Der Chügeler
Manchmal stimmen sie eben doch, die Vorurteile über die Provinz. Dass alles ein wenig einfacher sei. Im Positiven, wie im Negativen. Stichworte Landeier und Hinterwäldler. Das Prättigau, das enge Seitental zwischen dem RhB-Umsteigeort Landquart und dem mondänen Davos, ist mitnichten der Nabel der Welt. Im „Chöttihammertal", wie es die „Fürschlössler" nennen, also die Leute ausserhalb des Tals, ist das Leben tatsächlich weniger hektisch, als in den urbanen Gebieten. Rustikaler, sagt man auch, idyllischer, unkomplizierter, rauher. Und es ist wohl kein Zufall, dass knapp 90 Prozent der Einwohner auch den Schweizerpass haben. Mitten im Prättigau liegt Küblis. „Chüblisch", wie es die 832 Einwohner nennen, ist kein Dorf auf der Sonnenseite des Lebens. „Wofür baust du ein so grosses Sonnenfenster, wenn die Sonne gar nie bis zu euch scheint?", wurde kürzlich ein stolzer Neubaubesitzer gefragt. In Küblis steigt der Tourist nur aus, wenn er mit dem Postauto in die noch kleineren Käffer St. Antönien, Conters oder Fideris fahren will. Oder er steigt in den Zug ein, wenn er die Parsennabfahrt von Davos heil überstanden hat. Einmal im Jahr wird Küblis zum Gümmeler-Mekka, wenn das Swiss-Bike-Masters ansteht. Wir notieren: In „Chüblisch" steppt der Bär nicht. Aber man kann ihn tanzen lassen, wenn man denn will. Womit wir bei der Hauptfigur dieser Geschichte wären: Tim Braillard.
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Tim, der Chügeler
«Der wird mal gut», hiess es vor nicht allzu langer Zeit, wenn die Rede von Tim Braillard war. Heute ist der 20-Jährge der Anführer der jungen Wilden aus dem Prättigau von Playoff-Finalist Alligator Malans. Das Rüstzeug für die höchste Liga holte er sich auf dem Kübliser Dorfplatz.
Manchmal stimmen sie eben doch, die Vorurteile über die Provinz. Dass alles ein wenig einfacher sei. Im Positiven, wie im Negativen. Stichworte Landeier und Hinterwäldler. Das Prättigau, das enge Seitental zwischen dem RhB-Umsteigeort Landquart und dem mondänen Davos, ist mitnichten der Nabel der Welt. Im „Chöttihammertal", wie es die „Fürschlössler" nennen, also die Leute ausserhalb des Tals, ist das Leben tatsächlich weniger hektisch, als in den urbanen Gebieten. Rustikaler, sagt man auch, idyllischer, unkomplizierter, rauher. Und es ist wohl kein Zufall, dass knapp 90 Prozent der Einwohner auch den Schweizerpass haben. Mitten im Prättigau liegt Küblis. „Chüblisch", wie es die 832 Einwohner nennen, ist kein Dorf auf der Sonnenseite des Lebens. „Wofür baust du ein so grosses Sonnenfenster, wenn die Sonne gar nie bis zu euch scheint?", wurde kürzlich ein stolzer Neubaubesitzer gefragt. In Küblis steigt der Tourist nur aus, wenn er mit dem Postauto in die noch kleineren Käffer St. Antönien, Conters oder Fideris fahren will. Oder er steigt in den Zug ein, wenn er die Parsennabfahrt von Davos heil überstanden hat. Einmal im Jahr wird Küblis zum Gümmeler-Mekka, wenn das Swiss-Bike-Masters ansteht.
Von der Schulbank auf den Sportplatz
Wir notieren: In „Chüblisch" steppt der Bär nicht. Aber man kann ihn tanzen lassen, wenn man denn will. Womit wir bei der Hauptfigur dieser Geschichte wären: Tim Braillard. Etwas mehr als 20 Jahre alt, aufgewachsen und sozialisiert worden in Küblis. Wenn ein Beispiel für die klischeehafte „unbeschwerte Jugend auf dem Land" gesucht würde, müsste Tim Braillard die Hand heben. Das tat er in der Schule selten, die Noten stimmten aber trotzdem. „Italienisch spreche ich aber fast kein Wort, obwohl ich es sechs Jahre in der Schule hatte", sagt „Timmy".
Er grinst dazu. Wie so oft. Und erzählt uns die Geschichte seines Lebens. Dass die Tage seiner frühen Jugend recht einfach strukturiert waren. „Schule bis 16 Uhr, Fussball spielen bis 18 Uhr, Abendessen, danach Hockeyspielen bis es dunkel wurde", so Braillard. Hauptaufgabe im Schulunterricht: Genügend Leute für die Fussballpartie zusammen zu trommeln. „Und die Linien fürs Hockeylen zusammen zu stellen", sagt er und grinst wieder. Computerspiele? „Manchmal am Mittwoch-Nachmittag ein wenig. Aber danach gings wieder raus." Als Randnotiz: Wir sprechen hier nicht von den 70er- oder 80er-Jahren, sondern vom Ende der 90er.
