117 - Saison 2015/16

Great White Shark

Mikko Hautaniemi verbreitet seit vier Saisons Angst und Schrecken bei den Schweizer Torhütern. Mittlerweile zeigt der 27-jährige HCR-Finne aber auch noch andere Qualitäten. 

Es gibt verschiedene Varianten, einen treffsicheren Ausländer zu finden. Man kann einen Agenten mit der Suche nach einem Skorer beauftragen. Oder sich selber in den schwedischen und finnischen Ligen auf Scouting-Expeditionen begeben und endlos Videos analysieren. Nach monatelangen Diskussionen mit dem Wunschkandidaten um die Themen Cash, Job, Wohnung, Auto und Versicherungen kommt es dann vielleicht zum Vertragsschluss. Oft genug auch nicht.
Oder es passiert so wie bei Mikko Hautaniemi - er läuft dem Verein ungefragt zu. Einfach so. Dem HC Rychenberg widerfuhr dieses Glück vor fünf Jahren. Hautaniemi, damals 21 Jahre jung und bereits mehrfach teaminterner Topskorer bei TPS Turku in der Salibandyliiga, erlebte gerade das „grösste Scheissjahr meines Lebens", wie er es heute formuliert. Nach dem Militärdienst wollte er sich an der Universität von Turku einschreiben, wurde jedoch nicht angenommen und fasste einen „Scheissjob" als Lastwagenfahrer und Lagerist. Er stand frustriert sogar kurz davor, Unihockey an den Nagel zu hängen. Alles war schlecht.
Dann ging er mit Mikael Lax Tennis spielen.

Einfach nur weg
Der ebenfalls aus Turku stammende Lax, mit SSV Helsinki bereits fünfmal Meister geworden, war von Rychenberg nach einer Playout-Seuchensaison gerade als neuer Abwehrchef verpflichtet worden. Hautaniemi liess sich von ihm die Nummer von HCR-Sportchef Patrick Albrecht geben. Kurze Zeit später hatte Rychenberg neben Jukka Kinnunen und Lax einen dritten Finnen unter Vertrag. Wobei Vertrag ein zu grosses Wort ist. „Es gab keine wirklichen Vertragsverhandlungen - wir vereinbarten einfach, dass so bald als möglich ein Job gefunden werden soll", erinnert sich Hautaniemi, der schlicht weg aus Turku wollte.
Albrecht erinnert sich an die ersten Begegnungen mit dem 1.98-Meter grossen Finnen. „Bei seiner Ankunft bin ich erschrocken. Man sah den Ansatz eines Bäuchleins, er wirkte langsam und ungelenk. Aber dann schoss er im ersten Cupspiel fünf oder sechs Tore." Was den Sportchef beruhigte, war für „Hauta" normal. Skoren lag ihm schon immer im Blut. Und in seiner ersten Saison mit dem HCR lieferte er gleich sagenhafte 73 Skorerpunkte ab. Nicht schlecht für einen Ausländer ohne „Ausländervertrag".

