Brendler, Sascha Brendler
Im März 1998 stand Sascha Brendler als Coach des Drittligisten Black Rebels Rothenthurm im Kleinfeld-Cupfinal. Zur Feier des Tages wollte er sich in Anzug und Kravatte stürzen. Ob er spinne, das sei doch übertrieben, teilten ihm die Personen aus seinem Umfeld mit und zumindest die Kravatte blieb daheim. Der gegnerische Trainer trat mit Anzug und Kravatte an, und Brendler fasste den Entschluss, künftig mehr auf die eigene innere Stimme zu hören. Artikel lesen
Brendler, Sascha Brendler
Ein Trainer muss repräsentieren, findet Sascha Brendler. Er tut dies mit Anzug, Kravatte und der Lizenz zum Siegen. Vom Kleinfeld bis zu WM-Silber in knapp drei Jahren.
TEXT: DAMIAN KELLER
FOTOS: Daniel Zannantonio / Daniel Frei
Im März 1998 stand Sascha Brendler als Coach des Drittligisten Black Rebels Rothenthurm im Kleinfeld-Cupfinal. Zur Feier des Tages wollte er sich in Anzug und Kravatte stürzen. Ob er spinne, das sei doch übertrieben, teilten ihm die Personen aus seinem Umfeld mit - und zumindest die Kravatte blieb daheim. Der gegnerische Trainer trat mit Anzug und Kravatte an, und Brendler fasste den Entschluss, künftig mehr auf die eigene innere Stimme zu hören.
Die Sorgen eines Erfolgstrainers
Anzug und Kravatte - «Suit and Tie» - sind bis heute sein Markenzeichen geblieben. Brendler regt sich fürchterlich über Fussballtrainer auf, die in kurzen Hosen und als Müller-Milch-Werbesäulen am Spielfeldrand stehen. Als Trainer müsse man repräsentieren, findet er. Rund zehn Anzüge hängen in seinem Schrank, wobei ihm aber nur noch sechs passen, wie er stirnrunzelnd zugibt. Die Auswahl bei den Kravatten, die er sich grundsätzlich selber aussucht und nach Siegen nicht wechselt, ist mit 30 Stück noch grösser - nur hat Rychenberg den Trainern mittlerweile ein einheitliches Tenu verordnet, und nun passen nicht mehr alle dazu. Die Sorgen eines Erfolgstrainers, der diese Saison erstmals überhaupt leicht hinter den Erwartungen zurück liegt.
Erfolgreiche Premieren
Wo immer Sascha Brendler als Trainer das Zepter übernommen hat, war er erfolgreich. Als erstes bei Rothenthurm. Im November 1997, kurz vor dem Cup ¼-Final, fiel der Trainer der 3. Liga Mannschaft der Innerschweizer aus. Brendler, zuvor Spieler und Spielertrainer der zweiten Mannschaft in der 4. Liga, schaut sich ein Training des Fanionteams an und war geschockt. «Das waren Banausen» blickt er lachend zurück. «Die sassen im Kreis herum und diskutierten, was zu machen sei». Brendler stellte sich als Trainer zur Verfügung, gewann mit dem Team den Cup und stieg jedes Jahr auf. Weitere Cupsiege und der Kleinfeldmeistertitel im Jahr 2000 folgten. Auch die Premiere in der 1. Liga Grossfeld, mittlerweile unter dem Namen Vipers Innerschwyz, gelang - man bezwang Bellinzona leicht und locker mit 4:1. «Der Trainer der Tessiner hat nach dem Spiel geweint» erinnert er sich mit einem Schmunzeln. Dann kam der Bruch, an Weihnachten legte Brendler sein Amt nieder. «Die Euphorie wurde zu gross, war nicht mehr zu bremsen» erklärt Brendler. Untätig blieb er nicht - er führte die 2. Liga Damenmannschaft der Vipers, zuvor zwei Jahre sieglos, gleich bei seinem ersten Betreuereinsatz zum Sieg. Als Geheimwaffe hatte er jeder Spielerin vor der Partie ein Gläschen Weisswein - angereichert mit einem Würfelzucker - offeriert, um die Verkrampfung zu lösen. Und plötzlich kam ein Anruf aus Winterthur, ob er nicht Trainer der NLA-Truppe von Rychenberg werden wolle.
Schnelle Entscheidung
Felix «Bene» Arbenz und Philippe Soutter hiessen seine ersten Ansprechpartner beim Traditionsverein, der auf der Suche nach einem Headcoach war. Arbenz machte Brendler schnell klar, dass auf NLA-Niveau ein normaler 100%-Job nicht mehr möglich sei. Für Brendler kein Problem, er sah nur seinen lange gehegten Traum, in der NLA an der Bande zu stehen. Er knüpfte Kontakte zu seinem Onkel, mit dem schon länger ein Einstieg in dessen Betrieb thematisiert worden war. Dann ging alles schnell - alten Job als Verkaufsleiter mit zwölf Unterstellten künden, neuen Vertrag als Aussendienstler bei der Firma Stag ICP (Import und Vertrieb von Unterhaltungselektronik) unterschreiben und bei Rychenberg per Handschlag als NLA-Trainer zusagen. Ohne zu wissen, wie die Entschädigungsfrage gelöst würde. Heute weiss er, dass er mit dem reduzierten Job und der Entschädigung bei Rychenberg rund 12000 Franken weniger verdient als zuvor. «Natürlich wüsste ich, was ich mit 1000 Franken mehr im Monat anfangen würde» sagt Brendler. «Aber entweder man ist ein Schwätzer, oder man macht etwas. Ich wollte unbedingt in die NLA».
