28.
04.
2003
NLA Männer | Autor: Keller Damian

René Berliat vergleicht Unihockey in Schweden mit der Schweiz – Teil 2

Hier folgt der zweite Teil der Ausführungen René Berliats. Der Berner in Diensten des Schwedischen 1.Divisionärs Alba geht beim Vergleich Schweden-Schweiz noch mehr ins Detail.

Nun, wo liegen die Chancen und Bereiche, wo wir besser oder gleich gut wie die Schweden sein können:

Organisation/Planung
OK, sind halt typisch schweizerische Tugenden und vielleicht nicht so beliebt und spektakulär. Aber: Durch gute Organisation und Planung eines Trainings/Saison oder einer Cluborganisation kann die Qualität von dem, was wir machen, massiv gesteigert werden. Meines Erachtens haben viele Schweden grosse Mühe, etwas auf längere Sicht zu planen, es lebe die Improvisation! Achtung: Die Improvisation ist auch sehr wichtig und sie darf trotz guter Planung nicht vergessen werden (im Spiel ist vieles Improvisation!). Aber wenn Improvisation nur noch nacktes Chaos ist, geht einfach sehr viel unnötige Energie verloren, und es ist nur noch peinlich. Und glaubt mir, das habe ich hier in Schweden genügend erlebt... Ich glaube, das bessert hier erst, wenn den Schweden mehr Länder auf die Pelle rücken.

Perfektion/Qualität
Nochmal typisch schweizerische Tugenden. Darunter verstehe ich vor allem die Ausbildung der Trainer und dann vor allem die konsequente Umsetzung des Gelernten in die Trainings in den Vereinen. Ich weiss, dass das klappen kann, schliesslich habe ich in Köniz als Verantwortlicher eine Juniorenabteilung aufgebaut, die auch in Schweden absolut top wäre. Ich habe bei Alba auch schon Juniorentrainings geleitet und dabei festgestellt, dass viele Juniorentrainer (öfters Väter der Junioren) qualitativ und auch vom Fachwissen her sehr schlechte Trainings machen. Ich darf mir nicht ausdenken, was die Schweden noch rausholen könnten, wenn sie dort noch besser arbeiten würden... Da liegt auch bei ihnen noch sehr viel Potential brach.

Aber trotzdem, wenn ich momentan bei den Trainern den Vergleich mache sieht es so aus:
Im schwedischen Unihockey hat es wenige Toptrainer, viele mittelmässige Trainer und wenig schlechte. In der Schweiz hat es wenige Toptrainer, wenig mittelmässige und viele schlechte. Das muss dringend ändern und ich hoffe, dass da die Trainerschulungen des Verbandes schon greifen!

Athletikfaktoren
Klar sind die Schweizer dort den absoluten Topspielern Schwedens immer noch unterlegen. Aber ich glaube, dass dort aufgeholt wurde. Natürlich passiert auch bei den Athletikfaktoren einiges in der Jugendzeit (Koordination, Laufschulung, Kräftigung spez. Rumpf), was später schwerlich aufgeholt werden kann, aber: Das Training der Athletikfaktoren ist eine Fleisssache und damit hat das jeder selber in der Hand, speziell im Aktivenalter! Aber eben, alle Athletik nützt nicht viel, wenn man das Spiel nicht versteht und einfach wie wild im Spielfeld rumrennt.

Wirtschaftliche Faktoren/Geld
Wenn man es mit den finanziellen Verhältnissen der meisten schwedischen Vereine und vor allem des Verbandes vergleicht, stehen wir in der Schweiz recht gut da. Die schwedische Herren-Nationalmannschaft musste zum Beispiel die Februarländerspiele wegen finanzieller Engpässe des Verbandes absagen. Der schwedische Natitrainer Kokocha lässt keine Gelegenheit aus, sich über die wenigen Zusammenzüge sowie über sein Nebenamt zu beklagen (vom Profistatus, den Urban Karlsson hat, träumt er nur). Die cleveren Vereine der Schweiz investierten in den vergangenen Jahren ihr Geld in die Ausbildung und die Junioren und können jetzt die verdiente Ernte einfahren. Unser Unihockey kann nur von unten her besser werden. Bin gespannt was die wohl kommende totale Öffnung punkto Ausländer bringen wird. Mir schwant nicht nur Gutes, das Geld wird fortan wohl vor allem dorthin fliessen, sobald der erste Verein mit mehreren Ausländern Erfolg haben sollte...

