12.
2014
«Wir hoffen auf den Final»
Beim Gipfeltreffen Schweden gegen Finnland am Dienstagabend waren die Schweizer Schiedsrichter Thomas Baumgartner und Thomas Kläsi mittendrin statt nur dabei. Wie sie das intensive Spiel erlebt haben, erzählen sie im Interview.
Thomas Kläsi, wie ist das Spiel bei euch eingefahren?
Kläsi: Nicht für beide gleich. Mir ist es ziemlich eingefahren. Die schwedischen Zuschauer haben dauernd Stimmung gemacht, geklatscht. Das war schon eindrücklich.
Und im Vergleich zu anderen Spielen?
Kläsi: Die Zuschauer sassen schon recht weit weg. Im Globen damals 2006 waren sie näher. Aber es war eines unserer Top-3-Spiele rein von der Stimmung und Ambiance her.
Thomas Baumgartner, bei dir war's anders?
Baumgartner: Erst später im Hotel, als ich das Spiel nochmals anschaute, hab ich es realisiert. Wenn du beim Spielertunnel stehst, so zehn Minuten vor dem Spiel und das Intro hörst, dann nimmst du das schon auf. Da hatte ich zentimeterhohe Hühnerhaut. Danach habe ich aber ‚abgestellt‘. Erst auf der Rückfahrt habe ich zu Kläsi gesagt, ‚war noch eine recht gute Stimmung‘.
Den Tunnelblick kennt also auch der Schiedsrichter?
Baumgartner: Ja, den hat's gestern ja auch gebraucht. Das Spiel hat uns extrem gefordert. Dann spürt man auch gar nicht gross, was rundherum passiert.
Kläsi: Gestern hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich wirklich viel mitbekam. Die Stimmung pusht einem auch als Schiedsrichter manchmal. Wenn man bei einem Unterbruch kurz mal durchschnaufen kann und dann 10‘000 Zuschauer klatschen hört, das fährt dann schon ein.
Das Spiel war sehr hart. Vor allem die Schweden haben sich nach der Partie beklagt, dass die Finnen zu hart gespielt hätten.
Kläsi: Und die Finnen haben sich beklagt, dass die Strafengebung zu einseitig war (lacht).
Wusstet oder habt ihr vermutet, dass die Finnen hart einsteigen werden?
Kläsi: Es war ein spezielles Spiel, noch nie spielten ja Schweden und Finnland in einem Gruppenspiel gegeneinander. Wir waren auf alles vorbereitet. Es hätte ja sein können, dass es beide recht locker angehen würden. Oder dass sie mit hartem Körperspiel zeigen wollen, dass sie parat sind. Aber es war schon so, Finnland hat härter auf den Mann gespielt. So war auch klar, dass sich die Schweden klagten. Die Finnen mussten so spielen, das ist ihr Weg.
Was waren die Reaktionen nach dem Spiel?
Baumgartner: Vom schwedischen Trainer Jan-Erik Vaara gab's eine kurze Entschuldigung, dass sie kurz zu viele Emotionen ins Spiel brachten. Die Finnen haben dagegen, auch im Fokus auf weitere Spiele, Druck auf uns ausgeübt. Nur um darauf hinzuweisen, dass das Strafenverhältnis nicht okay war. Sie kamen schon nach dem ersten Drittel zu uns und fragten, ob das wirklich die Linie sei, die wir durchziehen wollen. Da sagten wir deutlich, ‚ja, das ziehen wir durch‘. Es war zu spüren, dass sie Druck aufbauen wollten. Trainer Kettunen war gar nicht zufrieden.
Wie seid ihr mit eurer Leistung zufrieden?
Kläsi: Wir sind sehr zufrieden. Wir haben unseren Plan 100-prozentig umgesetzt. Wir wollten im ersten Drittel unsere Linie aufzeigen. Für uns lief das Spiel recht gut. Schon nach zweieinhalb Minuten kam die erste Strafe, die wirklich klar war. Da kannst du die Linie setzen. Danach kamen zwei, drei Aktionen wo ein paar Spieler aneinander gerieten. Da konnten wir auch sofort dazwischen gehen. Im zweiten und dritten Drittel war's einfacher. Die letzte Strafe gegen Finnlands Kari Koskelainen haben wir heute Morgen nochmals diskutiert. Das könnte auch eine 5-Minuten-Strafe oder eine rote Karte sein.
Uns fiel auf, dass wir bei Rangeleien sehr rasch eingegriffen habt. Habt ihr euch das vorgenommen?
Baumgartner: Das entspricht unserem Naturell. Die schwedischen Schiris kommen immer mehr davon weg, die schauen mehr von aussen zu. Wir machen das nach Bauchgefühl und wollen die Spieler möglichst rasch trennen.
Kläsi: Der Plan wäre eigentlich, dass derjenige von uns, der näher bei der Situation steht, eingreift und der andere mit der nötigen Distanz sich das Ganze anschaut. Wenn du mittendrin stehst, siehst du nicht, wer was gemacht hat.
Baumgartner: Wenn man die Spiele in Schweden schaut, dann sieht man immer mehr, dass Spieler von der Bank aufs Feld kommen, wenn was passiert. Darauf waren wir schon vorbereitet.
War‘s ein Vorteil für die Finnen, dass ihr ihren Captain Tatu Väänänen von der NLA her kennt?
Kläsi: Nein, war es nicht. Gestern kam er sehr oft, das ist unüblich für ihn. Das gehörte wohl auch zu ihrer Taktik, Druck auf uns auszuüben.
Baumgartner: Beide Teams kennen uns ja, die haben uns ja oft gesehen.
Die letzte, aber wohl wichtigste Frage: Wenn ihr Schweden gegen Finnland in den Gruppenspielen hattet, ist der WM-Final - wenn diese beiden wieder spielen - für euch Geschichte?
Kläsi: Wir erfahren erst jeweils abends um 23 Uhr, was unser Spiel des nächsten Tages ist. Natürlich haben wir uns das auch überlegt. Und ganz ehrlich, wir hatten nicht damit gerechnet, dass wir das Gruppenspiel leiten würden. Ob das jetzt nun positiv oder negativ war, ist schwer abzuschätzen. Wir haben uns einfach gesagt, wir müssen zeigen, dass wir bereit sind für einen Final. Wie es ‚politisch‘ aussieht, können nicht beeinflussen. Und natürlich wollen wir ja sowieso, dass die Schweiz in den Final kommt. Vor allem aber: Wir hatten ja schon einen Final. Und es hiess mal, dass ein Schiedsrichterpaar nur einmal einen WM-Final pfeifen wird. Aber das ist schon sechs Jahre her. Wir hoffen nach wie vor, dass sie uns nochmals den Final geben.
Baumgartner: Wir hören erst auf, wenn sie uns den geben (lacht).