11.
2012
C'mon!
Der Medienraum des Stade de Suisse in Bern scheint eine gute Aura für grosse Auftritte zu haben. Vor zwei Wochen gab Stadionbesitzer Andy Rihs erschreckende Einsichten in das Verhalten der YB- Investoren. So gab er öffentlich zu, keine Ahnung von Fussball zu haben und Startrainer Christian Gross geholt zu haben, "will ich mal ghört han, dä seg no guet.". Am Montag war die Reihe an Petteri Nykky. Die Frisur ist ähnlich wie bei Rihs, ansonsten enden die Gemeinsamkeiten. Angekündigt war die Präsentation der Schweizer Unihockey-Nationalmannschaft für die WM in drei Wochen in Bern und Zürich. Es war aber vor allem die Petteri-Nykky-Show. Weltmännisch, gelassen und mit viel Witz präsentierte er die 20 Namen der WM-Teilnehmer. Und gleichzeitig schwor er die Presseleute auf die WM ein, als wären die Journis ein eigenes Team. Nicht, dass die Schweizer Unihockey-Schreiberlinge Nachhilfe für das Media Game bräuchten (seit 2007 gewann immer das Team mit Schweizer Beteiligung), aber Show war wirklich gut. Wie in den besten Disney-Sportfilmen oder dem Klassiker "Miracle On Ice" motivierte Nykky die Journaille mit grossen Worten auf die grossen Taten im grossen Hallenstadion ein. Pathetisch, heroisch, episch. Beinahe wäre ich am Schluss aufgestanden und hätte laut "c'mon" gerufen.
Ja, Nykky spielt die Rolle des Vordenkers bestens. Das heisst, es ist gar keine Rolle. Er ist so. Ein grosser Philosoph und charismatischer Leader. Interviews mit ihm werden schnell zu philosophischen Grundsatzdebatten. Verkäufer wird hinter vorgehaltener Hand auch gesagt. Von Unihockey versteht keiner so viel wie Jussi Jäntti, Nykkys langjähriger Gefährte, welcher ihn während dem Spiel mit Infos und Vorschlägen via Headset füttert. Aber Jäntti ist keiner, der grosse Reden vor Journalisten hält. Das ist Nykkys Job. Und mittendrin in der Präsentation hab ich mir vorgestellt, wie er bei Steffi Buchli in der Sportlounge in den weissen Sesseln seine Weisheiten von sich gibt. Ich bin überzeugt, die Schweizer Sportwelt würde erstaunt fragen: "Wow, wer ist diese Koryphäe?" Ich hoffe ehrlich, dass SF Nykky vor oder während der WM "entdeckt". Da ist der farblose Hitzfeld mit seinen nichtssagenden Platitüden ein blasser Schuljunge dagegen. Nicht zu reden vom griesgrämigen Sean Simpson. Nykky nennt seine Spieler scherzhaft "Holzfäller" oder dass die Spieler ein Rennpferd wohl Zimmi taufen würden, weil dieser wie verrückt auf das Comeback ackert.
Natürlich könnte man jetzt an dieser Stelle über sein WM-Aufgebot diskutieren. Wo ist ein Florian Kuchen, welcher in der besten Liga der Welt spielt? Ein Renato Schneider, mit 25 Jahren Captain und Leaderfigur bei Chur. Wo sind die Malanser, welche bis Sonntag die Tabelle angeführt haben? Wo ein Nino Wälti oder ein Philipp Gerber, welcher wieder in der Form wie vor zwei, drei Jahren ist. Mit manchen WM-Fahrern von 2010 hat Nykky nicht mal ein Wort gewechselt, geschweige denn je ein Aufgebot verschickt. Ich behaupte jetzt mal etwas bös, dass er bis auf zwei, drei Positionen seit 18 Monaten weiss, welche Spieler er mitnimmt. Natürlich könnte eine Polemik entfacht werden, dass der Nationaltrainer doch jedes Wochenende Spiele live anschauen und nicht nur im Nachhinein via Telefon mit den Coaches besprechen sollte. Oder über seine Trainingscamps, nach welchen die Spieler sich eine Woche erholen müssen. Oder über sein Gehalt diskutiert werden, in einer Sportart, in welcher x-Tausende an jedem Wochenende x-Stunden aufwenden, ohne nur jemals einen Rappen zu sehen.
Aber ich habs grad am Montag wieder gedacht. Wenn es einer schafft, aus dem ewigen Halbfinalverlierer Schweiz einen Finalisten zu machen und zumindest für ein paar Stunden einen Goldtraum steigen zu lassen, dann Petteri Nykky. Wenn er das hinkriegt, dann sollen alle Kritiker auf Knien anrutschen und seine Füsse küssen. Dann hat er mehr erreicht, als die letzten drei Verbandspräsidenten zusammen. Denn trotz womöglich ausverkauftem Hallenstadion zählt an der WM nur eins: Der sportliche Erfolg.