09.
2015
Nati: Wie Tag und Nacht
Nationaltrainer David Jansson ist der Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Petteri Nykky. In Schönbühl schrammt das Ensemble des 35-jährigen Schweden knapp an einem Debakel vorbei.
Und dann kommen sie doch noch, die lichten Momente. Ein gefühlvoller Heber Emanuel Anteners, ein genialer Pass Patrick Mendelins auf Linard Parli - in den letzten drei Minuten wendet die Schweizer Nationalmannschaft die Partie gegen Deutschland und damit ein historisches Debakel ab. Nie hat eine helvetische Auswahl gegen die in einer ungleich spartanischer ausgestatteten Unihockeywelt spielenden Nachbarn verloren, nie hat eine auch nur annähernd solche Schwierigkeiten bekundet wie jene David Janssons beim 6:5 vom Samstag in Schönbühl.
Seit sechs Monaten ist der Schwede im Amt, seine Mission nicht unmöglich, aber allemal abenteuerlich. Der Weg zurück auf Platz drei führt an den Aufwind verspürenden Tschechen vorbei, jener in den Einzugsbereich von Finnland und Schweden über gewaltige Fortschritte. 15 Monate verbleiben bis zur WM in Lettland - im Amateursport Unihockey eine kleine Spanne. Matthias Hofbauer pausiert aus beruflichen Gründen, sein Bruder Christoph ist verletzt; Philipp Fankhauser, Adrian Zimmermann und Simon Stucki zogen sich aus dem Nationalteam zurück. Die Genannten gehören zu den fünfzehn Besten des Landes. Jansson muss, jedenfalls im Moment, ohne sie auskommen.
Deutsch im Dialekt
Der 35-Jährige sagt, er habe die Herausforderung gesucht, den Vertrag mit Swiss Unihockey vor allem deshalb unterschrieben, weil er etwas Neues aufbauen könne. Etwas in fast jeder Hinsicht Neues, liesse sich präzisieren. Jansson ist der Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Petteri Nykky. Der Finne agiert im Stil eines NHL-Coach, wahrt zwischen sich und der Mannschaft Distanz, spricht, wenn überhaupt, nur mit Führungsspielern, überlässt die Durchführung der Trainings oft seinen Assistenten.
Der Schwede, zuletzt Instruktor an einem Unihockey-Gymnasium in Göteborg, ist ausgesprochen kommunikativ, nicht nur der geringen Altersdifferenz wegen nahe an der Mannschaft. Er hat für jeden ein offenes Ohr, und seine Worte kommen bei jedem an, weil er seit des Gastspiels bei Floorball Köniz (2009-2011) ausgezeichnet Deutsch spricht und sogar Dialekt versteht. Nykky ist ein in sich gekehrter, zuweilen mysteriös wirkender Denker, der Titel der Biografie des zweimaligen Weltmeistertrainers lautet «Der Alchemist». Im Zusammenhang mit dem netten, extrovertierten Schweden wäre eine Bezeichnung mit obskurem Beigeschmack unvorstellbar.
Kreieren und Variieren
Transportiert der Finne Botschaften gerne mit Metaphern, hört sich Janssons Strategie simpel an. «In der Offensive kreieren, nicht abwarten und kontern, sonst werden wir gegen die Besten nie gewinnen. In der Defensive mehrere Systeme beherrschen, damit wir den Gegner überraschen können», hält er fest. Den 750 Zuschauern in der ausverkauften Arena neben dem Shoppyland wurde vor Augen geführt, wie weit Anspruch und Wirklichkeit derzeit voneinander abweichen. Unterliefen den Schweizern in der Rückwärtsbewegung zuweilen haarsträubende individuelle Fehler, lässt sich einzig bei erwähnter Reihe mit den technisch hoch veranlagten Antener und Mendelin vom Kreieren schreiben. Diese wäre nicht formiert worden, hätte sich Manuel Maurer nicht verletzt. Und sie wird gegen die Besten kaum formiert werden, weil die Flügel physische Defizite haben. Was gegen die Deutschen nicht ins Gewicht fiel, gegen die Besten jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit gravierende Folgen hätte.
David Jansson versucht nicht, die Leistung schönzureden. Er fragt rhetorisch, «wann sollen wir testen, wenn nicht jetzt?», und liegt damit nicht falsch. Im Gespräch wird rasch klar: Der Trainer weiss sehr wohl, wie viel noch geschehen muss, damit seine Auswahl in fünfzehn Monaten nur gegen die Besten auf lichte Momente angewiesen sein wird.
Mendelin 92.105.118.3
16. 09. 2015