Auf der Überholspur
Die neue Heimhalle Weissenstein ist noch eine Baustelle. Das Kader von Floorball Köniz steht aber bereits. Fünf Rückkehrer aus Schweden lassen die Berner vom ersten Meistertitel träumen. Luca Graf träumt mit. Er ist keiner, der schon von Kindesbeinen an die Könizer Talentschmiede durchlaufen hat. Graf spielte Tennis, Fussball und grundsätzlich alles, was mit einem Ball zu tun hatte. Erst als 15-Jähriger wurde er von einem Kollegen in ein Training der U21-Junioren des 3.-Ligisten Gürbetal mitgeschleppt. Verzeihung, Gürbetal RK (Graf: „Das RK ist wichtig!"). Und wer jetzt meint, er sei dort von Talentspähern des A-Ligisten aus der Berner Vorstadt aufgespürt worden, liegt falsch. Er meldete sich selber bei der U21 von Floorball Köniz. Als Verteidiger, obwohl er zuvor am Flügel gespielt und erst zwei Trainings und ein Spiel als Verteidiger bestritten hatte. Seither befindet er sich auf der Überholspur, hat mit 23 Jahren schon zwei NLA-Saisons und eine Saison bei den Växjö Vipers in der schwedischen Superligan hinter sich. Bei der WM in Göteborg wird er im Dezember zweifellos ein Fixstarter im Schweizer Kader sein.
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Auf der Überholspur
Die neue Heimhalle Weissenstein ist noch eine Baustelle. Das Kader von Floorball Köniz steht aber bereits. Fünf Rückkehrer aus Schweden lassen die Berner vom ersten Meistertitel träumen. Luca Graf träumt mit.
Luca Graf ist keiner, der schon von Kindesbeinen an die Könizer Talentschmiede durchlaufen hat. Er spielte Tennis, Fussball und grundsätzlich alles, was mit einem Ball zu tun hatte. Erst als 15-Jähriger wurde er von einem Kollegen in ein Training der U21-Junioren des 3.-Ligisten Gürbetal mitgeschleppt. Verzeihung, Gürbetal RK (Graf: „Das RK ist wichtig!"). Und wer jetzt meint, er sei dort von Talentspähern des A-Ligisten aus der Berner Vorstadt aufgespürt worden, liegt falsch. Er meldete sich selber bei der U21 von Floorball Köniz. Als Verteidiger, obwohl er zuvor am Flügel gespielt und erst zwei Trainings und ein Spiel als Verteidiger bestritten hatte.
Seither befindet er sich auf der Überholspur, hat mit 23 Jahren schon zwei NLA-Saisons und eine Saison bei den Växjö Vipers in der schwedischen Superligan hinter sich. Bei der WM in Göteborg wird er im Dezember zweifellos ein Fixstarter im Schweizer Kader sein.
Talent schaffte es nicht
„Eigentlich habe ich alles Manuel Sutter zu verdanken", beginnt Luca Graf zu erzählen. Wir sitzen am Nachmittag bei Sonnenschein in einem Berner Strassencafe, Graf entspannt und sanft gebräunt nach zwei Wochen Ferien in Südafrika und Dubai. „Ich hoffe, das Interview geht bis nach 19 Uhr, dann komme ich um den 20-Minuten-Lauf im Training herum", sagt er lachend. Den Gefallen können wir ihm leider nicht tun, aber das Gespräch dauert trotzdem lange. Der 23-Jährige hat schon viel zu erzählen.
Dieser Manuel Sutter also lotste ihn zu Gürbetal RK, wo Graf mangels U18-Team gleich in der U21 einstieg. Sutter galt als das grösste Talent des Vereins und zog weiter in den Könizer Nachwuchs - schaffte dort den Sprung in die NLA aber nicht und spielt heute für die Bern Capitals in der 1. Liga. „Ich dachte: Wenn er es schon nicht schafft, wie soll ich dann erst?", blickt Luca Graf zurück. Dennoch wurde er von Sutter ermuntert, es auch zu probieren. Also probierte er es. Nach drei Jahren im Gürbetaler Nachwuchs als Flügel spielte er die letzte Partie für seinen alten Verein als Verteidiger - da der Gegner eine Manndeckung praktizierte und Graf mit seiner Schnelligkeit nach hinten beordert wurde. Den Abstieg in die U21 C konnte er nicht verhindern . Den Einfluss aufs Spiel, das er aus dieser Position hatte, gefiel ihm aber sofort. Also meldet er sich bei Floorball Köniz als Verteidiger zum Probetraining.
