Der Chrampfer
Seit vielen Jahren importieren schwedische «Gastarbeiter» die nordische Innebandy-Spiel- und Denkweise in die Schweiz. Darunter war auch schon so mancher «Zlatan», der seinen neuen Teamkollegen rasch auf den Keks ging. Mit grossen Sprüchen und kleinen Laufwegen. Oder sie kommen mit dem Ruf eines Weltstars wie Niklas Jihde oder Kim Nilsson und füllen die Garderobe allein mit ihrer Aura. Weder Glamour-Boy noch lauffauler Maulheld ist Christian Kjellman. 1.83 Meter gross, hagere Figur, leichte Glatze - einen typischen schwedischen Hockeyspieler stellt man sich in der Regel anders vor. Und von übersteigertem Selbstvertrauen ist er ähnlich weit entfernt, wie Magdalena Martullo-Blocher von akzentfreiem Englisch. Im Gespräch ist der 30-Jährige umgänglich, frei von allen Starallüren. Offen und ehrlich beantwortet er die Fragen, ohne die sonst oft gehörten Floskeln. Am Schluss bedankt er sich sogar für das nette Gespräch. «Das hat Spass gemacht», sagt er lachend und bietet auch gleich an, noch ein Stück mit dem Auto mitzufahren.
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Der Chrampfer
Mit Christian Kjellman weiss Floorball Köniz einen der meistunterschätzten Ausländer der Liga in seinen Reihen. Einer, der mit Taten und Emotionen das Team wecken kann. Wir versuchten, hinter die Fassade zu schauen.
An Selbstvertrauen mangelt es schwedischen Sportlern in der Regel überhaupt nicht. Bekanntestes Beispiel: Zlatan Ibrahimovic. Am baumlangen Kicker aus Malmös Immigrantenviertel Rosengard scheiden sich die Geister seit Jahren - die einen lieben ihn, die anderen hassen ihn. Schwedisches Selbstvertrauen bekommen alle Jahre wieder auch die Unihockeyspielerinnen und -spieler jeweils im Dezember zu spüren. 15 von 20 WM-Titeln gingen bei den Aktiven an das Land mit der blaugelben Fahne. Dies geht nur, wer über ein gesundes Mass an Selbstvertrauen verfügt.
Umgänglich neben dem Spielfeld
Seit vielen Jahren importieren schwedische «Gastarbeiter» die nordische Innebandy-Spiel- und Denkweise in die Schweiz. Darunter war auch schon so mancher «Zlatan», der seinen neuen Teamkollegen rasch auf den Keks ging. Mit grossen Sprüchen und kleinen Laufwegen. Oder sie kommen mit dem Ruf eines Weltstars wie Niklas Jihde oder Kim Nilsson und füllen die Garderobe allein mit ihrer Aura.
Weder Glamour-Boy noch lauffauler Maulheld ist Christian Kjellman. 1.83 Meter gross, hagere Figur, leichte Glatze - einen typischen schwedischen Hockeyspieler stellt man sich in der Regel anders vor. Und von übersteigertem Selbstvertrauen ist er ähnlich weit entfernt, wie Magdalena Martullo-Blocher von akzentfreiem Englisch. Im Gespräch ist der 30-Jährige umgänglich, frei von allen Starallüren. Offen und ehrlich beantwortet er die Fragen, ohne die sonst oft gehörten Floskeln. Am Schluss bedankt er sich sogar für das nette Gespräch. «Das hat Spass gemacht», sagt er lachend und bietet auch gleich an, noch ein Stück mit dem Auto mitzufahren.
Emotional auf dem Spielfeld
Auf dem Feld wird aus dem netten Herrn Kjellman aber ein «Warrior», ein Kämpfer, der alles gibt, um ein Spiel zu entscheiden. Einer, der die Drecksarbeit erledigt, weite Wege geht und seine Mitspieler glänzen lässt. Und nicht selten überborden die Emotionen. Wenn er mit hochrotem Kopf einem Gegenspieler die Meinung geigt, ist es besser, wenn dieser nicht alles versteht. «Er kann Emotionen wecken, nicht nur bei sich, sondern auch bei seinen Mit- und Gegenspielern», zeigt sich Sportchef Heinz Zaugg zufrieden.
«Ja», gibt der Center leicht verschämt zu, «ich bin manchmal etwas laut». Zumindest auf dem Spielfeld. In der Könizer Garderobe spuckt Kjellman keine grossen Töne. «Ab und zu ein lustiger Spruch», teilt Teamkollege Emanuel Antener mit. Ansonsten sei er sehr ruhig. Als enorm unkompliziert und anpassungsfähig hat ihn Antener kennengelernt. «Ohne zu maulen oder zu nörgeln leistet er seinen Beitrag, um mit dem Team etwas zu erreichen», sagt der Schweizer Nationalspieler, der in Schweden und Köniz manch «kompliziertere» Mitspieler erlebte. Zaugg bläst ins gleiche Horn. «Kjellman passt hervorragend ins Team, er kann im Spiel den Unterschied ausmachen», so der Sportchef.
