Antistar
Ein wenig zierte sich Emanuel Antener, als es darum ging, sich für diese Coverstory zur Verfügung zu stellen. «Zu früh, ich habe bislang noch nichts Zählbares gewonnen bzw. erreicht» meinte der Könizer Stürmer und hatte damit Recht. Ausser drei Meistertiteln bei den Elite Junioren, U19-WM-Bronze und der Auszeichnung zum «Aufsteiger des Jahres» durch die Leserschaft von unihockey.ch gewann der 20-jährige noch nichts. Artikel lesen
Antistar
Vor einem Jahr erschien Emanuel Antener wie ein Komet am Schweizer Unihockeyhimmel. Wer ist der Könizer Junge mit dem Ellbogenstrumpf?
TEXT: RETO VONESCHEN
FOTOS: ERWIN KELLER
Ein wenig zierte sich Emanuel Antener, als es darum ging, sich für diese Coverstory zur Verfügung zu stellen. «Zu früh, ich habe bislang noch nichts Zählbares gewonnen bzw. erreicht» meinte der Könizer Stürmer - und hatte damit Recht. Ausser drei Meistertiteln bei den Elite Junioren, U19-WM-Bronze und der Auszeichnung zum «Aufsteiger des Jahres» durch die Leserschaft von unihockey.ch gewann der 20-jährige noch nichts. Warum bereits jetzt ein Portrait? Ganz einfach: Antener ist gegenwärtig einer der besten Schweizer Spieler in der NLA und fast schon so etwas wie ein dritter Ausländer bei Floorball Köniz. Und das macht ihn auch nach erst sechs Länderspielen zu einem der grossen Hoffnungsträger für die Weltmeisterschaften im Dezember in Tschechien. Hinzu kommt eine schöne Portion Extrovertiertheit, sowie eine spannende Persönlichkeit. Kurz: Der Junge mit dem Ellbogenstrumpf hat Potenzial zum «Big Star», wie man sie seit 2004 sucht.
unihockey.ch Mitarbeiter
Ab diesem Punkt des Portraits kommt nun auch der Angesprochene Star selbst zu Wort. Denn eines vorneweg: Antener arbeitet seit der ersten Ausgabe am Printmagazin von unihockey.ch mit und versorgt die Redaktion immer wieder mit Statistiken sowie Infos aus Finnland und dem Rest der Unihockey- und Sportwelt. Zudem studiert der Gasler (Gasel ist ein Dorf unweit von Köniz) Geschichte und Philosophie und schreibt in Essays Sätze wie «Es wird zwischen der deduktiv-nomologischen, der deduktiv-statistischen und der induktiv-statistischen Erklärung unterschieden». Eine Herausforderung für den Schreibenden - weshalb Emanuel Antener die das Portrait umrahmenden Boxen auch selbst verfasst hat.
Ohne Nerven vor dem Tor
Der Spieler Emanuel Antener ist ein Phänomen. Ein kleines Beispiel: Als die Fans des Erstligisten Sarganserland nach Köniz zum Cup-Viertelfinalspiel reisten, fürchteten die meisten, dass Daniel Calebsson den 1. Liga Leader im Alleingang demontieren könnte. Caleb hatte noch nicht mal die Schnürsenkel richtig gebunden, da waren Antener bereits zwei Tore und ein Assist zur 3:0-Führung gelungen. Sobald der schlaksige Linksaussen danach die Mittellinie überquerte, stieg auch die Fingernageltraktion im Gästeblock. Anteners Paradewaffen: Ein ansatzloser, knallharter gezogener Schuss, eine blendende Übersicht, eine stupende Technik und eine hierzulande selten gesehene Kaltblütigkeit. Seine Schwächen: Als Flügel beinahe «unschweizerisch» langsam, dazu mit Mängeln im Defensivverhalten (Teamkollege Daniel Bill zu unihockey.ch: «Ihn beim Backchecking zu fotografieren ist am einfachsten, da ist er langsam unterwegs») sowie ein gelegentliches Abtauchen in lauen Spielphasen oder bei klaren Spielständen.
«Je enger, desto besser»
Seine Eigenanalyse ist erstaunlich schonungslos. «Meine Fähigkeiten sind verglichen mit denen der Teamkollegen unterdurchschnittlich. Manchmal, beim Einschiessen etwa, frage ich mich, ob ich überhaupt irgendetwas kann und wieso alle anderen soviel besser schiessen als ich.» Seine Stärken kommen zum Tragen, wenn das erste Bully gespielt ist. Während bei den vermeintlichen «Scharfschützen» dann die Hände zittern, bleibt Antener gelassen. «Je enger der Spielstand, umso besser spiele ich», hat er mittlerweile festgestellt. Seine These: «Unihockey ist für mich im Wesentlichen eine Denksportart - alles basiert auf dem Treffen von Entscheidungen.»
Seine Langsamkeit macht er mit einer selten gesehenen Antizipation wett. «Früher war ich immer einer der Jüngsten, Kleinsten und Schwächsten, so musste ich halt andere Waffen entwickeln, damit ich Erfolg haben konnte.» Er schnappt sich mittlerweile die meisten Bälle im Forechecking, da er ahnt wo die Gegenspieler hinspielen wollen. Ein Grosser des Weltunihockeys musste dies auch schon erfahren. In seinem zweiten Länderspiel liess Antener Radim Cepek als Verteidiger wie einen Schuljungen aussehen, als er ihn als letzten Mann gleich zweimal düpierte - auf der Euro Floorball Tour in Zürich spielte Cepek dann wieder auf der Centerposition ...
