Warrior mit Herz
Polyvalent ist eines der Fremdwörter, das sich in der «Sportsprache» eingenistet hat. Meist braucht es ein Trainer, Funktionär oder vor allem Pressemensch, um mit Fremdsprachenkenntnissen zu glänzen. Laut Duden wird das Wort eigentlich nur in der Psychologie oder Medizin verwendet und heisst «in mehrfacher Beziehung wirksam, gegen verschiedene Erreger oder Giftstoffe gerichtet». Im Mannschaftssport soll polyvalent «vielfältig einsetzbar» bedeuten. Sprich, ein Spieler, der auf mehreren Positionen eingesetzt werden kann. Meist zur Begeisterung des Trainers, der stets einen Lückenfüller zur Verfügung hat, oft weniger zur Freude des Spielers, der sich immer wieder auf neuen Positionen wiederfindet. Einer der aktuell polyvalentesten Schweizer Unihockeyspieler heisst Joel Friolet. Bei ihm trifft die Floskel «ich habe in dieser Saison auf jeder Position gespielt» für einmal tatsächlich zu. Begonnen hatte er letzte Saison bei Alligator Malans als Verteidiger. Nach dem Ausfall des Finnen Janne Hulmi rückte er auf die angestammte Centerposition vor, ehe er sich nach einer Verletzung in den Playoffs auf die Flügelpositionen verschoben wurde. Und um die Reise zu vollenden, hütete er in einem Plauschtraining nach dem Ausscheiden tatsächlich auch noch das Tor.
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Warrior mit Herz
Joel Friolet geht in seine zehnte NLA-Saison. Aus dem Winterthurer ist nach fünf Jahren bei Alligator Malans ein halber Bündner geworden. Auf und neben dem Spielfeld.
Polyvalent ist eines der Fremdwörter, das sich in der «Sportsprache» eingenistet hat. Meist braucht es ein Trainer, Funktionär oder vor allem Pressemensch, um mit Fremdsprachenkenntnissen zu glänzen. Laut Duden wird das Wort eigentlich nur in der Psychologie oder Medizin verwendet und heisst «in mehrfacher Beziehung wirksam, gegen verschiedene Erreger oder Giftstoffe gerichtet». Im Mannschaftssport soll polyvalent «vielfältig einsetzbar» bedeuten. Sprich, ein Spieler, der auf mehreren Positionen eingesetzt werden kann. Meist zur Begeisterung des Trainers, der stets einen Lückenfüller zur Verfügung hat, oft weniger zur Freude des Spielers, der sich immer wieder auf neuen Positionen wiederfindet.
Einer der aktuell polyvalentesten Schweizer Unihockeyspieler heisst Joel Friolet. Bei ihm trifft die Floskel «ich habe in dieser Saison auf jeder Position gespielt» für einmal tatsächlich zu. Begonnen hatte er letzte Saison als Verteidiger. Nach dem Ausfall des Finnen Janne Hulmi rückte er auf die angestammte Centerposition vor, ehe er sich nach einer Verletzung in den Playoffs auf die Flügelpositionen verschoben wurde. Und um die Reise zu vollenden, hütete er in einem Plauschtraining nach dem Ausscheiden tatsächlich auch noch das Tor.
Entdeckung der WM
Die Vielseitigkeit hatte für den 26-Jährigen Vorteile. Der ehemalige Nationaltrainer Petteri Nykky befand, dass sich der Center Friolet in der Abwehr besser mache. Gleiches erkannte der Finne auch bei Simon Stucki (ehemals Tigers Langnau) oder Christoph Meier (GC). Der Grund ist einfach: Auf internationaler Ebene sind kreative Verteidiger Gold wert. Oder im Falle des Schweizer Teams: Wären Gold wert.
«Auf internationaler Ebene Verteidiger zu spielen, macht wirklich Spass», bestätigt Friolet. Das Spiel organisieren, sich in die Offensive einschalten, ja, das passte dem gelernten Center. Es sei aber ein grosser Unterschied zum Verteidiger in der Liga, gibt Friolet zu bedenken. Da sei es - sorry an alle Abwehrleute - halt doch um einiges langweiliger, um es diplomatisch auszudrücken.
An der WM 2014 durfte sich Friolet somit als Verteidiger erstmals bei Titelkämpfen der Aktiven austoben. Neun Jahre nach der Teilnahme an der U19-Heim-WM in Kirchberg (4. Rang). In Göteborg zeigte sich der von allen nur «Schoggi» gerufene Friolet von seiner Schokoladenseite. Mit grossem Herz warf er sich in die Zweikämpfe und brachte frische Momente ins Schweizer Spiel - kurz, er gehörte zu den positiven Entdeckungen an jenem Turnier, auch wenn am Schluss wieder nur der 4. Rang blieb.
«Ich habe null Druck verspürt», sagt Friolet rückblickend. Der Auftrag Nykkys war klar - als Ergänzungsspieler auf die Chance warten, wenn gefordert Gas geben und das Team unterstützen. Zu Beginn blieb er noch etwas zurückhaltend, je länger aber das Turnier dauerte, desto besser fand er seine Position im Team.
Joel Friolet gehört zu den vielseitigsten Spielern der NLA. (Bild: Erwin Keller)
«Brauche Emotionen im Spiel»
Dass Joel Friolet ein wahrhaftig polyvalent einsatzbarer Spielertyp ist, zeigt, dass er eben nicht nur «in mehrfacher Beziehung wirksam» sein kann, sondern auch das «gegen verschiedene Erreger oder Giftstoffe gerichtet» erfüllt. Ein Spieler der Kategorie «lieber mit als gegen». Denn wer Friolet einmal auf dem Spielfeld gesehen hat, macht sich zuweil Sorgen um seine Gesundheit. Kompromisslos sucht er den Zweikampf, landet dabei auch schon mal schwungvoll auf die Tribüne oder - was öfter vorkommt - lässt einen Gegenspieler über die Bande fliegen.
