umlegen zu können.
Ein Mentaltrainer als Lösung?
Wo aber waren die Führungsqualitäten der Leistungsträger, auf deren Bedeutung Kern in den Vorjahren immer wieder hingewiesen hatte und die das Team aus seiner Starre hätte befreien können? «Diese Frage müssen wir uns tatsächlich stellen», gesteht Kern. Mit der Verpflichtung routinierter und erfolgsgewohnter Spieler hatte er das Manko an ‹Leadership›, Resilienz und Robustheit beheben wollen. Im Gegensatz zu Johan Samuelsson, der das Spiel der Langnauer dachte und lenkte, schafften es aber auch die routinierten Schweden Fredrik Holtz und Rasmus Sundstedt nicht, ihr Team in die Erfolgsspur zurückzubringen.
Es fehlte allerdings nicht viel und der Turnaround wäre im letzten Moment doch noch geglückt. Im fünften Spiel zeigte der HCR im Startdrittel, wozu er eigentlich fähig gewesen wäre, trat aggressiv und mutig auf und führte nach zwölf Minuten mit 4:0. Doch als Langnau noch vor der ersten Pause verkürzte, kamen die unguten Gefühle aus dem Cupfinal wieder hoch.
Und im Powerplay sorgten die Emmentaler für die Wende. «Wir müssen aus unseren Fehlern lernen», betont Kern und verweist auf die Parallelen zur Halbfinalserie gegen GC im Vorjahr. Schon die Stadtzürcher hatten vor allem bei nummerischem Ungleichgewicht über Vorteile verfügte und gegen Langnau war es genauso: «Wir hatten schon fast Angst vor dem Unterzahlspiel. Wir dürfen aber nicht immer dieselben Fehler machen.» Um diesen Prozess zu unterstützen und auch emotionale Abstürze künftig zu vermeiden, zieht Kern ernsthaft in Erwägung, in Zukunft mit einem Mentaltrainer zusammenzuarbeiten.
Defensiv lange gut
Unter dem negativen Eindruck dieser schwarzen Woche geht vergessen, dass der HCR eigentlich bis dahin eine ansprechende Saison abgeliefert hatte. Er war unter anderem mit einem Auswärtssieg über Serienmeister Wiler-Ersigen in den Cupfinal vorgestossen, hatte die Qualifikation der Meisterschaft auf dem zweiten Platz beendet und dabei als einzige Mannschaft in 22 Partien weniger als hundert Gegentore konzediert.
Doch Kern weiss nur zu gut, dass eine NLA-Mannschaft daran gemessen wird, was am Ende der Saison auf dem Tisch steht: «Wir können natürlich unterm Strich nicht zufrieden sein» leckt er nach dem unerwarteten Ausscheiden im Viertelfinal die Wunden. Um aber eine abschliessende Analyse der Saison vornehmen zu können, sei es noch zu früh. Zuerst müsse er das Erlebte richtig sacken lassen.
Steigerungspotential in der Offensive
Klar affirmativ zu beantworten ist aber, was vor der Saison als richtungsweisende Frage gegolten hatte: Der talentierte Ruven Gruber entpuppte sich als guter Ersatz für den abgewanderten Patrick Eder. Dass der erst 22-jährige Torhüter seinem Team im Cupfinal und in den Playoffs nicht aus der Patsche helfen konnte, als dieses auf Abwege geriet, ist seiner noch fehlenden Erfahrung zuzuschreiben. Was es noch braucht, das zeigte Nationalgoalie Pascal Meier im Cupfinal. Mit seiner Routine, der damit einhergehenden Gelassenheit und seinem unerschütterlichen Selbstvertrauen konnte Grubers Vorvorvorgänger fast im Alleingang die Wende zugunsten von GC bewerkstelligen.
Das grösste Steigerungspotential besitzt der HCR in der Offensive. Dieses Defizit war nicht erst zu erkennen, als er in den Playoffs dringend auf Tore angewiesen war. In der Qualifikation pro Spiel annähernd zwei Tore weniger zu erzielen als die darin besten, genügt den gestiegenen Ansprüchen nicht. Der in der ‹Crunch Time› überragende Felix Buff konnte es allein nicht richten. Mehr individuelle Variabilität, mehr Kreativität, mehr Tempo und mehr Direktpassspiel könnten Abhilfe schaffen.
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17. 03. 2017