Kämpfer mit Herz
Eigentlich hätte die letzte Saison eine Art Lehrjahr werden sollen. Weg aus dem dritten oder gar vierten Block von Wiler-Ersigen, weg von der Familie, hin zum HC Rychenberg, um in der Fremde zu reifen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Im zweiten Jahr in Winterthur wäre dann Vollgas geben angesagt gewesen. Es kam ganz anders. Artikel lesen
Kämpfer mit Herz
Harte Schale, weicher Kern. Grosse Klappe aber viel dahinter. Cédric Rüegsegger im Portrait, mitten in seiner Saison der Bewährung.
TEXT: DAMIAN KELLER
FOTOS: ERWIN KELLER
Eigentlich hätte die letzte Saison eine Art Lehrjahr werden sollen. Weg aus dem dritten oder gar vierten Block von Wiler-Ersigen, weg von der Familie, hin zum HC Rychenberg, um in der Fremde zu reifen, mehr Verantwortung zu übernehmen. Im zweiten Jahr in Winterthur wäre dann Vollgas geben angesagt gewesen. Es kam ganz anders. Cédi Rüegsegger erzielte in der letzten Saison gleich viele Skorerpunkte (29) wie in vier Jahren bei Wiler zuvor insgesamt, erreichte mit dem HCR die Playoff-Halbfinals und schaffte im Frühling den Sprung in die Nationalmannschaft. Die Spielzeit 2007/08 wird folglich statt der Saison des Angriffs zur Saison der Bewährung.
Respekt für Hofbauer
Rüegsegger weiss, dass er jetzt vermehrt unter Beobachtung steht, dass nach dem Abgang des Finnen Rantala bezüglich Torproduktion bei Rychenberg noch mehr von ihm abhängt. Eine erste Erkenntnis: Er bewundert Spieler wie Matthias Hofbauer nun noch mehr als bisher. «Mätthu ist ein Phänomen. Über so viele Jahre immer die Verantwortung zu tragen, immer die geforderte Leistung zu bringen - er geniesst meinen grössten Respekt. Ich kann mich nicht mit ihm vergleichen, aber ich habe mittlerweile eine leise Ahnung, wie es ihm schon seit Jahren gehen muss».
Hofbauer habe ihm auch gezeigt, dass von nichts eben auch nichts kommt. «Er war bei Wiler schon im Sommertraining immer als erster da, hat viele Extra-Schichten eingelegt und riss mit seiner Motivation die anderen mit». Gerade für einen Quereinsteiger wie Rüegsegger, der bis 16 Fussball beim FC Solothurn gespielt hat und mehr aus Zufall von einem Kollegen ins Training von Wiler II mitgenommen wurde, ist Trainingsfleiss und totaler Einsatz wichtig. «Es gibt zweifellos talentiertere und technisch bessere Spieler als mich. Aber ich gebe immer alles, ob im Training oder im Spiel. Ich kann dabei durchaus auch mal etwas zu einem Arsch werden. Und etwas Trash Talk gehört auf dem Feld auch dazu. Aber nach einem Spiel ist das für mich alles wieder vergessen».
Fast zu Järfälla
Dass Rüegsegger überhaupt noch beim HCR spielt verdanken die Winterthurer der Wankelmütigkeit der Verantwortlichen des schwedischen Superligan-Vereins Järfälla. Dessen Trainer wollte ihn unbedingt, Sportchef und Präsident bevorzugten aber letztlich eine inländische und somit einfachere Lösung für den gesuchten Rechtsausleger im Sturm. Im Januar hatte Rüegsegger den Verein ein erstes Mal besucht und mit Hilfe von Matthias Hofbauer und Olle Thorsell schon alle nötigen Dokumente zusammengetragen. Die Verhandlungen waren so weit fortgeschritten, dass Rüegseggers Familie bereits Flüge nach Stockholm gebucht hatte, um ihn in der neuen Heimat zu besuchen. Es wurde dann ein Stadtbummel in Schwedens Hauptstadt ohne Bezug zum Unihockey. «Als die Höfis im August Richtung Umea abflogen, hat es mich schon gewurmt», gibt Cédi offen zu. „Aber jetzt ist das abgehakt. Ich bin bei Rychenberg und will hier Vollgas geben.
Im Stolz verletzt
Noch klappt es mit dem Gas geben nicht so ganz. Nur die Heimspiele gegen Uster und Basel wurden gewonnen, und auswärts gab es für die Eulachstädter noch gar nichts zu lachen. Erst einen Punkt konnte man bei der 6:5 Niederlage nach Verlängerung bei Grünenmatt (Rüegsegger erzielte zwei Tore) ergattern. Um schon ein Fazit des Saisonauftakts zu ziehen sei es aber zu früh. «Die neuen Trainer müssen sich erst noch an die Liga und an uns gewöhnen, und wir uns an sie.» Dennoch: Vor allem das 13:2 bei Floorball Köniz liegt ihm auf dem Magen. «Man darf gegen Köniz verlieren, aber nicht so. Wir haben uns gehen lassen, das darf einfach nicht passieren». So eine Niederlage verletzt Rüegsegger im Stolz. Rychenberg wird kämpfen müssen, um die Finalrunde zu erreichen. Und es wird Tore Rüegseggers brauchen, wenn diese erreicht werden soll. Auch wenn er selber sagt: «Ich kann mit diesem Hype um Skorerpunkte wenig anfangen. Ich habe schon schlecht gespielt und dennoch getroffen, aber auch umgekehrt vieles richtig gemacht, anderen den Raum geöffnet aber selber kein Tor erzielt. Wer trifft, ist völlig egal - das Teamwork steht im Vordergrund». Jemand wird aber die Rychenberg-Tore schiessen müssen. Bei der Heimniederlage gegen GC (3:5) schloss Rüegsegger zum bisherigen internen Topskorer Tom Weber auf. Andere müssen noch kräftig zulegen.
Exkurs: Cédi und die Räder
Per Einrad legte Rüegsegger früher oft den Schulweg von Balm bei Günsberg nach Hubersdorf zurück. «Da fällt man auch ein paar Mal hin - aber dann steht man eben wieder auf und es geht weiter».
Schwieriger ist das Aufstehen, wenn man unter einem Auto liegt. Dies geschah Teenager Rüegsegger, als er per Töffli («an dem habe ich stundenlang basteln können, es war mein ganzer Stolz») mit einem Auto kollidierte. Der Lenker des Wagens sah die Schuldfrage sofort geklärt, meinte er doch zum eingekeilten Cédi nur: «Keine Angst, das wird nicht teuer, die Windschutzscheibe hat nichts abbekommen». Rüegsegger lachend zu diesem Vorfall: «Der Mann sah etwas aus wie NLA-Schiri Thomas Erhard. Vielleicht habe ich daher heute ab und zu mal Meinungsverschiedenheiten mit den Refs...».
Auch das erste eigene vierrädrige Fortbewegungsmittel blieb nicht lange unbeschädigt. Über die Details des Auffahr-Unfalls möchte er aber keine näheren Angaben machen.