Spielplatz Oberhof
Mittendrin war Tim. Mindestens einen Kopf kleiner, aber einen Schritt schneller. Und immer mit einem Grinsen im Gesicht. Seine Mitspieler auf dem Dorfplatz waren Marc und Dino Wieser, die heutigen NLA-Eishockeyprofis in Biel und Davos. Als Eishockeyaner versuchte sich Klein-Tim auch. In der Eishockeyschule des HC Prättigau. „Aber Unihockey konnten wir auf dem Dorfplatz immer spielen. Eishockey nur im Training und den Spielen." Der Weg war vorgezeichnet zu den Wildcats Schiers, dem Unihockeyvorzeigeverein im Prättigau. Die Wildcats waren damals ein Familienbetrieb. Vater Hansjürg Hitz, der umsichtige Präsident und „Geldeintreiber". Die Söhne Thomas (heute Sportchef bei Alligator Malans), Martin (heute Torwart bei Malans und der Nati) und Roman (nach einer schweren Rückenverletzung heute Edelfan bei Malanser Partien) für das Sportliche zuständig.
Gleich neben der Dorfbäckerei der Familie Hitz wohnten die Braillards. „Die Hälfte seiner Jugend war Tim bei uns in der Backstube", erinnert sich Thomas Hitz schmunzelnd. Und wenn es Tim am Sonntag langweilig wurde und für einmal keiner seiner Spielkameraden der Dorfjugend Zeit für ein „Mätschli" hatte, dann klingelte er halt bei den Hitz-Brüdern. Auch wenn dort der eine oder andere am Sonntagmorgen mehr mit einem brummenden Schädel zu kämpfen hatte. „Zeig mir einen neuen Trick", rief es dann von unten am Fenster.
Die Wildcats profitieren in dieser Zeit auch von der Umsiedlung der Malanser Alligatoren von Chur in die neu erstellte Oberhofhalle in Schiers, nur einen Hasensprung von Küblis entfernt. Für Tim Braillard der ideale Spielplatz. „Ich habe kein NLA-Spiel dort verpasst", erinnert er sich. „Meistens waren wir drei Stunden vorher dort, damit wir auf dem grossen Feld noch spielen konnten. Und war das Spiel fertig, gabs nochmal eine Stunde chneblen." Wer schon damals ein Auge auf die Kinderschar warf, dem fiel der kleine „Pfimpf" mit den flinken Händen und Beinen rasch auf. Mindestens einen Kopf kleiner, aber einen Schritt schneller. Und immer ein Grinsen im Gesicht.

Tim Braillard in der Backstube Hitz.
Zwei Meistertitel erlebt
Mit sechs Jahren trat er den Wildcats bei und spielte vier Jahre für die Junioren D, die damals tiefste Nachwuchsstufe. Bei den Junioren C verpasste er fast eine ganze Saison, als das Kreuzband im Knie riss. Praktisch ohne Training nahm ihn Coach Thomas Hitz an die Endrunde mit. „Dort hab ich auch im Power- und Boxplay gespielt. Da wusste ich endgültig, dass ich es schaffen kann", spürte Tim Braillard damals. Zweimal gewann er mit Schiers die Junioren-C-Endrunde, meistens gegen so klangvolle Konkurrenz wie Köniz, Wiler-Ersigen oder Rychenberg.
Ein Erlebnis prägte sich ihm 2006 ein. Thomas Hitz (damals Assistenztrainer) und dessen Alligatoren waren drauf und dran, Wiler den Meistertitel wegzuschnappen. Thomas' heutige Ehefrau, die ehemalige Nationalspielerin Elvira Schmidlin, trommelte ihre Schierser Junioren zusammen und fuhr im Kleinbus zum entscheidenden Spiel in der Zuchwiler Eishalle. Nach dem Meistertitel stürmten die kleinen Wildkatzen das Spielfeld. Auf dem Gruppenfoto der Alligatoren ist der damals 14-jährige Tim Braillard zu sehen. „Ich hatte schon den Meistertitel 2002 in Schiers erlebt. Nach dem Titel in Zuchwil war mir klar: das will ich auch erreichen."
Der Weg führte ihn ein Jahr später zu den Alligatoren, die zusammen mit Schiers und Sarganserland ein Gemeinschaftsprojekt auf Stufe U16 lancierten. „Aber eigentlich war es eine Wildcats-Mannschaft. Acht Spieler der ersten zwei Blöcke waren Schierser", sagt Braillard lachend. Zur „goldenen Schierser Generation" gehören auch Patrick und Nino Vetsch, Christian Gartmann, Kevin Berry und Remo Buchli. „Wir wussten, dass wir viel Talent hatten. Wenn alle ihre Leistung brachten, dann gewannen wir unsere Partien", sagt Braillard, ohne überheblich zu wirken. Das viele spielerische Training auf dem Dorfplatz hatte sich ausgezahlt.
Früh - wie immer in seiner Karriere wechselte er trotz kleiner Statur vorzeitig in eine höhere Stufe - folgt der Sprung in die U18 und die U21. Als er während einer Zeit bei drei Teams gleichzeitig trainierte, machte sein Körper nicht mehr mit. Bei einem Trainingsunfall („Ich blieb an einer Matte hängen, der Fuss knickte 90 Grad um") verletzte er sich schwer am Sprunggelenk. Trotzdem feierte er mit der U18 vor drei Jahren den ersten Malanser Nachwuchstitel. Als Regisseur mittendrin. Mindestens einen Kopf kleiner, aber einen Schritt schneller. Und immer ein Grinsen im Gesicht.
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