Der Meistermacher
Vor neun Jahren staunten einige bei Alligator Malans, als der neue ausländische Verteidiger Tatu Väänänen vorgestellt wurde. Ein kleiner, mit roten Backen und dem schüchternen Auftreten fast jungenhafter Finne sollte der Nachfolger des exzentrischen Mathias Larsson werden, mit dem Malans wenige Monate zuvor Meister wurde? Was um Himmels willen hatte sich Esa Jussila, der Väänänen den Verantwortlichen empfahl, da nur überlegt? Schnell war klar: Der junge Mann war flink und spielte einen schnellen ersten Pass. Aber für Spektakel und Zauberstücklein waren ab sofort andere zuständig. Die Aura eines Stars, wie es Larsson oder Jussila inne hatten, besass Väänänen nicht. Geschätzt wurde er vor allem mannschaftsintern trotzdem ausserordentlich. «Er ist der Meister des zweiten Assists. Gäbe es dafür auch einen Punkt, würde er die Skorerwertung gewinnen», sagte Jussila einst. Gerne hätten die Malanser den fleissigen Verteidiger auch weiter in ihren Reihen behalten, seine heutige Frau Elina und er wollten aber mit dem damals drei Wochen alten Söhnchen Emil wieder nach Hause nach Finnland. Als Tatu Väänänen vor zwei Jahren zu Wiler-Ersigen in die Schweiz zurückkehrte, stand da kein scheuer Junge mehr in der Kabine. Als einer der weltbesten Verteidiger wurde er bei Wiler angekündigt. Keine Untertreibung.
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Der Meistermacher
Wo Tatu Väänänen spielt, werden Medaillen verteilt. Vier Jahre in Serie gewann er die Meisterschaft - zuerst in der Heimat, dann in der Schweiz mit Wiler-Ersigen. Wer ist der Mann, der die letzten drei Jahre zu Finnlands bestem Spieler gewählt wurde?
Vor neun Jahren staunten einige bei Alligator Malans, als der neue ausländische Verteidiger Tatu Väänänen vorgestellt wurde. Ein kleiner, mit roten Backen und dem schüchternen Auftreten fast jungenhafter Finne sollte der Nachfolger des exzentrischen Mathias Larsson werden, mit dem Malans wenige Monate zuvor Meister wurde? Was um Himmels willen hatte sich Esa Jussila, der Väänänen den Verantwortlichen empfahl, da nur überlegt?
Schnell war klar: Der junge Mann war flink und spielte einen schnellen ersten Pass. Aber für Spektakel und Zauberstücklein waren ab sofort andere zuständig. Die Aura eines Stars, wie es Larsson oder Jussila inne hatten, besass Väänänen nicht. Geschätzt wurde er vor allem mannschaftsintern trotzdem ausserordentlich. «Er ist der Meister des zweiten Assists. Gäbe es dafür auch einen Punkt, würde er die Skorerwertung gewinnen», sagte Jussila einst. Gerne hätten die Malanser den fleissigen Verteidiger auch weiter in ihren Reihen behalten, seine heutige Frau Elina und er wollten aber mit dem damals drei Wochen alten Söhnchen Emil wieder nach Hause nach Finnland.
Tatu Väänänen im Kreis seiner Familie in der Zuchwiler Wohnung. (Bild: André Burri)
Der Glücksfall
Als Tatu Väänänen vor zwei Jahren zu Wiler-Ersigen in die Schweiz zurückkehrte, stand da kein scheuer Junge mehr in der Kabine. Als einer der weltbesten Verteidiger wurde er bei Wiler damals angekündigt. Keine Untertreibung: Mit Väänänen holte Finnland 2010 das zweite WM-Gold und Emporkömmling Seinäjoen Peliveljet - besser bekannt als SPV - gewann zweimal in Serie die finnische Meisterschaft. Die letzten drei Jahre hiess der beste finnische Spieler jeweils Tatu Väänänen und an der letzten WM wurde er auch ins Allstar-Team gewählt.
Für Wiler-Ersigen war der heute 32-Jährige ein Glücksfall. Nach der unglücklich verlaufenen Saison 2012/13 mit dem frühen Out im Viertelfinal, stabilisierte er die Abwehr des Serienmeisters nachhaltig. Zudem kurbelte er entweder als Offensivverteidiger oder Center den Angriff der zweiten Linie an. Ebenso war er ein sicherer Penaltyschütze und umsichtiger Regisseur im Überzahlspiel. Kein Wunder knüpfte Wiler-Ersigen mit Väänänen wieder an die Meisterzeiten an.
Der Star
So bescheiden und zurückhaltend der Finne auch auftritt - seinen Wert weiss er haargenau einzuschätzen. Bereits eine Saison zuvor stand er mit Wiler-Ersigen in Kontakt, doch der Vertrag entsprach nicht seinen Vorstellungen. «Die Verantwortlichen sagten mir dann, dass sie noch ein paar Sponsoren suchen müssen, um mich zu bezahlen», erzählt Väänänen heute. Ein Jahr später klopfte Wiler-Ersigen wieder an und nun stimmten die Zahlen. Dass auch die Grasshoppers an seiner Verpflichtung interessiert gewesen sei, sei nur ein Gerücht, sagt Väänänen, «nur Rychenberg zeigte auch noch Interesse».
