Schlauer Kopf
„Ein interessanter Verteidiger mit viel Vorwärtsdrang", sagt Nationaltrainer David Jansson über den 22-Jährigen, der in seiner vierten NLA-Saison steht. „Eine wichtige Führungspersönlichkeit bei uns, er übernimmt Verantwortung und hat eine Vorbildsfunktion", schwärmt sein Trainer Pascal Sigg. „Eine Ein-Mann-Lawine", kommentiert dessen Assistenztrainer Philippe Soutter gewohnt eloquent. An der U19-WM 2011 in Weissenfels gewann Baumann mit der Schweizer Junioren-Nati die Bronzemedaille - an der Seite von Spielern wie Manuel Engel und Paolo Riedi, die heute in Schweden aktiv sind, den Malansern Claudio Laely, Kevin Berry und Remo Buchli und diversen anderen Cracks, die längst zum Stamm eines NLA-Teams gehören. Doch dass Baumann diese Saison überhaupt noch bei Uster spielt, hing an einem seidenen Faden - erst im August entschied er sich dafür. Und ob er nächste Saison noch in der Schweiz ist, steht in den Sternen. Der junge Mann verfügt eben auch neben dem Platz über viele Talente.
„Hättest du mich im Frühling gefragt, ob ich in fünf Jahren noch Unihockey spiele, hätte ich überzeugt nein gesagt. Jetzt sage ich nicht mehr nein, aber auch nicht unbedingt ja", orakelt Severin Baumann. Was bringt einen Spieler mit diesen Qualitäten in seinem Alter dazu, derart zu zweifeln?
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Schlauer Kopf
Severin Baumann sorgt bei Uster für Energie. Davon wird viel nötig sein, wenn die Zürcher Oberländer erstmals in die Playoffs wollen. Daneben will der 22-Jährige die Welt verändern.
Treffpunkt Paradeplatz, Zürich. Bekannt als teuerstes Feld im Monopoly, Heim der UBS und der Credit Suisse (CS).. Severin Baumann hat sich nicht extra für das Fotoshooting mit unihockey.ch in Schale geworfen - als Praktikant bei der CS im Bereich „Market Development Germany" geht man täglich im edlen Anzug zur Arbeit. Noch ehe wir selber ein erstes Mal auf den Auslöser der Kamera drücken können, zückt eine attraktive Blondine ihr Handy und nimmt den posierenden Offensiv-Verteidiger ins Visier. Usters Trainer Pascal Sigg hatte scheinbar recht, als er tags zuvor gesagt hatte, sein Schützling käme bei Frauen gut an. „Ein schöner Mann", murmelt sie und zoomt ihn sich näher. Wir sind zufrieden mit der Auswahl unseres Coverboys. „Ein Eishockeyspieler?", fragt sie. Wir scheuchen die Unwissende weg und machen uns an die Arbeit.
Lob aus berufenem Munde
„Ein interessanter Verteidiger mit viel Vorwärtsdrang", sagt Nationaltrainer David Jansson über den 22-Jährigen, der in seiner vierten NLA-Saison steht. „Eine wichtige Führungspersönlichkeit bei uns, er übernimmt Verantwortung und hat eine Vorbildsfunktion", schwärmt sein Trainer Pascal Sigg. „Eine Ein-Mann-Lawine", kommentiert dessen Assistenztrainer Philippe Soutter gewohnt eloquent.
An der U19-WM 2011 in Weissenfels gewann Baumann mit der Schweizer Junioren-Nati die Bronzemedaille - an der Seite von Spielern wie Manuel Engel und Paolo Riedi, die heute in Schweden aktiv sind, den Malansern Claudio Laely, Kevin Berry und Remo Buchli und diversen anderen Cracks, die längst zum Stamm eines NLA-Teams gehören.
Doch dass Baumann diese Saison überhaupt noch bei Uster spielt, hing an einem seidenen Faden - erst im August entschied er sich dafür. Und ob er nächste Saison noch in der Schweiz ist, steht in den Sternen. Der junge Mann verfügt eben auch neben dem Platz über viele Talente.
„Hättest du mich im Frühling gefragt, ob ich in fünf Jahren noch Unihockey spiele, hätte ich überzeugt nein gesagt. Jetzt sage ich nicht mehr nein, aber auch nicht unbedingt ja", orakelt Severin Baumann. Was bringt einen Spieler mit diesen Qualitäten in seinem Alter dazu, derart zu zweifeln?