Christian Kjellman kam beim Shooting ins Schwitzen. (Bild: Fabian Trees)
«Sache erledigt»
Damit Floorball Köniz Weihnachten als Leader feiern konnte, dazu hat Christian Kjellman einen grossen Beitrag geleistet. «Ich fühle mich sehr wohl hier», sagt er zufrieden, «die Könizer Mentalität gefällt mir, der Zusammenhalt im Team ist sehr stark». Vergleichsmomente hat er einige. In der vorletzten Saison wechselte er vom schwedischen Topteam Warberg zu den Tigers Langnau, vom verschlafenen Küstenstädtchen ins noch verschlafenere Zäziwil. Nach einer ansprechenden Premierensaison mit 48 Skorerpunkten und dem Qualisieg wollten die Tigers den Vertrag aber nur zu tieferen Konditionen verlängern. Gleichzeitig kam das besser dotierte Angebot aus Köniz. Auf Pokerspielchen wollte sich der Langnauer Sportchef Marc Dysli nicht einlassen. Ganz in Minne verlief der Abschied somit nicht, viel zu sagen haben sich Dysli und Kjellman seither nicht mehr, wenn sie sich bei «Schweden-Treffen» mit gemeinsamen Kollegen in Bern über den Weg laufen. «Aber die Sache ist erledigt, für ihn und für mich», bekräftigt Kjellman.
Vom Skorer zum Defensivcenter
An ihren Wurzeln liegt es, dass es Kjellman und seiner Verlobten Sofia Stalnacke in der Stadt Bern, nahe des Rosengartens mit dem wunderbaren Blick auf die Altstadt, so gut gefällt. In Örebro, der siebtgrössten Stadt Schwedens (rund 107'000 Einwohner), wuchsen beide auf. «Ich bin ein Stadtmensch», sagt Kjellman klar. Der kleine Christian fiel schon bald als Sportskanone auf. Golf, Fussball und Unihockey lagen ihm am besten. Mit 16 Jahren musste er sich entscheiden. «Unihockey war rein finanziell wohl die dümmste Entscheidung», sagt er heute mit einem Lachen.
Beim lokalen Örebro SK (ÖSK) wuchs er schnell zur Stammkraft heran. Nachdem er mit ÖSK von der 4. bis in die 1. Division (heute Allsvenskan) aufgestiegen war, wechselte er 2008 zu Warberg. Aus dem damals «heissesten Spieler auf dem Markt» (Zitat Transfermeldung) und ehemaligen Team-Topskorer wurde in der Folge ein zuverlässiger, aber wenig spektakulärer Defensivcenter. Nach fünf Saisons und zwei Silbermedaillen hatte Kjellman aber genug davon, nur noch in der dritten Linie dafür zu sorgen, dass die Stars etwas verschnaufen können.
Bezugsperson Frejd
Auf die Vermittlung seines Örebro-Buddys Fabian Arvidsson - damals Juniorentrainer bei den Tigers, heute Cheftrainer bei Waldkirch-St.Gallen - fand Kjellman den Weg ins Emmental. «Ich wusste, worauf ich mich einlasse», beschwichtigt er allfällige Bedenken eines Kulturschocks. «Fabian erzählte mir viel, dazu waren wir vor Vertragsunterschrift eine Woche im Emmental, um alles anzuschauen». Ein bisschen Schweiz kannte er schon von seinen Besuchen mit dem Plauschteam «ÖSK con Amici», mit dem er öfters im Tessin spielte. Ebenso bestritt er 2012 mit Warberg in Bern das bisher einzige SSL-Spiel in der Schweiz gegen Storvreta. 1:8 verlor Warberg damals.
In Langnau wurde Jens Frejd rasch zur Bezugsperson. Der im Emmental bestens vernetzte Landsmann half Kjellman in den Anfangstagen, zeitweilig wohnten sie auch zusammen. In dieser Saison spielen sie wieder Seite an Seite. Auch dank Kjellman, der Frejd den Könizer Verantwortlichen empfahl. Gemeinsam wollen sie noch viel erreichen. «Ich bin hier, um zu gewinnen», sagt er bestimmt. Während andere NLA-Teams oft nur eine oder zwei gute Linien hätten, verfüge Köniz über dreieinhalb starke Blöcke, so Kjellman.
Christian Kjellman ist davon überzeugt, dass Köniz mit drei ausgeglichenen Linien Erfolg haben wird. (Bild: Fabian Trees)
Zukunft offen
Mit Trainer René Berliat klappt das Zusammenspiel. «Er zeigt wie ich gerne Emotionen, aber das braucht es. Wenn er 100 Prozent Einsatz gibt, müssen wir Spieler auch 100 Prozent geben», ist Kjellman überzeugt. Berliat erwarte von ihm nicht 40 bis 50 Punkte, «mit Frejd an meiner Seite muss ich viel Abwehrarbeit verrichten», sagt Kjellman lächelnd. Trotzdem sei er in dieser Saison oft unzufrieden gewesen. «Ich hatte Mühe damit, dass ich weniger Tore schoss». Ein Aufsteller war das Gespräch Ende Jahr mit den Verantwortlichen. «Wir sind mit seinen Leistungen sehr zufrieden, wissen aber, dass sogar noch Luft gegen oben ist», bestätigt Sportchef Zaugg.
Im Frühling läuft Kjellmans Vertrag in Köniz aus. Die Gespräche über eine Verlängerung laufen, entschieden ist aber noch nichts. «Sofia und ich würden gerne so lange wie möglich in der Schweiz bleiben», sagt der Stürmer dazu. Was danach folgt, ist offen. Geplant ist die Rückkehr nach Örebro. Mit ÖSK-Lokalrivale Örebro IBF - wo letztes Jahr Nico Gröbli und Nils Conrad spielten - möchte Kjellman zum Abschluss seiner Karriere noch auflaufen. «Nachher werde ich wohl Trainer im Nachwuchsbereich», schaut er voraus. Zuerst will er aber seine Sofia heiraten und einen Job finden, der ihm gefällt. Kleine Wünsche - passend zu einem, der mehr mit Taten als mit grossen Worten und übersteigertem Selbstvertrauen überzeugt.
Den ganzen Text und das Interview lesen Sie in der gedruckten Ausgabe.