Ausgeschlafen
Die Schweiz ist ein Land, in dem harte Arbeit und die Erledigung des Jobs oft nicht reichen. Will man für seine Leistung anerkannt werden, muss sie zusätzlich auch nach harter Arbeit aussehen. In der Arbeitswelt etwa wird jemand kritisch beäugt, der um 16 Uhr Feierabend macht, weil das Tagwerk effizient vollbracht wurde - wer so früh das Büro verlässt, kann ja nicht ausgelastet sein. Dem Überstunden leistenden Büezer, der auch noch regelmässig auf seine Last hinweist, wird hingegen Respekt gezollt.
Dieser Massstab hat auch im Sport Gültigkeit. Und deshalb hat Beni Reusser (26) ein kleines Image-Problem. Kaum einer hat so feine Hände wie er. Nur wenige können mit dem Ball so viel Überraschendes anfangen wie er. Aber bei ihm sieht es spielerisch leicht aus. In seiner Jugend, als er noch intensiv Leichtathletik und Kunstturnen betrieb, wurde er fünfmal „der schnellste Klotener". Seine Kollegen hofften immer, Reusser würde nicht auftauchen, weil sie sonst gleich alle Siegchancen begraben mussten. Aber auf dem Platz sieht man ihm die Anstrengung bei Sprints nicht an. Sein „Schlafzimmerblick" lässt Gleichgültigkeit vermuten, während anderen jede Emotion sofort ins Gesicht geschrieben steht. Auch unihockey.ch beschrieb Reussers Auftritte schon als schläfrig, pomadig und lustlos. Weil es eben manchmal so aussieht. Wer genauer hinschaut und mit seinen Trainern oder Mitspielern spricht, bekommt ein anderes Bild von Benjamin Reusser.
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Ausgeschlafen
Nach zwei Jahren in Finnland kehrte Benjamin Reusser zu den Kloten-Bülach Jets zurück, um seinem Stammverein auf die Sprünge zu helfen. Es gibt noch viel zu tun.
Die Schweiz ist ein Land, in dem harte Arbeit und die Erledigung des Jobs oft nicht reichen. Will man für seine Leistung anerkannt werden, muss sie zusätzlich auch nach harter Arbeit aussehen. In der Arbeitswelt etwa wird jemand kritisch beäugt, der um 16 Uhr Feierabend macht, weil das Tagwerk effizient vollbracht wurde - wer so früh das Büro verlässt, kann ja nicht ausgelastet sein. Dem Überstunden leistenden Büezer, der auch noch regelmässig auf seine Last hinweist, wird hingegen Respekt gezollt.
Dieser Massstab hat auch im Sport Gültigkeit. Und deshalb hat Beni Reusser (26) ein kleines Image-Problem. Kaum einer hat so feine Hände wie er. Nur wenige können mit dem Ball so viel Überraschendes anfangen wie er. Aber bei ihm sieht es spielerisch leicht aus. In seiner Jugend, als er noch intensiv Leichtathletik und Kunstturnen betrieb, wurde er fünfmal „der schnellste Klotener". Seine Kollegen hofften immer, Reusser würde nicht auftauchen, weil sie sonst gleich alle Siegchancen begraben mussten. Aber auf dem Platz sieht man ihm die Anstrengung bei Sprints nicht an. Sein „Schlafzimmerblick" lässt Gleichgültigkeit vermuten, während anderen jede Emotion sofort ins Gesicht geschrieben steht. Auch unihockey.ch beschrieb Reussers Auftritte schon als schläfrig, pomadig und lustlos. Weil es eben manchmal so aussieht. Wer genauer hinschaut und mit seinen Trainern oder Mitspielern spricht, bekommt ein anderes Bild von Benjamin Reusser.
Nachtübungen mit Sigrist
Gut, mit gewissen Aktionen hat der Klotener nicht dafür gesorgt, sein Image zu verbessern. Beim ersten Aufgebot für die U19-Nati zum Beispiel kam er 30 Minuten zu spät (was sich bei weiteren Zusammenzügen wiederholte und ihn letztlich die Teilnahme an der U19-WM 2005 kostete). Eine feine Anspielung an solche Episoden war dann das Video im Rahmen der „Mir si parat"-Serie vor der A-WM 2012 - Reusser präsentierte sich im Bett und mit dem Satz, er käme sicher ausgeschlafen an das Turnier. Randbemerkung: Reusser kann sowohl „Mir si parat" als auch „Mir sind parat" - als Sohn eines Berners und einer gebürtigen Türkin beherrscht er als Zürcher auch den zu Hause gesprochenen Berner Dialekt.
