Wie ticken Torhüter?
Pascal Meier und Martin Hitz bildeten an der letzten Weltmeisterschaft in Göteborg das Torhüterduo der Schweizer Nationalmannschaft. Meier stand dabei seinem älteren Kollegen als Nummer 1 vor der Sonne. Dafür kann Hitz mit Alligator Malans schon etwas vorweisen, das Meier nach seiner Rückkehr aus Schweden mit den Grasshoppers erst noch schaffen muss - den Meistertitel.
Torhüter sollen anders sein, sagt man. Wir wollten es von den beiden Nati-Goalies genauer wissen und befragten sie zu Themen wie Druck, Konkurrenzkampf, beliebten und ungeliebten Vorderleuten und der Stellung des Torhüters als Einzelsportler in einem Team, der hinter sich keine Absicherung mehr hat. Jeder Fehler wird direkt an der Anzeigetafel ersichtlich. Und wenn man in einem WM-Halbfinal Sekunden vor der ersten Pause ausgewechselt wird, muss das erst einmal verarbeitet werden. Ein tiefer Blick in die Torhüterseele.
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Wie tickt ein Torhüter?
Torhüter sollen anders sein. Wir wollten es von den Nationaltorhütern Pascal Meier und Martin Hitz genauer wissen. Ein tiefer Blick in die Torhüterseele.
Pascal Meier und Martin Hitz bildeten an der letzten Weltmeisterschaft in Göteborg das Torhüterduo der Schweizer Nationalmannschaft. Meier stand dabei seinem älteren Kollegen als Nummer 1 vor der Sonne. Dafür kann Hitz mit Alligator Malans schon etwas vorweisen, das Meier nach seiner Rückkehr aus Schweden mit den Grasshoppers erst noch schaffen muss - den Meistertitel.
Wir befragten die beiden Nati-Goalies zu Themen wie Druck, Konkurrenzkampf, beliebten und ungeliebten Vorderleuten und der Stellung des Torhüters als Einzelsportler in einem Team, der hinter sich keine Absicherung mehr hat. Jeder Fehler wird direkt an der Anzeigetafel ersichtlich. Und wenn man in einem WM-Halbfinal Sekunden vor der ersten Pause ausgewechselt wird, muss das erst einmal verarbeitet werden.
Profane Einstiegsfrage - warum seid Ihr Torhüter geworden?
Meier: Es tönt blöd, aber ich fand, die Ausrüstung mit den grossen Hosen und Trikots sieht so bequem aus. War dann aber nicht so. Ich war kein Talent als Feldspieler, Fussball war wichtiger, dort hatte ich mehr Erfolg. Zum Unihockey ging ich der Kollegen wegen. Aus dem Tor kam ich nicht mehr heraus, weil es immer einen brauchte und keiner wollte. Aber mit der Zeit kam auch der Spass an der Sache (lacht).
Martin, du hast früher angefangen, oder?
Hitz: Zuhause in Küblis trafen wir uns immer auf dem «roten Platz». Bei einem Grümpelturnier sah mich der Freund der Schwester eines Mitspielers im Tor. Einen Monat später spielte ich als Zehnjähriger in der Junioren-C-Meisterschaft.
Pascal, wir erinnern uns an die Geschichte, dass du den damaligen U19-Nationaltrainer Thomas Berger nicht gekannt hast.
Meier: Ich hatte eben erst mit Fussball aufgehört. Beim Berger-Rencontre war ich erst ein halbes Jahr in der U17. Der erste Torhüter hatte sich verletzt und kurz vor der Trophy wurde ich die Nummer 1. Wir gewannen jedes Spiel. Da hiess es, ich müsse zu diesem Berger gehen. Ich wusste wirklich nicht, wer er ist und worum es geht. Die Kollegen klärten mich dann auf. Die ersten zwei Jahre in der U19 waren hart. Da wurde mir bewusst, dass ein bisschen Talent nicht reicht und ich begann an mir zu arbeiten. Bis dahin war es mehr Plausch gewesen.
Wir trafen Pascal Meier und Martin Hitz im sommerlichen Zürich. (Bild: Erwin Gahr)
Martin, du warst nie in einer Junioren-Nati.
Hitz: Richtig. Ich war einmal für die U17-Ost-Auswahl angemeldet und einmal gabs ein Aufgebot für die damalige U21-Auswahl. Die Trainer waren aber von Chur und Waldkirch-St.Gallen - die Torhüter dann auch. Thomas Berger sah ich im Klub jedoch genug, da konnte ich viel profitieren.
Kommen wir zum berüchtigten Ausdruck „Torhüter sind anders". Fühlt Ihr euch tatsächlich anders?
Meier: Vor einem Spiel sicher. Da brauche ich einen anderen Fokus als die Feldspieler. Ich muss von der ersten Sekunde bereit sein.