Schnell Fuss gefasst
Nach dem letzten Saisonspiel des HCR unterschrieb Brendler auf der Tribüne den Vertrag, dann führte man ihn zwecks Vorstellung in die Garderobe. «Links sass Andreas Fisch, rechts Tom Weber. Ich wurde von allen gemustert und war unglaublich nervös» gibt Brendler zu. Nicht zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass man ihm nach dem Motto «was willst denn du hier?» begegnet. Es folgte ein Sommertraining ohne Feedback aus dem Team und Brendlers Nervosität wuchs. Er hat sich zu fragen begonnen, was er eigentlich mache, worauf er sich eingelassen habe. Doch dann kam die letzte Einheit vor dem ersten Hallentraining. Tom Weber stand vor die Mannschaft und sagte, dass er noch nie einen Trainer gehabt habe, der sich so engagiert um seine Mannschaft gekümmert habe. Das war für Brendler das Zeichen, auf dem richtigen Weg zu sein, und zu seinem Captain entwickelte sich in den nächsten Jahren ein besonderes Verhältnis.
Wie könnte es anders sein - auch die erste Meisterschaftspartie mit Rychenberg gewann Brendler. Trotz Rückstand bezwang man Zäziwil, und es sollte der erste von sechs Siegen in Folge sein. Das biedere Mittelfeldteam zierte plötzlich die Tabellenspitze.
«Natürlich war dieser sensationelle Start für mich sehr wichtig» sagt Brendler. «Aber ich war froh, als uns Daniel Telli im 7. Spiel abgeschossen hat und wir auch einmal verloren haben. Es war mir schon unheimlich geworden». Es folgte ein Anruf von Nati-Trainer Urban Karlsson, ob Brendler nicht mit ihm am Allstar-Game ein Team coachen wolle, der Quali-Sieg, die Playoff-Qualifikation und die (verlorenen) Spiele in der Winterthurer Eishalle. Sascha Brendler wurde zum Trainer des Jahres gewählt. Tschechien fragte ihn als Assistenztrainer an. Steiler kann ein Aufstieg fast nicht verlaufen. Bei den Tschechen hatte Brendler übrigens wieder zugesagt, ohne die Entschädigungsfrage zu diskutieren. Der Traum der WM-Teilnahme war ihm wichtiger.
Aktuelle Situation kritisch?
Nach zwei Saisons mit Siegesserien und Playoff-Qualifikationen ist diese Saison der Start Rychenberg nicht nach Wunsch gelungen. Gewiss, gegen Wiler und Malans darf man verlieren - gegen Waldkirch-St.Gallen und GC daheim sollte das aber nicht passieren. «Diese Punkte fehlen» gibt Brendler zu. Er sagt aber auch: «Die Integration der Neuen braucht Zeit, die Umstellung auf das neue 2-2-1 ebenfalls. Unser Fokus liegt auf dem Dezember, nicht wie in den letzten beiden Jahren auf dem September». Zudem lässt Brendler häufig mit drei Linien spielen, was für einige Akteure weniger Spielzeit bedeutet. «Die letzten Jahre haben gezeigt, dass am Schluss die Teams vorne sind, die möglichst lange mit drei Blöcken Kraft gespart haben. Es bringt nichts, die Qualifikation zu dominieren und ab der Finalrunde einzubrechen».
Bei den neuen Spielern sei man sehr gezielt vorgegangen. Man habe grosse Verteidiger (Schärli, Taisch), ballsichere Stürmer (Kern, Steinholtz) und Slotstürmer (Schmid) gesucht und gefunden. Den bis jetzt noch nicht überzeugenden Finnen Niko Nordlund nimmt er in Schutz. «Der Junge ist erstmals von zu Hause weg und braucht noch Zeit. Seit ich ihn nicht mehr mit der ersten Linie bringe, muss er mehr Verantwortung übernehmen und blüht auf. Zu diesem Transfer stehe ich voll und ganz.»
Das 2-2-1 wird durchgezogen, in keinem Training ist Brendler davon abgewichen, auch wenn es noch haarsträubend aussehe. Ihm fällt kein Zacken aus der Krone, Nati-Trainer Markus Wolf um Tipps anzufragen. «Wenn ich etwas nicht weiss, dann frage ich - ohne Berührungsängste.» Die Tabelle wird für Brendler ab Dezember wichtig, ab Januar soll das Team auf einem Playoff-Platz stehen. Er wird auf dem Weg dahin wie immer auf seine innere Stimme hören.