Gründe für sein Selbstvertrauen
Antener hat genaue Vorstellungen davon, wie er und seine Mannschaft am Erfolgreichsten funktionieren. «Jeder muss eine bestimmte Rolle einnehmen und ausfüllen. Wenn jeder seinen Job 100-%ig erfüllt, kommt auch der Erfolg. Beginnt beispielsweise der Defensivverteidiger plötzlich mit leichtsinnigen Dribblings, fällt der ganze Block auseinander.» Und weiter: «Jeder muss sich bewusst sein, was er beeinflussen kann bzw. was in seiner Hand liegt - und was nicht.» Seine Selbstvertrauenskurve bleibt so während den Spielen sehr ausgeglichen und konstant, auch nach zehn vergebenen Chancen ist er überzeugt, dass er die elfte Möglichkeit nutzen kann. Eine Sichtweise, welche seinen Trainer René Berliat manchmal fast zur Weissglut treibt. «Schon oft wollten wir ihn aus dem Spiel nehmen - aber plötzlich schoss er doch wieder ein Tor...» Mit seinem Schützling ist Berliat sehr zufrieden. «Antener versteht das Spiel für sein Alter bereits sehr gut und er denkt bereits jetzt wie ein Trainer.»
«Gehen raus und spielen»
Der Natiassistent zeigt sich erstaunt über den schnellen Aufstieg. «Dass er so schnell so dominant ist, hätte ich wirklich nicht gedacht», wundert er sich. Nach einigen Teileinsätzen spielte Antener im November 2006 erstmals von Beginn weg an der Seite von Natispieler Daniel Bill und dem ehemaligen Schwedischen Ligatopskorer David Blomberg - und war in der Folge fester Bestandteil in dieser Linie. Mit Blomberg, und seit dieser Saison auch mit Daniel Calebsson, spricht Antener selten über Taktik. «Wir gehen einfach aufs Feld und spielen», sagt Antener. Vor allem im Überzahlspiel sind die drei eine feste Bank, bereits 29 Powerplaytore hat Floorball Köniz in dieser Saison erzielt. An seinem speziellen Outfit hatte anno 06 der damalige Goalie und Bussenchef Niklaus Steck übrigens wenig Freude. «Mit dem Strumpf spielst du nicht, sonst wirst du gebüsst», drohte ihm Steck. Captain Bill scherzte dazu: «Wenn er 50 Tore schiesst, darf er ihn anbehalten» - 37 Skorerpunkte wurden es bis Ende Saison letzter Saison, in dieser Spielzeit ist er bei 41 Punkten angelangt.
Frühstarter
Zahlen begleiten den jungen Mann seit Kindesbeinen an. Schon früh erhielt er den Übernamen «The Brain». Interne Statistiken, genaue Resultate oder Torschützen vergangener Tage - «nicht verzagen, Antener fragen», hiess es für seine Teamkollegen. Ebenfalls früh begann ihn sein Ehrgeiz zu kitzeln - «ich wollte schon von klein auf dasselbe machen und können wie meine zwei Jahre ältere Schwester Sarina.» Sein Wissensdurst war gross: Mit 11 Jahren übersprang er ein Schuljahr, mit zarten 17 schloss er bereits seine Matur ab, mit 18 begann er das Studium und mit 19 hatte er bereits die militärische Ausbildung zum Unteroffizier abgeschlossen. «Wenn ich mir ein Ziel setze, dann ordne ich dessen Erreichung alles unter», lautet seine Maxime. Dafür ist er bereit auf vieles zu verzichten. «Ich habe in meinem Leben weder Alkohol, noch Nikotin, noch andere Suchtmittel konsumiert, im Ausgang bin ich sowieso selten.» Auch kennt er seine Schwächen. «Kochen, Putzen und Waschen gehören definitiv nicht zu meinen Qualitäten.»
Geteilte Meinungen
So viele unschweizerische Eigenschaften lassen ihn in den Augen von Betrachtern ausserhalb von Köniz als suspektes Wesen erscheinen. Wenig zufällig reichten die Aussagen nach seinem zweiten internationalen Turnier bei den Männern - in welchem er bereits in der Powerplayformation sowie entweder in der ersten oder zweiten Linie durchspielte und als Einziger gegen Weltmeister Schweden traf - von «Riesentalent» bis «grottenschlecht und Jihde-Riedel-Syndrom». Am introvertierten Exzentriker werden sich auch künftig die Fan-Geister scheiden. Wer aber die Vereinsbrille ablegt, wird einen aussergewöhnlichen Spieler entdecken, der für die Nationalmannschaft noch Gold wert sein könnte.
Sein Erfolgsrezept für Cupfinals und Playoffs hat er sich bereits zurecht gelegt. «Oft heisst es, in besonderen Spielen könne nur Erfolg haben, wer nochmals zulegt oder über sich hinauswächst. Ich meine, es gewinnt derjenige, welcher solche Spiele als «normal» betrachtet und seine gewohnte Leistung vollständig abrufen kann.» - Ein Vorsatz, der entscheidend werden könnte. Und irgendwie würde es nicht überraschen, wenn allfällige Titel in dieser Saison nicht die letzten sein würden in seiner Karriere. «Ich habe noch viel Steigerungspotenzial», behauptet er - es klingt wie eine Drohung an die Konkurrenz.