10.
2020
Ein Goalie auf Abwegen
Hat Sven Körner Geschichte geschrieben? Im 1/32-Final des Schweizer Cup kam der Goalie des UHC Thun gegen die Visper Lions zu einem 40-minütigen Einsatz als Flügel - und konnte sich dabei sogar in die Torschützenliste eintragen lassen.
Als sich der UHC Thun auf dem Weg ans Cupspiel gegen die 3. Ligisten Visper Lions befand, ahnte Sven Körner noch nicht, was ihm geschehen wird. Weil bei den Berner Oberländern einige Akteure verletzungsbedingt fehlten und die jungen Spieler aus prioritätsgründen an die Partie der U21-Mannschaft nach Thurgau geschickt wurden, präsentierte sich das Kader schon im Vornerein etwas schmal. Statt den Junioren wurden so einige Spieler aus der 2. Mannschaft nominiert - darunter auch die Klub-Legende Jonas Wettstein. Kurz vor der Ankunft erreichte Trainer Daniel Steiner die Nachricht, dass Nicolas Amman ebenfalls fehlen wird, weil dieser in Italien stecken blieb.
Wer hat eine XL-Hose?
Mit nur 14 Feldspielern wollte der Thun-Coach die Partie aber nicht bestreiten, weshalb er kurzerhand Goalie Körner anrief und diesen fragte, ob er seinen Stock dabei habe. «Ich dachte zuerst, das sei ein Witz», erzählt er lachend. Doch das war es nicht. Als Steiner die Mannschaftsaufstellung herunterlas, fiel in der dritten Linie - neben den Verstärkungsspielern Wettstein und Patric Burgener (letztes NLA-Spiel vor fünf Jahren) - der Name «Körner». Der gebürtige Könizer konnte sein Glück (oder doch eher Unglück?) immer noch nicht fassen und fragte nochmals beim Trainer nach. Doch dieser meinte nur, dass er keine andere Möglichkeit habe.
Der Einsatz des Goalies als Stürmer verkam zur Feuerwehrübung. Denn Körner war überhaupt nicht darauf vorbereitet und musste demnach seine Spielerausrüstung bei den Teamkollegen erbetteln. «Einen Stock, Stülpen und Hallenschuhe wurden mir von den verschiedensten Mitspielern geliehen. Am schwierigsten war es aber, eine passende Hose zu finden», fährt er in seiner Erzählung fort. Schwierig darum, weil der 196 cm grossgewachsene und gut 100 Kilo schwere Torhüter nur in Sportshorts der Grösse XL passt.
Ins Blickfeld der Amateurteams geschossen
Irgendwie schaffte er es aber doch rechtzeitig, all seinen Utensilien zusammenzubringen. Pünktlich zum Anpfiff stand er mit der Nummer 29 als Feldspieler bereit zum Einsatz - das erste Mal in seiner schon fast 20-jährigen Unihockeykarriere. «Wahrscheinlich war es das erste und auch das letzte Mal», lacht Körner. Wobei: so schlecht machte sich der Hüne auf dem Feld gar nicht. In seinem 40-minütigen Einsatz erzielte er in der 33. Minute sogar das zwischenzeitliche 12:1. «Wir führten einen Freistoss auf der Mitte schnell aus, ich hatte etwas Platz und ‘chlepfte' den Ball einfach in die Nahe Ecke», erlebte Körner den historischen Moment aus seiner Perspektive. Wenig später hatte er nach einem Flippass sogar noch die Möglichkeit auf einen zweiten Treffer, doch der Walliser-Goalie parierte den Volley-Schuss mirakulös.
Ob zuvor schon jemals ein NLA-Torhüter in einem offiziellen Spiel als Feldspieler einen Treffer erzielt hat, ist leider nicht ganz überliefert. Sicher ist aber, dass sich Körner mit seiner Leistung in die Notizbücher von verschiedenen Amateurteams geschrieben hat. Das «Zwöi» von Thun wird sich bestimmt um ein Engagement bemühen, wenn er vom Leistungssport zurücktritt - oder die 2. Mannschaft von Floorball Köniz, wo sich mit Samuel Thut seit vier Saisons ein langjähriger NLA-Goalie wacker als Feldspieler schlägt.
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08. 10. 2020