Ausgabe 193, November 2022 - Saison 2022/2023

Patrick Mendelin hat in seiner Unihockey-Karriere schon fast alles erlebt. Das Jahr 2022 krönt der 35-Jährige nach dem Aufstieg von Basel Regio in die UPL mit seiner ersten Heim-WM.

Schon 14 Jahre liegt das erste Länderspiel von Patrick Mendelin zurück. Im Herbst 2008 war der Basler der Aufsteiger schlechthin im Schweizer Unihockey. Erst im Europacup mit Wiler, dann an der EFT im finnischen Kuopio und schliesslich an der WM in Tschechien. Zum Vergleich: Torhüter Pascal Meier, mit 115 Länderspielen Rekordmann im diesjährigen Kader, feierte sein Debüt erst im April 2011. Anders als Mendelin, der die Titelkämpfe 2010 verletzt verpasste und 2012 vom damaligen Nationaltrainer Petteri Nykky nicht aufgeboten wurde, war Meier aber bei der letzten Heim-WM im Schweizer Team - als einziger Spieler des Teams von 2022. Als zweiter Torhüter hinter Daniel Streit hatte Meier die besten Statistiken des Turniers (94,72% Fangquote, Shutout im Bronzespiel gegen Deutschland).

Doch zurück zu Patrick Mendelin. Nach der Nicht-Berücksichtigung 2012 wechselte er an Weihnachten in seinen Heimatkanton zu Unihockey Leimental, um seinen Stammverein vor dem Abstieg aus der 1. Liga zu retten - was dank seinen Toren gelang. Aus Leimental wurde Basel Regio und Mendelin pendelte munter zwischen den Ligen hin und her - Meistertitel mit Wiler hier, Entwicklungsarbeit in der Heimat da. Nach dem Aufstieg in die NLB 2016 gelang im April 2022 die langersehnte Rückkehr eines Basler Teams in die höchste Spielklasse. Für Mendelin persönlich bekanntes Terrain, hatte er doch als 17-Jähriger für Basel Magic seine ersten NLA-Partien bestritten. Nun erfüllt sich für den spielenden Sportchef Mendelin mit seiner ersten WM im eigenen Land ein weiterer Traum, wie er im Interview ausführt.

Fangen wir mit Basel Regio an - bist du mit dem Saisonstart zufrieden?
Patrick Mendelin: Wenn man mir gesagt hätte, dass wir nach sieben Runden auf dem 8. Platz liegen, hätte ich wohl unterschrieben. Wir hatten in jedem Spiel die Möglichkeit auf Punkte, gegen die Top-Teams Wiler, Köniz und GC waren wir zumindest 40 Minuten lang gut dabei. Es könnte aber noch besser sein, zumal wir Verletzungspech zu beklagen haben.

Du hast ein Crowdfunding auf die Beine gestellt, um dich noch besser auf die WM vorzubereiten und den entstandenen Verdienstausfall zu kompensieren. Von welchem Arbeitspensum reden wir da?
Konkret bin ich bei Basel Regio zu 60 Prozent angestellt, dazu kommt ein wöchentlicher «Papi-Tag». Im Hinblick auf die WM in Helsinki gab ich den Job bei der Bank auf, um mehr ins Unihockey investieren und die Trainings noch besser in meinen Alltag integrieren zu können. Schon im Frühling nach dem Aufstieg merkte ich, dass die Arbeitslast hoch war. Ich hätte «unbezahlten Urlaub» nehmen können. Aber dann kam die Idee mit dem Crowdfunding. Nun sind es zwei Praktikanten, die die Arbeit für UBR ausführen. So habe ich zeitlich und qualitativ bessere Trainingsmöglichkeiten.

Finanziell hast du das Ziel von 10'000 Franken sogar übertroffen. Aber du musst den Spendern ja auch eine Gegenleistung anbieten?
Hier hält sich der Aufwand zum Glück in Grenzen. Die angebotenen Trainingsbesuche zum Beispiel werden erst nach der WM stattfinden. Im Moment informiere ich die Unterstützer einmal pro Woche über den Stand der Vorbereitungen, wie in einem Blog. Viele haben mich auch unterstützt, ohne eine Gegenleistung zu wählen. Das Video zum Crowdfunding und das eigentliche «Streuen» waren aber schon eine Menge Arbeit.

Im Juni sagte David Jansson noch, er habe auf deiner Position fünf Spieler für drei Plätze. Hast du dir ernsthaft vorstellen können, nicht aufgeboten zu werden?
Seine Aussage war klar. Man muss aber auch sehen, dass gerade auf dem linken Flügel einige junge Kandidaten dabei waren, die noch nicht das gleich Standing haben wie einer mit so viel Erfahrung wie ich. Dennoch kannst du dir natürlich nie 100 Prozent sicher sein. Anhand der Gespräche mit dem Staff und den eigenen Leistungen ging ich davon aus, dass es reichen wird.