Dass er einen speziellen Status hat, zeigt nur schon, dass er in seiner ersten Saison der einzige Wiler-Akteur war, der nicht mit Lexx-Stöcken spielte - obwohl er beruflich diese zusammen mit Isaac Rosén zusammenschraubte. Nicht einmal Vesa Punkari, der legendäre finnische Pitbull, durfte bei seiner Wiler-Zeit mit «seinen» Stöcken spielen. «Tatu ist unser Star, er kann doch nicht mit dem gleichen Material spielen wie wir», sagte Rosén damals der «Berner Zeitung» grinsend.
Der Familienmensch
Dass Tatu Väänänen heute bei Wiler-Ersigen das Spiel orchestriert, liegt auch an seiner Familie. In Finnland wohnten die Väänänens in Jyväskylä, 200 Kilometer entfernt von Seinäjoki, wo Tatu Väänänen spielte. Rund zwei Stunden dauerte eine Fahrt, «oft wohnte ich am Wochenende dort in einem Hotel». Kein glücklicher Umstand für die vierköpfige Familie. Ehefrau Elina - die beiden heirateten im letzten Jahr - zog es wieder in die Schweiz, «obwohl ich mir das damals nach dem Weggang von Malans nicht hätte vorstellen können». Erst nach der Rückkehr sei ihr bewusst geworden, wie die Zeit in der Schweiz sie verändert habe, sagt die ehemalige Spielerin rückblickend.
Die letzten zwei Jahre waren so etwas wie eine Probezeit, vor allem, da der ältere Sohn Emil eingeschult wurde. «Anfangs sprach er kein Wort Deutsch, gemeinsam mit Johan Schönbecks Sohn Filip lernte er es aber rasch», sagt Mutter Elina. Heute spricht er fliessend Schweizerdeutsch und bringt sehr gute Zeugnisnoten nach Hause. «Ein cleverer Junge», freut sich Vater Tatu und Elina ergänzt lachend, «dank ihm können wir, weil es in der Schule so gut klappte, in der Schweiz bleiben». Nur sportlich tanzt er aus der Reihe. «Unihockey findet er langweilig, er geht viel lieber ins Geräteturnen», erzählt die Mutter. Dafür rennt sein jüngerer Bruder Noel schon mit dem Unihockeystock durch die Wohnung.
Das Wohl der Familie liegt Tatu Väänänen sehr am Herzen. Er könnte nicht an einem anderen Ort als die Familie leben, wie es Mika Kohonen macht (ab Seite 42 in dieser Ausgabe). «Ich wäre mit meinen Gedanken nicht 100-prozentig bei der Sache», ist Väänänen überzeugt. Wäre er alleine, wäre auch die Option Superligan reizvoll, gibt er zu, «obwohl ich in diesem Jahr erstmals kein Angebot eines schwedischen Vereins erhielt».
Tatu Väänänen im Superfinal 2015 in der Kolping-Arena.
Der Leader
Bei Wiler-Ersigen schätzt er die buchstäblich kurzen Wege - nur 100 Meter vom Sportzentrum entfernt, wohnen die Väänänens in einer ruhigen Einfamilienhaus-Siedlung. Der neue Vertrag ist unbefristet. «Wir schauen jeweils im Januar, wie es weitergeht», sagt Väänänen und gibt zu, dass er jeweils von Saison zu Saison denke, während Ehefrau Elina der Kinder wegen lieber länger hier bleiben würde. Worte, die man bei Wiler-Ersigen wohl gerne hört.
Die Zukunftsplanung hat schon sachte begonnen. Seit dieser Saison ist Väänänen Assistenztrainer von Wilers U16-Mannschaft. Als Trainer zu arbeiten könnte er sich auch zukünftig vorstellen. Denn Sport war und ist das, was ihn in seinem Leben am meisten interessiert. Die Ausbildung zum IT-Spezialisten hat er in Finnland nicht abgeschlossen. Bei einer Rückkehr nach Finnland würde er den Abschluss angehen, sagt er, «aber das kann noch warten. Zuerst will ich die Zeit als Unihockeyspieler geniessen». Denn bei allen Erfolgen ist er überzeugt, dass er sich noch weiter steigern kann.
Eines der Geheimnisse seines Erfolges sind Väänänens Leaderfähigkeiten. Nicht umsonst löste er 2013 Mika Kohonen als Captain der finnischen Nationalmannschaft ab. Ein Entscheid des Nationaltrainers Petri Kettunen sei dies gewesen, «er war bereits bei Josba mein Trainer, er vertraut mir sehr». Eine grosse Ehre, «in der Nationalmannschaft ist der Captain auch die rechte Hand des Trainers». Den Leadership bringt er auch in die Wiler-Kabine, wo er laut werden kann, wenn es nicht nach Wunsch läuft. Auf Deutsch natürlich, «auch wenn ich manchmal ein falsches Wort erwische», wie er lachend ergänzt. Verstanden wird er so oder so. Und mittlerweile klappt es auch mit Schweizerdeutsch immer besser. Sein «Nei» tönt schon verdächtig stark nach Berndeutsch. Ansonsten hat er mit Sohn Emil nun auch einen «Lehrer» im Haus.
Den ganzen Text mit den speziellsten Geschichten aus Väänänens Karriere - wie der live gesungenen Nationalhymne an der WM 2012 - lesen Sie in der gedruckten Ausgabe.