Wagt sich aber ein Schiedsrichter ein Foul gegen die «Wühlmaus» zu pfeifen, schnellt der Blutdruck Friolets rasch in die Luft. Oft folgt verständnisloses Kopfschütteln, gefolgt von einem längeren oder kürzeren Wortwechsel mit dem oder den Unparteiischen. «Spielmodus» nennt der Leistungssportler diesen fast schon tranceartigen Zustand. «Beast Mode», heisst es in Nordamerika. Als «Warrior» werden in der Eishockey-Profiliga NHL die Spieler bezeichnet, die auf dem «Kriegspfad» sind.
Was die meisten dieser Spielertypen gemeinsam haben: Neben dem Spielfeld können sie kein Wässerchen trüben. Auch Friolet nicht. «Ich brauche die Emotionen für mein Spiel», sagt er fast schon entschuldigend. Dass ihm der Stempel «Hitzkopf» aufgedrückt wurde, ist Friolet bewusst, aber nicht egal. «Es gab immer wieder Diskussionen über mein Spiel», gibt er zu, ergänzt aber auch, dass er in den letzten Jahren ruhiger geworden sei. Oder in seinen Worten: «Früher war es schlimmer».
Dass der «Beast Mode» bei den Gegnern oft nicht gut ankommt, dürfte klar sein. Gleichzeitig machte Joel Friolet die Erfahrung, dass ähnlich veranlagte Gegenspieler neben dem Feld ganz flotte Typen sind. «Vojtech Skalik war so einer», erinnert sich Friolet amüsiert. Schon bei den Junioren lieferten sich die beiden hitzige Duelle, ehe Skalik zu Friolets Stammclub Rychenberg Winterthur wechselte. Fortan merkten beide, dass das Gegenüber eigentlich ein flotter Typ ist.
Neue Herausforderung gesucht
Den Abgang Friolets zu Alligator Malans fand Skalik weniger spassig. Doch der damals 21-Jährige brauchte für die persönliche Weiterentwicklung eine Luftveränderung. Schon vier Saisons hatte er zu diesem Zeitpunkt in Winterthurs Fanionteam verbracht, war aber immer noch der «Junior». Mit einem Wechsel über die Zürcher Kantonsgrenzen hinaus habe er schon länger geliebäugelt, erklärt Friolet heute. «Gerade bei Malans spürt man, dass Unihockey in der Region viel populärer ist als in der Stadt Winterthur.» Auch seien damals die Unterschiede bezüglich Professionalität, Spielerqualität und Teamgeist gross gewesen. «Der HCR hat aber stark aufgeholt», muss Friolet zugeben, «während Alligator auf hohem Niveau stagnierte».
In Winterthur haben sie ihren «Schoggi» aber nicht vergessen. Jedes Jahr wird mehr oder weniger intensiv um den «verlorenen Sohn» geworben. Erst einmal aber setzte sich Friolet mit einer HCR-Offerte ernsthaft auseinander. «Eine Rückkehr ist momentan kein Thema», wiegelt er ab. Vor knapp einem Jahr hat er sein Bachelor-Studium in Betriebsökonomie abgeschlossen, die 80-Prozent-Stelle als Assistent des Finanzchefs einer Chur IT-Firma gefällt ihm ausgezeichnet. Ein Profileben sei nur interessant, wenn auch die Teamkollegen Profis seien, ist Friolet überzeugt. Besser sei seine Variante mit einem variabel einsetzbaren freien Tag.
Ganz klar kein Zürcher - Joel Friolet. (Bild: Erwin Keller)
Halber Bündner
Seit Esa Jussila das Zepter (wieder) bei Alligator Malans schwingt, ist der Optimismus in die Bündner Herrschaft zurückgekehrt. Auch bei Joel Friolet. Angreifen wolle er in der nächsten Saison, sagt er deutlich. Und weniger auf seinen Kopf hören. «Ich studiere an zu vielen Sachen herum», ärgert er sich. Er wolle mehr zum «Prättigauerchopf» werden, sagt Friolet scherzhaft. Aus dem Prättigau, dem kleinen Tal zwischen Landquart und Davos, stammen die «Jungen Wilden» der Alligatoren: Braillard, Buchli, Berry, Vetsch und Konsorten. «Auf dem Spielfeld ‚machen' sie einfach», hat Friolet festgestellt und meint dies nicht despektierlich. «Sie agieren aus dem Bauch heraus», präzisiert er.
Einen Schritt näher zum «sturen Bündner» hat der 26-Jährige in den letzten fünf Saisons bei Malans sprachlich bereits gemacht. «Ich habe ein paar Mal gehört, dass Leute überrascht sagten, 'was du bist gar nicht aus Graubünden'», erzählt er lachend. In der Tat betont Friolet viele Wörter ähnlich wie seine Teamkollegen. Das geübte «Bündnerohr» hört den «Züzi» natürlich raus, doch Sprüche oder Frotzeleien musste er sich bei den Alligatoren erstaunlich wenig anhören - normalerweise müssen sich die «Unterländer» von den «Murmelifiggern» mehr anhören. Einer der Gründe für die Zurückhaltung: «Ich habe zu Beginn gleich richtig gestellt, dass ich kein Zürcher, sondern Winterthurer bin», sagt Friolet. Polyvalenz hilft eben auch in der Kabine.
Den ganzen Text und das Interview, in dem Friolet ein "Best of" der Geschichten mit ex-Nati-Trainer Petteri Nykky präsentiert, lesen Sie in der gedruckten Ausgabe.