Sein sportliches Vorbild ist der ehemalige US-Sprintstar Maurice Green, „weil bei ihm alles immer so locker aussah, obwohl extrem harte Arbeit hinter seinen Leistungen steckte". Reusser hat also auch gar nicht die Absicht, angestrengt zu wirken. „Was andere über mich denken, ist mir grundsätzlich egal", sagt er dazu und ergänzt: „Sport fiel mir schon immer leicht. Was sich andere in zwei Jahren aneignen mussten, klappte bei mir oft schon noch fünf Minuten."
Dennoch steckt hinter seinem heutigen technischem Können bei allem sportlichem Talent viel Training. Über Jahre blieb er nach den Trainings mit den Kloten-Bülach Jets am Freitagabend mit seinem heutigen WG-Kollegen Andy Sigrist bis weit nach Mitternacht in der Ruebisbachhalle. „Wir übten die verrücktesten Tricks, Schüsse und spielten ohne Ende", erinnert er sich an das exzessive Ausleben des Spieltriebs. Als Motivation gibt er an: „Ich wollte mit dem Ball immer etwas Spezielles anfangen können, um auf dem Platz für jede mögliche Situation eine unvorhersehbare Lösung zu haben. Wie gewisse Verteidiger im Fussball mit ihren Holzfüssen und ohne Spielwitz viel Geld verdienen können, ist mir ein Rätsel."

Beni Reusser beim Covershooting. (Bild: Erwin Gahr)
Nicht nur dabei sein
Die letzten zwei Saisons bestritt Reusser für Nokian KrP in Finnland. Die Zeit im Norden hat er in vollen Zügen genossen. Sportlich erntete er das Lob, „nicht wie ein Schweizer zu spielen", am Ball viel Ruhe auszustrahlen. Umgekehrt wusste Reusser die finnische Mentalität zu schätzen. „Wer dort eine halbe Stunde zu spät zur Arbeit kommt, trinkt trotzdem erst einmal gemütlich einen Kaffee", sagt er lachend.
Als er sich zur Rückkehr in die Schweiz entschloss, lagen ihm verschiedene Angebote von Vereinen vor. Er entschied sich für seinen Stammverein, die Kloten-Bülach Jets. Nicht nur, weil er wieder sein zwei Jahre verwaistes WG-Zimmer (er wohnt mit den Teamkollegen Marco Andres, Remo Auer und dem erwähnten Sigrist in einem Haus) in Kloten ziehen wollte, sondern weil es ihm wichtig war, Verantwortung zu tragen. „Ich will nie einfach irgendwo nur dabei sein. Ich muss spüren, dass es mich braucht", sagt er dazu. Und dass die Jets nach den beiden letzten mageren Jahren frische spielerische Klasse brauchen können, steht ausser Frage.
Es stimmt noch nicht
Zum Aufstieg in die NLA trug Reusser im Frühling 2010 in den Playoffspielen gegen Zug zwei entscheidende Tore bei. In der folgenden Saison schaffte der Aufsteiger unter Trainer Heikki Luukkonen nicht zuletzt dank 31 Skorerpunkten Reussers auf Anhieb die Playoff-Qualifikation - und rang Wiler-Ersigen mit einem Sieg in der Ruebisbachhalle sogar ein zusätzliches Spiel ab.
Nach den Abgängen Luukkonens und Reussers wurde es jedoch zappenduster, in Kloten war Ende Saison seither nur noch Playout-Unihockey zu sehen. Letzte Saison mussten die Flieger sogar ins Stechen mit NLB-Meister Thun, um die Liga zu halten. „Es ist in diesen zwei Jahren viel verloren gegangen. Kloten brauchte immer einen lauten Trainer - Sascha Rhyner war das nicht", urteilt Reusser. Dass durch seine blosse Ankunft nicht alles sofort besser werden würde, war ihm auch klar. Der Saisonstart ist mit erst einem (Auswärts-)Sieg in sieben Spielen nicht nach Wunsch verlaufen. Erst 20 Tore gelangen den Jets, vier davon steuerte Reusser bei. „Ich versuche dem Team zu helfen, wo es nur geht", sagt der Captain des Teams. Nicht als Lautsprecher, das ist nicht seine Art. Aber in einzelnen Gesprächen mit den Mitspielern, die durchaus auch sehr direkt ausfallen können. „Ich will sie zum denken anregen, nicht einfach Floskeln wie ‚du musst schneller spielen' von mir geben", sagt Reusser und klingt dabei schon ziemlich finnisch.
Dass dabei seine eigene Leistung in den Hintergrund rückt, stört ihn persönlich nicht. Dennoch hat es bereits Gespräche mit dem Trainerteam gegeben, dass er sich zumindest auf dem Platz mehr auf die eigene Rolle fokussieren solle. Schliesslich sind Tore auch immer eine gute Variante, um dem Team zu helfen.
Den ganzen Text mit dem persönlichen Interview lesen Sie in der gedruckten Ausgabe.