02.
2013
Beim Barte des Propheten
Was wäre, wenn Roger Federer Eishockey oder Unihockey auf höchstem Niveau betreiben würde? Der Baselbieter käme spätestens während der Playoffs in den Clinch mit einem Sponsor. «King Roger» muss schliesslich täglich rasieren, sofern öffentliche Auftritte anstehen. Des Baselbieters Griff zum Rasierapparat wird natürlich fürstlich entlöhnt - Federers Werbevereinbarung mit Gillette dürfte dem Tennisprofi einen jährlichen Dollarbetrag einbringen, der knapp unterhalb der zweistelligen Millionengrenze liegt. Federers Vorgänger bei Gillette war David Beckham. Der Fussballer erhielt in seinen drei Jahren fürs Rasieren und etwas Promo geschätzte 80 Millionen Dollar. Mittlerweile darf er das Barthaar wieder spriessen lassen - und nagt dennoch nicht am Hungertuch.
Playoff-Zeit ist Bart-Zeit - es gilt das Motto: je länger, desto besser. Auch die im Volksmund oft gehörte Redewendung «Beim Barte des Propheten» hat im entfernten Sinn mit den Playoffs zu tun. Sie stammt aus dem Islam, wo die Barthaare des Propheten Mohammed heilig gewesen sind; man verband sie mit dem Verkünden der Wahrheit. Auch in den Playoffs gilt: Bärte lügen nicht! Länge und Wuchs verraten ähnlich viel über Erfolg oder Misserfolg eines Teams wie die Statistik. In den vergangenen Jahren durfte stets der vollbärtige Matthias Hofbauer am Ende den Pokal in die Höhe stemmen.
Wo das Bärtewachsen zur Crunchtime seinen Ursprung hat, ist nicht vollumfänglich bekannt. Eine Quelle besagt, dass in den 1930er-Jahren in der National Hockey League zum ersten Mal ein Team beschloss, während der finalen Meisterschaftsphase die Rasiergeräte nicht mehr zu bemühen. Eher faktenorientiert ist der Nachweis, wonach die Tradition des Playoff-Barts auf die New York Islanders zurückzuführen ist: Das Team von Mark Streit ist gegenwärtig erfolglos, gewann jedoch von 1980 bis 1983 vier Stanley-Cup-Titel in Serie - jeweils vollbärtig. Doch erst über eine Dekade später, nach dem Erfolg der Montreal Canadiens (1993), sollten die Playoff-Bärte beim Grossteil der teilnehmenden NHL-Spieler regelmässig spriessen. Die Eishockeytradition aus Nordamerika hat sich längst auch im Schweizer Unihockey etabliert.
Gilt in den Playoffs also die Regel: Kein Bart, kein Erfolg? Natürlich nicht. Der Kanadier Simon Gamache beispielsweise hat mit dem SC Bern ohne Bart zweimal den Playoff-Final erreicht. Mittlerweile spielt der 32-Jährige in Fribourg und sagt: «Ich hätte gerne einen Bart. Aber ich könnte ihn wachsen und wachsen lassen, man würde dennoch nichts sehen.» So gibt es etliche Akteure, die auch dann, wenn es zählt, frei von Gesichtsbehaarung sind - sei es beispielsweise, weil die Barthaare aufgrund des Alters oder der Genetik auf sich warten lassen, oder im Extremfall, weil neben der Meisterschaft gar die Beziehung auf dem Spiel steht.
Auch der Könizer Emanuel Antener griff vor dem dritten Viertelfinalspiel gegen die Unihockey Tigers zum Rasierapparat. Auf die Frage nach dem Grund antwortete «Anti» mit viel Ironie und einem Schmunzeln: «Ich habe keine Lust, mich während des Spiels von Marc Dysli fragen zu lassen, ob dies alles sei, was ich an Playoff-Flaum zu bieten habe.» Merke: Die Playoff-Rasur dient auch dazu, begnadete Trashtalker zu beschneiden. Und vielleicht ist alles auch ganz anders, und Antener hat uns bloss seinen neuen, lukrativen Werbevertrag verschwiegen.
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22. 02. 2013