Hitz: Es ist eine ganz andere Verantwortung. Bei Spielern dauert es länger, bis sie begreifen, wie wichtig die Vorbereitung auf ein Spiel ist. Als Torhüter lernst du das von Beginn weg. Sobald ich in der Halle bin, konzentriere ich mich nur noch auf den «roten Kasten».
Wisst Ihr, wie die gegnerischen Spieler schiessen?
Hitz: Junge Spieler, die neu in der NLA spielen, sind eine Herausforderung. Die können mich bei ihrem ersten Einsatz überraschen. Beim Rest weiss man ungefähr, was sie für ein Repertoire besitzen. Viele Spieler erkenne ich auch am Laufstil.
Meier: Ich lerne die Spieler anhand des Stocks und des Stockhandlings kennen. Wir hatten in Växjö einen jungen Spieler, der trainierte unter der Woche mit zwei verschiedenen Marken und spielte am Samstag nochmals mit einer anderen. Da hatte ich dauernd das Gefühl, wir hätten einen neuen Spieler... In Schweden sagte ich Luca Graf auch mal, dass er den Stock wechseln solle, sein bisheriges Modell passe nicht zu ihm. Kürzlich fragte er mich, ob die neue Schaufel zu ihm passe (lacht).
Gibt es Spieler, die euch speziell in Erinnerung blieben?
Hitz: Adrian Capatt war so einer. Der hatte eine spezielle Schusstechnik. Da wusste ich nie, ob der Schuss links oder rechts, hoch oder tief kommt.
Meier: Mir ist Tom Weber in Erinnerung geblieben. Da konnte ich nur spekulieren, er traf trotzdem immer. Das Gefährlichste sind die Bogenläufe. Das wird in Schweden oft praktiziert. Kommt ein Schuss oder ein Pass? Du weisst es nie.
Hitz: Martin Olofsson führte den Ball so gut, dass man nie wusste, was er macht. Der hat sogar zwei-, dreimal seine Runden gedreht, da musstest du jede Sekunde die Situation neu einschätzen.
Meier: Für die Zuschauer sieht es einfach aus. Aber als Torhüter musst du abschätzen, wo er schiessen und wo seine Mitspieler für einen Pass bereitstehen könnten. Da läuft extrem viel in extrem kurzer Zeit ab.
Das Thema Druck interessiert uns sehr. Ihr hattet sicher schon Spiele, in denen Ihr sehr gut gehalten habt, am Schluss aber nur über ein Gegentor gesprochen wurde. Wie geht man damit um?
Meier: Das kommt auf das Selbstvertrauen an. Wenn du fünfmal in Serie gewonnen hast und gut drauf bist, nimmst du das locker. Aber nach fünf Niederlagen oder wenn es gegen den Abstieg geht, dann entsteht wirklich Druck.
Ihr denkt also in diesen Situationen an solche Dinge?
Hitz: Vieles hängt davon ab, wie du die Partie begonnen hast. Und wenn du aus fünf Abschlüssen fünf Gegentore erhalten hast, gehen dir andere Gedanken durch den Kopf, als wenn du bei 30 Paraden geglänzt hast.
Martin Hitz und Pascal Meier beweisen ihre Coolness auch neben dem Platz. (Bild: Erwin Gahr)
Das Ausblenden des Spielstandes ist also auch auf eurem Level nicht möglich?
Hitz: Mit der Zeit lernst du, wann solche Gedanken aufkommen können. Für unerfahrene Torhüter ist das schwieriger.
Meier: Du lernst gewisse Tricks, um zurück in die Spur zu kommen. Aber ganz ausblenden ist nicht möglich.
Wie geht Ihr mit einem frühen Gegentor um?
Meier: Ich hab das sogar gern. Dann weisst du, der «Scheissdreck» ist passiert, jetzt kann das Spiel beginnen. Ich hatte mal eine Saison, da bekamen wir immer früh ein Gegentor, gewannen aber immer.
Hitz: Es ist eine Frage der Routine. Abhaken und weitermachen ist das beste Mittel. Auch ein «Tunnel» zählt nur als ein Tor. Mentaltraining mache ich aber keines.
Könnt Ihr ein Spiel geniessen? Der ehemalige Dortmunder Fussballtorhüter Stefan Klos sagte einmal, dass er kein Spiel geniessen konnte, da er bis zum Schluss Angst hatte, ein Tor zu kassieren.
Meier: Wenn ich im «Flow» bin, kann ich geniessen. Aber bei engen Spielen ist die Anspannung bis zum Schluss riesig.
Hitz: Früher ging ich in ein Spiel, um keine Fehler zu machen. So verkrampfte ich mich oft. Mittlerweile kann ich die Atmosphäre eines Spiels aufnehmen. Es ist ein geiles Gefühl, vor 5000 Zuschauern zu spielen. Das gibt zusätzlich Energie.
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