_{Mikko Hautaniemi wirft sich in Pose. (Bild: Erwin Keller)}

Finnen unter sich
An diese Saison 2011/12 erinnert sich „The Great White Shark", wie Hautaniemi gerne gerufen wird, sehr gerne. „Hinten räumten Lax und Kinnunen auf, vorne verstand ich mich mit Vojtech Skalik blind - wer der fünfte Spieler im Block war, spielte fast keine Rolle. Das funktionierte ab dem ersten Training bis ganz zum Schluss fantastisch", sagt er. Trainer Daniel Costa liess seinen Paradeblock machen, dessen Taktik bestimmte alleine Kinnunen. Und Hauta konzentrierte sich auf das, was er am besten kann - das Schiessen.
„Ich wäre ja eigentlich der Steuerflügel gewesen. Aber oft liess ich den Gegner absichtlich an mir vorbei ziehen. Ich wusste, Lax oder Kinnunen würden den Ball schon erobern und mich dann lancieren", erzählt er mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
Auch ein Job wurde bald gefunden - zumindest für eine Weile. „Ich musste zu einem Hungerlohn irgendwelche Teile polieren. Nach drei Monaten hatte ich genug und kündigte", sagt Hauta. Als er zwei Wochen später auch Albrecht davon in Kenntnis setzte, wurde dieser blass. „Nein, nein, nein, warum bist du nicht zuerst zu mir gekommen?", lautete dessen Reaktion. Der Finne ist sich bewusst, damals total egoistisch gehandelt zu haben. „Ich konnte diesen Job einfach nicht mehr machen. Und ich sagte mir: Hey, ich bin Topskorer des Teams. Man wird schon etwas Neues finden - und selbst wenn nicht, ich brauche nicht viel zum Leben."
In der Zeit ohne Job schlug er sich die Nächte mit NBA-Spielen vor dem TV um die Ohren, bis seine WG-Kollegen Lax und Kinnunen am frühen Morgen aufstanden, um zur Arbeit zu gehen. „Das waren die einzigen Tage, an denen wir gemeinsam frühstückten", erzählt Hautaniemi lachend.

Erwachsen geworden
Nach einer zweiten Saison in Winterthur - bereits ohne Skalik aber mit ähnlich vielen Skorerpunkten - zog es Hautaniemi in die Heimat zurück. Mittlerweile hatte er einen IT-Studiumsplatz ergattert. Bei den „Nerds" wurde er jedoch nicht glücklich. Da seine Freundin Jutta gerne in die Schweiz wollte und Albrecht den Skorer ebenfalls zurück wünschte, kam es nach nur einem Jahr Pause zur grossen Rückkehr.
Mittlerweile studiert Hauta im Fernstudium Wirtschaft und arbeitet wie Teamkollege Nikas Niiranen beim HCR-Sponsor IML Robotix. „Die Angestellten um uns herum kommen und gehen, wir Finnen bleiben. Offenbar leisten wir gute Arbeit", sagt Hautaniemi, der seit Saisonende sogar Vollzeit tätig ist. „Ich habe ja Zeit - und Geld verdienen kann nicht schaden", sagt er. Anzeichen dafür, dass er erwachsener geworden ist - wobei er gleich eifrig betont, dass er nie ein „Bünzli" war und nie einer sein werde.

_{Mikko Hautaniemi jubelt - ein gewohntes Bild auf Schweizer Unihockeyfeldern. (Bild: Rafi Studer)}

Trainingsfleiss entdeckt
Doch auch bezüglich Trainingseifer ist Mikko Hautaniemi auf einer seriösen Stufe angekommen. „Früher hatte er vor längeren Laufeinheiten immer ein ‚Problem' - jetzt zieht er voll mit", hat Trainer Rolf Kern festgestellt. Hauta erinnert sich, wie er nach einem langen Sommer in Finnland völlig ausser Form in die Schweiz zurückkehrte und den für den folgenden Tag angesetzten Cooper-Test aufgrund einer „Lebensmittelvergiftung" schwänzte. „Eine Notlüge ab und zu ist okay", meint er schmunzelnd.
Aber eben: Diese Zeiten sind vorbei. Er hat physisch stark zugelegt und sogar die Defensivarbeit entdeckt. Wie kam es zu diesem Wandel? Ein normaler Reifeprozess oder Druck des Klubs? Hautaniemi dazu: „Ich gehörte physisch nie zu den Besten, schoss aber immer meine Tore. Auch wenn ich fett aus dem Sommer kam, stimmten meine Skorerwerte in der Saison. Um ganz ehrlich zu sein: Erst, seit ich gut bezahlt werde, denke ich, dass der Verein von mir eine top-seriöse Einstellung erwarten darf."
Sportchef Albrecht attestiert dem Stürmer, dass alle physischen Werte nach oben zeigen. Und der Finne stellte fest, dass ihm das Training gut tut, bei seiner Körpergrösse vor allem dem Rücken. „Es hat nur 26 Jahre gedauert, bis ich das verstanden habe", räumt Hauta ein.

Den ganzen Text und das grosse Interview lesen Sie in der gedruckten Ausgabe.