Severin Baumann am Paradeplatz in Zürich. (Bild: Damian Keller)
Fast schon aufgehört
Matur- und Bachelor-Note höher als 5 - Baumann nennt dies „durchschnittlich intelligent". Die Bachelorarbeit in Volkswirtschaft schrieb er zum Thema Pensionskassensystem in China („die Chinesen werden durch ihre Ein-Kind-Politik einen extremen demografischen Wandel erleben"). Ein erstes Praktikum bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers, seit Oktober ein zweites bei der Credit Suisse - namhafte Adressen. Dazwischen Reisen in Australien und Südamerika. Klappt alles wie gewünscht, wird er nächstes Jahr ein zehnmonatiges Master-Studium in London antreten.
Könnte man doch auch im Unihockeyland Schweden, wenn es schon im Ausland sein muss - Linard Parli etwa macht dies so in Uppsala. Spielt Unihockey bei diesen Überlegungen gar keine Rolle? „Nein", sagt Severin Baumann ehrlich, um dann anzufügen: „Letzte Saison war ich beruflich sehr eingespannt, dazu kam die sportliche Erfolglosigkeit bei Uster - ich hätte wirklich fast aufgehört. Seither hat der Verein einen Schritt nach vorne gemacht, die Perspektiven haben sich verbessert und ich bin voll motiviert bei der Sache. Es hat mich wieder gepackt."
Sollte London Tatsache werden, wird es also an der Situation in Uster liegen, ob Baumann danach wieder einsteigt, oder ob ein weiteres Talent in der Schweiz zu früh verloren geht. Noch einmal Trainer Sigg: „In dieser Saison, als er sich erst spät im Sommer für uns entschied, war es wie ein Geschenk - nach seiner Ankunft ging ein Ruck durchs Team. Nun hoffen wir, ihm soviel Spass bereiten zu können, dass er auch bleibt."
Nie zu GC
So glamourös Baumanns berufliche Stationen und Reisedestinationen lauten - in Sachen Sport ist er erstaunlicherweise absolut der Scholle verbunden. Er wohnt in unmittelbarer Nähe der Sporthalle Buchholz und hat nie bei einem anderen Verein gespielt. Sein Bruder Marc-André (heute Nachwuchstrainer) brachte ihn zu Beginn dieses Jahrtausends in den Verein, der Vater ist als Funktionär engagiert. Beim Unihockey gehe es für ihn ausschliesslich um den Spass, nicht ums Geld, betont Severin Baumann. Trotzdem will er sportliche Perspektiven sehen, Erfolg haben - mit Uster. Sonst nirgends. „Erstens hat GC nie angerufen und zweitens würde ich nie dort hin wechseln, obwohl ich im Fussball GC-Fan bin", sagt er auf einen möglichen Transfer und die ehemaligen - heute in Zürich spielenden - Ustermer Vizzini, Honold und Bolliger angesprochen.
Erfolg heisst bei Uster derzeit: Endlich einmal den Sprung in die Playoffs zu schaffen, nicht immer in den Playouts zittern zu müssen. Auch wenn diese legendäre Serien produzieren können. Baumanns NLA-Karriere startete ausgerechnet in der Playout-Serie Usters gegen Zug United, als die Zürcher Oberländer 2012 in der Serie 0:3 zurücklagen, um mit Baumann das Ding noch zu drehen und die Klasse zu halten.
Severin Baumann sagt im Interview: "Wäre ich Grünenmatt, hätte ich Angst vor uns." (Bild: Damian Keller)
Der ominöse Strich
Wäre die letzte Runde vor der Nati-Pause nach dem Geschmack der Ustermer verlaufen, hätte Baumann das Interview mit unihockey.ch als „virtueller Playoffteilnehmer" geführt. Mit einem Sieg nach 60 Minuten über die Kloten-Bülach Jets wäre Uster an Grünenmatt vorbei auf Rang 8 vorgestossen. Da es „nur" einen Sieg nach Verlängerung gab - in dieser schnappte sich Baumann in der eigenen Zone den Ball, legte einen Lauf entlang der Bande hin und traf präzise in die hohe Ecke zum Siegtor - bleibt Uster vorerst unter dem ominösen Strich.
„Wir sind punktemässig bisher für unsere Leistungen zu wenig belohnt worden", bedauert Baumann. Gegen Grünenmatt und Wiler wären Punkte drin gelegen, meint er. So holte sich Uster seine Punkte bisher nur gegen die drei Teams am Tabellenende. Das wird nicht reichen.
Dennoch, in Uster sind die Ambitionen grösser geworden. Mit der Schibli-Gruppe wurde ein erster grösserer Sponsor an Land gezogen. Weitere sollen folgen, damit im Buchholz künftig nicht nur Erfolge bei den Junioren gefeiert werden können. Das ist eine Perspektive, die auch Severin Baumann gefällt. Vielleicht bleibt der vielseitig talentierte Mann der Szene ja doch noch ein paar Jahre erhalten.
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