Flächenmässige Grösse des Landes/Zusammenarbeit
Ja, das kann ein grosser Vorteil sein. Wenn wir zusammenarbeiten, gerade im Bereich der Nationalteams, haben wir massive Vorteile gegenüber Schweden. Ich glaube, dass es einfacher ist, wenn fast alle Orte innerhalb von 3, 4 Stunden erreichbar sind. In Schweden sind es vom nördlichsten bis südlichsten Punkt ca. 2000 Kilometer... Die Gefahr ist natürlich, dass wir in der Schweiz einander auf die Nerven gehen, weil alles so nah beieinander liegt und man immer die gleichen Köpfe sieht und oftmals die Gefahr von Vetterliwirtschaft besteht (gerade in den Auswahlen, habe das aber hier in unserem Distrikt Gästrikland auch schon erlebt...). Ich hatte in den vergangenen Jahren viele Spieler in diversen Nationalteams. Natürlich war ich auch nicht immer mit jeder Entscheidung und der jeweiligen Spielphilosophie der Auswahltrainer einverstanden. Ich kann aber mit gutem Gewissen behaupten, bei Problemen stets das Gespräch mit den Trainern gesucht oder zumindest meine Spieler im Interesse des Schweizer Unihockeys immer wieder motiviert zu haben, ihr Bestes zu geben. Ich glaube wenn dort alle Beteiligten in Zukunft mehr im Interesse des Schweizer Unihockeys handeln würden anstatt unnötige Schlammschlachten zu inszenieren, brächten wir schon mal dieses unbedingte Zusammenhalten zustande, das es nun mal braucht, um eine Sensation gegen einen  von den Voraussetzungen her massiv besseren Gegner (sprich Sieg gegen Schweden oder Finnland) zu erreichen.

Mentale Stärke / Kämpferherzen
Klar, ich denke, dass in der Breite des Kaders in Schweden mehr Spieler es wirklich hassen zu verlieren. Aber ich habe auch in der Schweiz Spieler und einige Trainer (z.B. Berger/Brendler/Düggeli/Wolf) kennengelernt, die sich punkto mentale Stärke und Kämpferherzen absolut nicht verstecken müssen. Die Umstände mit Schule und Job sind in der Schweiz meist härter, und wer sich dort durchbeissen kann, sollte eigentlich auch im Sport belastbarer sein. Habe schon öfters in Schweden die Erfahrung gemacht, dass viele Leute nicht sehr belastbar sind (ein Spieler meiner Mannschaft hat sich eben mal einen Monat wegen Gefahr „Burn-Out“ im Job krankschreiben lassen und das geht hier ohne grosse Probleme...). Die Nachteile des Sozialstaates - für jedes kleinste Problem gibt´s einen Betreuer oder irgend einen Ausweg. Es sei einfach hier mal gesagt: Auch die Schweden kochen nur mit Wasser, einfach ein wenig mehr in unsere Fähigkeiten vertrauen und nicht immer nur die Probleme sehen (muss da manchmal auch hart an mir arbeiten). Der Schweizer hat einfach auch ein extremes Sicherheitsbedürfnis, ja nichts riskieren, immer den sicheren Weg im Leben gehen. Das ist halt schon nicht die Einstellung, um ganz an die Spitze zu gelangen.

Körperspiel
Ein riesiger Unterschied. Es wird im Norden viel mehr mit dem ganzen Körper gespielt und von den Schiedsrichtern auch toleriert. In der Schweiz beherrschen viele Spieler das Körperspiel überhaupt nicht, was dann öfters zu unkontrollierten, gefährlichen Attacken führt. Auch hier denke ich, dass das Körperspiel in Schweden vor allem im Jugendalter durch die sportliche Vielseitigkeit automatisch viel besser gelernt wird (Eishockey, Fussball, Basket etc.).

Austeilen/Einstecken/Fairness
Ich weiss nicht, ob es damit zusammenhängt, dass die Schweiz südlicher liegt und das Temperament der Spieler/Trainer einfach ein wenig höher ist (was ich aber überhaupt nicht als Nachteil empfinde, es führen bekanntlich verschiedene Wege nach Rom). Aber die Fähigkeit, nicht nur auszuteilen sondern auch einzustecken, scheint mir im Norden schon grösser. Es gibt nicht in jedem Team 3, 4 Heulsusen, die wirklich bei jeder kleinsten Berührung gleich aggressiv werden und dann unkontrollierte Tätlichkeiten und Kniestiche als Antwort verteilen. Oder unzählige Male pro Spiel beim Schiri reklamieren... Ich denke, dass einfach in Schweden die interne Kontrolle besser funktioniert. Das heisst, dass sich Teamkollegen und Trainer diese Sündenböcke im Team gleich selber vornehmen und für Ordnung sorgen. Das rührt wohl auch daher, dass die „Erziehung“ zu sportlichem Verhalten von den meisten Juniorentrainern in Schweden sehr ernst genommen wird. Leider stelle ich da in der Schweiz an Juniorenturnieren in letzter Zeit sehr negative Tendenzen fest. Negativer Höhepunkt war ein Turnier, wo ein B-Juniorenspieler seinen Stock nach einem Einsatz ca. 10 Meter weit weg warf und der Trainer dem Spieler den Stock blitzschnell holen ging... Freut euch auf diesen Junior im Aktivenalter! 