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Nach 17 Saisons musste Thiemo Scharfenberger sein Pensum beim 1.-Liga-Team Pfannenstiel Egg. stark zurückschrauben. Aus gutem Grund: der 32-Jährige reist seit letztem Frühling als Coach des Tennis-Profis Marc-Andrea Hüsler um die ganze Welt.

Sport war schon immer seine grosse Leidenschaft. Er versuchte sich in seiner Jugend auf dem Fussballplatz, spielte an der Uni Basketball, begann zu Klettern und trat früh einem Tennisclub bei. Irgendwann im Kindesalter kam Unihockey hinzu. Thiemo Scharfenberger wurde von Kollegen überredet, in ein Training des UHC Pfannenstiel Egg zu kommen. Es gefiel ihm auf Anhieb und er ging nie weg. Mit 320 Partien ist er Rekordspieler des Vereins - und mit 317 Skorerpunkten der zweitbeste Punktesammler aller Zeiten. Auch die 34 bestrittenen Cup-Partien bedeuten eine vereinsinterne Bestmarke.

Dass Scharfenberger einmal in der zweithöchsten Liga der Schweiz aktiv sein würde, hätte er bei seinem Einstieg nicht gedacht. Doch er machte den Dorfverein, gemeinsam mit seinen Freunden, zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten Vereine im Regional-Unihockey. Bei seinem Einstieg waren die Zürcher Oberländer noch in der 3. Liga. Fünf Aufstiege feierte er mit dem Team - 2017 erfolgte der Sprung in die NLB, in der sich die Egger zwei Saisons lang hielten. Als «cooles Erlebnis» bezeichnet er diese zwei Spielzeiten. «In der 1. Liga sind wir aber ganz gut aufgehoben», sagt er.

_{Thiemo Scharfberger im 1.-Liga-Final 2022 gegen Limmattal. (Bild: André Düsel)}

Keine Feierabend-Truppe
Pfannenstiel Egg wird oft der Ruf einer «Feierabend-Truppe» nachgesagt. Dieser Unterstellung nimmt Scharfenberger den Wind aus den Segeln: «Wären wir das, hätten wir nie eine solche Entwicklung hingelegt und uns als Dorfverein in der 1. Liga als Spitzenteam etabliert.» Zwar trainiere die Mannschaft nur zweimal pro Woche, dafür aber umso intensiver. Zwar würden die Spieler nicht oder nicht mehr ihr ganzes Leben dem Unihockey unterordnen, dafür nehmen alle die Trainings und Partien umso ernster, lässt Scharfenberger weiter verlauten. In 20 Jahren habe er noch nie eine Trainingseinheit mit nur einem Goalie bestreiten müssen. «Das sagt eigentlich alles darüber aus, dass bei uns professionell gearbeitet wird.»

Die Kollegen, die Scharfenberger damals zu einem Trainingsbesuch überredeten, sind immer noch dabei - oder sie kehrten zu ihrem Herzensverein zurück, nachdem sie sich in einer höheren Liga versucht hatten. Dies ist auch der Grund, warum Scharfenberger in seiner Unihockey-Karriere einzig und allein für Pfanni auf Torejagd ging. «Der Zusammenhalt ist extrem gross und riss über all die Jahre nie ab.» Am Plauschturnier 7ECK in Arosa oder in gemeinsam organisierten Ferien kommen jeweils alle wieder zusammen - auch diejenigen, die den Verein schon lange verlassen haben.

Die Hallen wurden grösser
Thiemo Scharfenberger gehörte in all den Jahren immer zu Pfannenstiels wichtigsten Spielern und führte die Equipe nicht nur mit imposantem Bart, sondern zwischenzeitlich auch mit der Captainbinde aufs Feld. Doch in dieser Saison tauchte er plötzlich nur noch zweimal auf dem Matchblatt auf, weil er seit letztem Frühling einen völlig anderen Tages-Rhythmus lebt und sich statt in halbleeren Turnhallen plötzlich vermehrt in grossen Tennis-Arenen aufhält.

Während seinem Studium - natürlich in Sportwissenschaft - gab Scharfenberger 15 Stunden pro Woche Tennisunterricht.Nach dem Studium setzte er sein Wissen in verschiedenen Partneracademys von Swiss Tennis als Athletiktrainer ein. Durch dieses Engagement lernte er Marc-Andrea Hüsler kennen und im März stellte der inzwischen etablierte Profi den Unihockeyaner als vollamtlichen Headcoach an. So übernahm Scharfenberger für seinen Athleten auch organisatorische Angelegenheiten und gibt ihm auf dem Court Tipps. Während Weltstars mit ihrer Delegation zwei Logen füllen, jubelt Scharfenberger - wie zuletzt beim Turniersieg in Sofia - mit einem kleinen Grüppchen aus der Box Hüsler zu.

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