11.
2014
Das andere Spiel
Bald ist es soweit, und in Göteborg geht die nächste Männer-Weltmeisterschaf über die Bühne. 16 Nationen messen sich in vielen, aufregenden und hoffentlich attraktiven und spannenden Spielen. Noch weiss niemand, was die Spiele für Geschichten schreiben werden. Doch was man bereits heute sagen kann: Es wird wieder ein anderes Spiel gespielt. Länderspiele sind anders!
Ich kann mir auch gut vorstellen, wie manch einer von zu Hause aus selektioniert: Man schaut ein paar Spiele seiner Lieblingsmannschaft, dort sticht einer aus dem Kollektiv raus, und schon gehört ihm ein Nati-Dress übergestreift. Oder man blickt mal im Internet auf die Skorerliste, und jeder Schweizer, der dort in den Top 10 steht, gehört automatisch in die Nati.
Doch in Tat und Wahrheit ist die Geschichte viel komplexer als sich manch einer vorstellt. Es gibt ein paar gewichtige Dinge, die man nicht ausser Acht lassen darf:
- Auch die Nationalmannschaft ist ein Team
Wie jedes Clubteam muss auch eine Nationalmannschaft gemeinsam wachsen, sich finden, Automatismen entstehen lassen, Systeme einstudieren, einen Teambuilding-Prozess durchlaufen, usw. Entsprechend wichtig ist eine gesunde Konstanz in den Aufgeboten, ohne aber dabei neuen Spielern eine Chance zu verwehren. Je näher die WM jedoch rückt, desto weniger Veränderungen sollte das Team erfahren, weshalb kurz vor einer WM meist keine gänzlich neuen Spieler mehr aufgeboten werden.
- Der beste Spieler ist nicht immer der Geeignetste
Manchmal müssen Spieler zu Hause bleiben, die individuell vielleicht tatsächlich stärker wären als andere. Doch je nach Spielsystem, je nach Gegner, je nach Idee des Trainers sind ganz bestimmte Eigenschaften gesucht. Vielleicht braucht man keinen weiteren „Künstler", sondern einen „Chrampfer", vielleicht in der Verteidigung einen Kreativspieler anstatt einen Abräumer. Und so müssen manchmal grossartige Spieler über die Klinge springen.
- Der beste Spieler auf dem Feld ist das Team
Die Hauptaufgabe eines Trainers ist nicht, die 20 aktuell besten Spieler mit an eine WM zu nehmen. Seine Aufgabe ist es, das bestmögliche Team zusammenzustellen. Denn kein einzelner Spieler kann je so stark sein wie eine starke Mannschaft. Das wussten nicht erst Deutschlands Fussballer („Argentinien hat Messi, Portugal hat Ronaldo, wir haben eine Mannschaft"), das wusste damals schon Otto Rehagel, als er 2004 ein paar der besten griechischen Fussballer zu Hause liess, um mit dem Rest Europameister zu werden.
Doch was viele „Experten" halt nicht wissen, oder einfach ausser Acht lassen, und das ist vielleicht der gewichtigste Punkt in der Selektion einer Nationalmannschaft, ist:
- Internationale Spiele sind mit nationalen Spielen nicht zu vergleichen
Es braucht schlicht und einfach andere Fähigkeiten, um in einem WM-Spiel auf höchstem Niveau zu bestehen, als in einem Meisterschaftsspiel gut auszusehen. Es wird derart intensiver auf den Mann gespielt, das Tempo ist so viel höher, es wird so viel mehr Körperspiel laufen gelassen, man hat so viel weniger Zeit mit dem Ball, weniger Raum in der Offensive, dass man wirklich schon fast von einer anderen Sportart sprechen kann. Die Fähigkeit, von nationaler Spielweise auf internationale Spielweise umstellen zu können, haben in der Schweiz nur wenige. Vielleicht deshalb sehen wir an der WM nicht nur im Schweizer Team, sondern auch bei allen anderen Nationen, Jahr für Jahr wieder ähnliche Gesichter.
WM Spiele sind anders. Wer es nicht glaubt, darf gerne mal das Gespräch mit einem WM-erprobten Nationalspieler suchen. Oder aber er darf sich weiterhin in den Zeitungen und Foren dieser Unihockeywelt austoben, denn auch dafür ist manch einer dankbar, der ihre Beiträge sorgen für Diskussionsstoff und Kurzweile.
Manserknowsbetter 46.127.28.48
23. 11. 2014
sliver
21. 11. 2014