Schiedsrichter
Ja, auch dieses Thema muss angesprochen werden und ich habe mich bis vor einem Jahr sogar aktiv in einer Regelgruppe engagiert (für all die jetzt denken „auch einer der nur über die Schiris motzen kann anstatt was zu tun“).
Wer ein Spiel pfeift, sollte versuchen dieses Spiel zu verstehen!
Genau das gleiche Problem wie bei vielen Spielern, nur noch viel eklatanter. Die Unterschiede sind riesig, die Schiris in Schweden wirklich massiv besser. Über dieses Thema könnte man separat ein Buch schreiben...
Nur ein paar Beispiele (von unzähligen) warum ein Schiri ein Spiel auch ein wenig verstehen sollte und es nicht reicht, das Regelbuch auswendig zu lernen oder sich bei jedem Pfiff darauf zu berufen.

- Eine Mannschaft lässt sich immer in 2:1 Situationen an der Bande reinmanövrieren. Gepfiffen wird fast immer für den ballführenden Spieler, kaum berührt in einer leicht (speziell in Juniorenspielen schlimm). Eine Mannschaft die sich immer in diese Situationen manövrieren lässt, begreift das Spiel nicht. Dafür sollte sie nicht noch stets mit einem "Entlastungspfiff" belohnt werden.
- Mit Spielemotionen lernen umzugehen. Ein Gefühl entwickeln, wann alles locker gesehen werden kann oder wann wirklich hart eingegriffen werden muss (da sind die schwedischen Schiris wirklich unglaublich gut). Da werden durchaus locker Sprüche gemacht, mit Trainern und Spielern gesprochen, ohne dass es eine peinliche Anbiederung ist. Aber die Schiris können wirklich von einer Sekunde zur andern unglaublich konsequent und deutlich werden, wenn es die Situation erfordert. Ein Eliteschiri hat mir mal grauenhaft die Leviten während des Spiels gelesen (hab zum Glück nicht alles verstanden...), als ich immer wieder reklamiert habe... In der Pause kam er aber schon wieder mit einem lockeren Spruch zu mir, und der Rest des Spiels war kein Problem.
- Folgende Szene sah ich über Weihnachten bei einem NLA-Spiel: Ein hoher Ball kommt in den Slot, ein Stürmer versucht in ganz klar zu hoch mit dem Stock abzunehmen (ca. Hüfthöhe), er trifft aber bei diesem Versuch keinen Gegenspieler. Der Schiri pfeift zurecht den hohen Stock, aber nun kommt das Schlimme: Er gibt dafür 2 Minuten.... Ca. 5 Minuten später versucht der gleiche Spieler energisch mit dem Ball in den Slot zu kommen und arbeitet dabei heftig mit dem ganzen Körper. Wenn man ganz böse will kann man ein Stürmerfoul pfeifen, für mich war das aber ganz normaler Einsatz im Slot. Der gleiche Schiri gibt wieder 2 Minuten... Per Zufall ist dieser Stürmer auch in der Nati. Ich behaupte mal, dass der nach diesem Spieltag 2 Spiele lang nicht mehr allzu viel im Slot macht. Die „Quittung“ wird er dann beim nächsten Länderspiel bekommen, international geht es da anders zur Sache und für diese "Vergehen" wird es ganz sicher keine 2 Minuten geben, weil der Schiri das Spiel versteht und weiss, dass es im Slot ein wenig härter zur Sache geht...

Ich bedaure, dass in der Schweiz nicht mehr (gute) Spieler, die ihre Karriere beenden, die Schiedsrichterlaufbahn einschlagen. Ich glaube, dort wäre das Spielverständnis und das Gefühl für die Emotionen der Spieler besser vorhanden und das Spielniveau könnte durch regelmässige untadelige Schiedsrichterleistungen massiv erhöht werden. Auch die Schweiz kann Weltklasseschiris rausbringen, Baumgartner/Baumgartner haben das bewiesen. Aber diese zwei sind das beste Beispiel, wieviel man mit grosser Persönlichkeit und Fingerspitzengefühl erreichen kann.

So, das wär´s von diesem Vergleich, ich muss aufhören, mir kommen schon wieder neue Sachen in den Sinn... Ich hoffe sehr stark, dass mein ehemaliger Dozent in Magglingen unrecht behält und die Schweiz auch in 10 Jahren noch an der internationalen Spitze der Mannschaftssportart Unihockey dabei ist!

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Tabellen

1.UHC Thun+5732.000
2.Kloten-Dietlikon Jets+2826.000
3.UHC Grünenmatt+1724.000
4.Floorball Fribourg+823.000
5.Pfannenstiel Egg-720.000
6.Ticino Unihockey+718.000
7.Unihockey Langenthal Aarwangen-1318.000
8.I. M. Davos-Klosters-912.000
9.Ad Astra Obwalden-1312.000
10.Unihockey Limmattal-1812.000
11.UHC Lok Reinach-189.000
12.Regazzi Verbano UH Gordola-397.000
1.Floorball Uri+3629.000
2.Nesslau Sharks+1222.000
3.Aergera Giffers+121.000
4.UH Appenzell+517.000
5.Unihockey Basel Regio-616.000
6.Chilis Rümlang-Regensdorf+515.000
7.UHC Bremgarten-2713.000
8.UH Lejon Zäziwil+111.000
9.Visper Lions-1311.000
10.Red Lions Frauenfeld-1410.000

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