11.
2014
Wir sind keine Entwicklungshelfer
Mikael Krogerus' Unihockey-Glosse in der NZZ sorgt in der Unihockeyszene für Empörung. So viel vorneweg: Ich finde auch, mein Berufskollege hat den Bogen überspannt. Natürlich vermittelt der Text ein falsches Bild von der Sportart. Selbstverständlich ist es keinesfalls so, dass man den Sport hierzulande der breiten Masse von Grund auf erklären müsste. Unihockey ist als Breitensport gut verankert und im Schulsport etabliert. Und die Metapher mit dem Springreiten ohne Pferd träfe eher zu, wenn Unihockey ohne Stock gespielt würde.
Abgesehen davon und auf die Gefahr hin, dass ich mich hier unbeliebt mache, nehme ich Krogerus in mehreren Punkten in Schutz. Zuerst einmal handelt es sich beim «Corpus Delicti» um eine Glosse, ein Gefäss für pointierte und satirische, nicht zwingend ernst gemeinte Äusserungen. Im Gegensatz zum Kommentar darf der Autor in der Glosse das Zuspitzen auf die Spitze treiben und darf er polemisch schreiben, wenn ihm danach ist. Ausserdem schreibt Krogerus zwischen den Zeilen, dass Unihockey auf Aussenstehende zwar seltsam anmutet, aber ganz offenbar einen grossen Spassfaktor beinhaltet.
Kommt hinzu, dass wir «Szenis» Gefahr laufen, die Realitäten zu verkennen. Ja, der Unihockeysport hat in der Schweiz sehr viele Lizenzierte, und nein, man muss die Sportart hierzulande nicht von Grund auf erklären. Aber global betrachtet ist Unihockey tatsächlich unbekannt; bestimmt musstet ihr «euren» Sport auch schon Freunden oder Bekannten aus dem Ausland in den elementarsten Grundzügen erklären. Krogerus hat recht, wenn er schreibt, dass vier kleine Länder den Weltmeister unter sich ausmachen. Er fragt nicht zu unrecht, wer mitbekommen hat, wer letzten Monat die Champions League in Zürich gewann.
Das Interesse am Unihockeygeschehen hält sich auch hierzulande in Grenzen, leider. Ausserhalb der Szene besonders - das stelle ich im Nicht-Unihockey-Kollegenkreis und auf der Redaktion immer wieder schmerzlich fest -, und innerhalb der Szene erstaunlich. Diejenigen der gut 30 000 Lizenzierten, die nicht interessiert, was sich in den obersten Ligen und international tut, lassen sich jedenfalls nicht an einer Hand abzählen.
Krogerus selbst, das verraten seine bisweilen ahnungslosen Aussagen in der Glosse, ist ein Beispiel für viele Ehemalige, wenn auch ein extremes. Dass für ihn die Stöcke immer noch aus Plastik sind und er das Gefühl hat, man könne als Anfänger halbwegs mithalten, zeigt, dass sein Interesse am Unihockey da erlosch, als er selbst aufhörte. Es interessiert ihn nicht einmal, wie die Stöcke im Sportgeschäft inzwischen aussehen.
Damit ist er einer von vielen, leider. Leider bekommen (zu) viele nicht mit, wie sich die Sportart entwickelt hat. Dass man heute physisch in einer viel, viel besseren Verfassung sein muss als früher, um oben mitspielen zu können. Dass das Unihockeyvolk darüber hinaus ein sehr, sehr sympathisches ist. Es ist jammerschade, aber es ist eben so.
Bitte gebt nicht den Medien die Schuld und verteufelt nicht die NZZ, weil sie das Unihockeygeschehen weitestgehend ausblendet. Worüber in welchem Umfang berichtet wird, richtet sich nach den Bedürfnissen der breiten Leserschaft, und nicht umgekehrt. Die unabhängigen Medien sind keine Entwicklungshelfer.
Voneschen Reto
06. 11. 2014
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06. 11. 2014
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06. 11. 2014