Viel Ungewohntes für Anderegg

«In der Garderobe ist es mucksmäuschenstill. Das pure Gegenteil zu Piranha Chur», sagt Mirca Anderegg. Am Rande des Champions Cup erzählte die Exil-Zizerserin in den Reihen von Classic Tampere, warum es ihr in ihrer temporären Heimat trotzdem gefällt.

Mirca Anderegg sitzt entspannt auf den Zuschauerrängen und verfolgt das Abendspiel zwischen den Männern von Classic Tampere und dem schwedischen Meister IBK Falun. Die wohl noch feuchten Haare versteckte sie unter einer grauen Wollmütze, denn kurz zuvor hat die bald 32-Jährige am Champions Cup mit ihrem neuen Klub Classic Tampere ihr Ex-Team Piranha Chur in einer Zitterpartie mit 5:4 bezwungen. «Das erste Spiel ist immer schwierig, und für mich wars noch schwieriger, weil es gegen Piranha war», bilanziert Anderegg. Neben ihr hocken ein paar ihrer Teamkolleginnen und Tiia Ukkonen, die finnische Verteidigerin von Piranha Chur, der Anderegg gerade ihr Auto für den kommenden Tag versprochen hat.

Selbst braucht Anderegg das Fahrzeug dieser Tage am Champions Cup nicht. «Ich wohne gleich um die Ecke», erklärt die ehemalige Piranha-Teamleaderin, die seit Sommer in Tampere lebt, «fünf Minuten zu Fuss, mit Sauna und allem Drum und Dran.»

In ihrer neuen Heimat habe sie sich bestens eingelebt, berichtet die Exil-Zizerserin, die mit Teamkollegin Katri Luomaniemi in einer WG haust. Die 200'000-Einwohner-Stadt sei «mega schön», die Leute, die Saunas und die Seen cool und ihr Job als Helferin in einer deutschen Vorschule perfekt. «Ich spiele mit den Kleinen immer Fussball, und sie versuchen, mir finnische Wörter beizubringen.»

Sprachliche und andere Barrieren
Bisher tun die Kinder dies indes mit bescheidenem Erfolg, denn mit der Sprache hapert es noch, wie Anderegg gesteht: «Ich verstehe nur ‚Guten Morgen‘- ‚Hyvää huomenta‘.» Umso mehr freut sie sich, dass ihr Ex-Klub Piranha derzeit in Tampere weilt. «Es ist schön, dass ich mal etwas verstehe», sagt sie. Ansonsten vermisse sie nebst der Familie und den Freunden hauptsächlich die Schweizer Küche, «vor allem den Käse».

Die grössten Anpassungsschwierigkeiten hat Anderegg aber im Unihockey. Der überaus erfahrenen Mannschaft ist der Saisonstart mit zwei Siegen in der Meisterschaft zwar geglückt, doch so richtig angekommen ist Anderegg beim finnischen Serienmeister noch nicht. Der Grund dafür könnte in der Kabine liegen: «In der Garderobe ist es hier einfach ruhig, mucksmäuschenstill. Keine Musik, kein ‚aufpushen‘, nichts - das pure Gegenteil zu Piranha.» Etwas, woran sich Anderegg noch gewöhnen muss. «Bei Piranha war die Stimmung immer sehr emotionsgeladen. Jetzt ist sie geradezu emotionslos.»

Champions-Cup-Sieg im Visier
Den Churerinnen kam Andereggs Fahrzeug zum Nulltarif gelegen. Sie hatten gestern spielfrei, und die Zeit wollten sie für einen Ausflug nutzen. Anderegg selbst hatte andere Pläne: Mit Classic Tampere stand sie zum zweiten Mal im Einsatz und sicherte sich mit einem ungefährdeten 10:1-Sieg den budgetierten Gruppensieg. Geht es nach der Zizerserin, soll es ein Zwischenschritt Richtung Champions-Cup-Titel gewesen sein: «Die schwedische Liga ist vielleicht ein bisschen höher einzustufen als die finnische, aber wir sind eine sehr erfahrene Mannschaft und bringen die Voraussetzungen zum Gewinnen mit.» Die routinierteste noch aktive Schweizer Unihockeyspielerin muss es wissen: Sie schöpft aus der Erfahrung von über 14 NLA-Saisons mit sieben Schweizer-Meister-Titeln und zwei Champions-Cup-Triumphen mit Dietlikon, lief überdies 106-mal für das Nationalteam auf und spielte ein halbes Jahr in Schweden für Balrog.

Zeitungsbericht "Die Südostschweiz"