Von Berliat zusammengestaucht
Im Könizer Nachwuchs hatte Trainer René Berliat zwei Jahre lang Zeit, dem zuvor taktisch kaum geschulten jungen Graf einen Crash-Kurs zu geben. Einmal liess der Verteidiger mit Offensivdrang hinter dem eigenen Tor zwei Gegner aussteigen, dribbelte auf dem Weg über den Platz noch weitere Gegenspieler aus und legte dann für Yves Pillichody auf, der nur noch einzuschieben brauchte. „Ich werde nie vergessen, wie ich vor Stolz fast platzend zur Bank zurück trabte - und dort von Berliat zusammengestaucht wurde, weil ich den Ball nicht sofort weitergespielt habe", erinnert sich Graf schmunzelnd und ergänzt: „Es gibt wohl nicht viele Trainer, die das in so einer Situation tun würden. Ich verstand es auch erst später, bin heute aber sehr dankbar dafür." Kurz: Was in der NLA ohnehin nicht mehr funktioniert, sollen auch die Junioren nicht praktizieren. Dennoch - oder gerade deswegen - waren die jungen Könizer erfolgreich. Gold und Silber holte die Berner U21-Truppe in den zwei Jahren mit Luca Graf, der in der zweiten Saison bereits die Captain-Binde trug. „Diese Zeit hat mich enorm geprägt. Taktisch, bezüglich Teamgeist und Erfolgshunger. Ich hätte schon nach einem Jahr ins NLA-Kader aufsteigen können, aber ich bin extrem froh, dass mir noch ein zweites Jahr für die Entwicklung gegeben wurde", sagt Graf.

Luca Graf auf der Weissenstein-Baustelle (Bild: Fabian Trees)
Der Anruf aus Schweden
In der NLA angekommen, liess man ihn noch Anfängerfehler machen. Und Fehler passierten gelegentlich, „weil ich nie ein Verteidiger sein wollte, der einfach nur sichere Querpässe spielt." Luca Graf ist einer, der kreieren und gestalten möchte. Schon in seiner zweiten Könizer Saison gelang dies so gut, dass er im Februar 2013 für die Test-Länderspiele in Yverdon gegen Tschechien aufgeboten wurde und zwei Monate später auch für die Euro Floorball Tour in Tampere. Dort stach er im Spiel gegen Finnland Niklas Nordén ins Auge. Nordén beobachtete für den schwedischen Verband Finnland, ist aber auch Trainer der Växjö Vipers, die soeben in die schwedische Superligan aufgestiegen waren und bereits Torhüter Pascal Meier unter Vertrag genommen hatten.
Drei Tage nach dem Turnier in Finnland klingelte Grafs Handy. „Ich war zwar ein bisschen vorgewarnt, weil mich Meier zuvor nach meiner Nummer gefragt hatte - dennoch war ich ziemlich baff", erinnert sich Graf. Am anderen Ende war Växjös Sportchef Klas Skoglund. Das erste Gespräch dauerte eine Stunde, in der Woche danach wurde fast täglich lange telefoniert. Dann stand für Luca Graf fest: „Sie wollten mich unbedingt. Und wann wird schon einmal ein Schweizer Spieler auf diesem Weg aktiv angegangen? Ich musste nicht mehr lange überlegen."
Wie im Kommunismus
Also nahm das Abenteuer Schweden seinen Lauf. Växjö zeigte eine starke Premierensaison und erreichte auf Anhieb die Playoffs - um dort in den Viertelfinals am späteren Meister Falun zu scheitern. Graf spielte in der Regel im ersten Block und somit häufig gegen die Paradeformation des Gegners. Mit dem Ziel, die für die Torproduktion verantwortlichen Stars in Schach zu halten. „Eine ganz andere Aufgabe als zuvor bei Köniz, ich konnte viel lernen", fasst Graf die sportliche Herausforderung zusammen. Auch wenn ihm meistens gute Leistungen attestiert wurden, war er mit sich selten zufrieden. „Ich weiss nicht, woran es lag - vielleicht am Klimasystem im Car zu den langen Auswärtsfahrten. Aber ich war ständig angeschlagen. Nie wirklich krank, aber auch nie wirklich fit", bedauert er und meint, höchstens 80 Prozent seines Potenzials gezeigt zu haben. Als Folge der gesundheitlichen Probleme reduzierte er das Krafttraining und fokussierte die vorhandene Energie auf die Teamtrainings und Spiele. Sechs Kilogramm hat er auf diese Weise insgesamt verloren, die er sich jetzt wieder antrainieren will.
Dabei hätte er mangels zur Verfügung gestellter Arbeit genug Zeit für den Kraftraum gehabt. „Ich fühlte mich wie im Kommunismus - ich wurde bezahlt, ob ich Arbeit hatte oder nicht", sagt er lachend.
Die grosse Rückruf-Aktion
In einem zweiten Jahr in Schweden, ist Graf überzeugt, hätte er sein Potenzial besser abrufen können. Aber da war einerseits sein Sportwissenschaft-Studium in Bern, das er in Angriff nehmen wollte. Und dazu natürlich die grosse Könizer Rückruf-Aktion. „Als ich im November von Köniz-Sportchef Heinz Zaugg kontaktiert wurde, hätte ich nie gedacht, dass man alle verlorenen Söhne zurückholen kann", staunt Graf. Aber das Unternehmen gelang. Kaspar Schmocker, Florian Kuchen (beide Pixbo), Sam Schneiter (Täby), Torhüter Samuel Thut (Lindas) und eben auch Luca Graf von Växjö kehren alle gleichzeitig zu ihrem Stammverein zurück. Als Sahnehäubchen obendrauf auch noch der Tigers-Schwede Christian Kjellman. Und dazu der Auszug aus der altehrwürdigen „Klebermatt", die Halle Weissenstein als neues Dach über dem Kopf. Wahnsinn.
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