Ein offener Brief

Von: Schneeberger
Jonas
(SO)

Offener Brief an Marcel Siegenthaler, Sportchef Wiler-Ersigen.

Lieber Marcel

Zuerst einmal entschuldige ich mich für die ungünstige Formulierung in einem Satz in meiner Superfinal-Vorschau. Keineswegs wollte ich dir unterstellen, du seist wegen Wiler-Ersigens mieser Cupfinalbilanz gegen den Superfinal. Ich gebe zu: Der Schwenk von der Statistik, die von Alligator Malans vor dem Final vielleicht als Mutmacher herbeigezogen wurde, zum Umstand, dass Wiler-Ersigen gegen den Superfinal ist, ist mir missglückt. Ich bitte um Nachsicht. Und bin überrascht, dass ein schlechter, meines Erachtens aber harmloser Satz dich aufwühlt.

Dass inzwischen nicht mehr viele Spieler im Wiler-Kader stehen, die eine negative Cupfinalbilanz haben, nehme ich zur Kenntnis (obwohl das an der Statistik nichts ändert). Ich nehme auch zur Kenntnis, dass du deine Meinung zum Superfinal jetzt auch nicht geändert hast, nachdem Wiler-Ersigen die Premiere gewonnen hat. Das will ich doch hoffen.

Natürlich verstehe ich die Argumente, die hinter deiner Haltung stehen. In einem einzelnen Spiel der Einfluss von Tagesform, Zufall und Glück. Keine Frage, aus sportlicher Sicht bringt der Superfinal für Wiler-Ersigen Nachteile.

Ich hoffe aber, dass du angesichts der Superfinal-Premiere mit dem vollen Hockeystadion und der Live-Übertragung im Schweizer Fernsehen die Vorzüge des neuen Modus' bei deiner Beurteilung nicht komplett ausblendest.

Ganz ehrlich: Ich verstehe deine fast schon radikale Anti-Einstellung in Bezug auf den Superfinal nicht. Entspringt sie vielleicht nicht nur dem sportlichen, sondern, und nicht unwesentlich, auch dem finanziellen Aspekt? Gehen Wiler-Ersigen durch den Superfinal wichtige Einnahmen verloren? Es wäre ein nachvollziehbares Argument, das du aber im Vorfeld meines Wissens nicht ins Feld geführt hast.

Ist es nicht auch für Wiler-Ersigen reizvoll, zumindest einmal im Jahr in der Meisterschaft vor grossem Publikum zu spielen? Kann man sich angesichts der einmaligen Atmosphäre und des Werbeeffekts nicht damit arrangieren, dass der Meister zugunsten der Sportart in einem einzelnen Finalspiel ermittelt wird, wie es im Superbowl, an Weltmeisterschaften und in der Champions League Usus ist? Wurden diese Turniere auch auf dem Marketingaltar geopfert? Falls ja, dann ist es das doch wert.

Den Superfinal als «mehr Zirkus als Sport» zu bezeichnen, finde ich verfehlt. Auch wird meiner Meinung nach trotz Superfinal nie von einem Zufallsmeister die Rede sein können. Der Weg ins Endspiel führt immer noch über die Qualifikation und zwei Best-of-7-Playoff-Runden. In den allermeisten Fällen stehen sich im Final also die beiden besten Mannschaften des Jahres gegenüber.

Auch dass der Final «quasi per Münzwurf» entschieden wird, wage ich zu verneinen. Bestärkt sehe ich mich auch darin, dass sich am letzten Samstag Wiler und Piranha verdient durchgesetzt haben. Weder Wiler noch Piranha haben den Sieg, vom Glück oder Zufall begünstigt, gestohlen. Apropos: In den Cupfinals haben sich im Februar auch die besseren Equipen durchgesetzt.

Ich masse mir nicht an, über auch nur annähernd so viel Unihockey-Sachverstand wie du zu verfügen. Behüte! Was du aus dem SV Wiler-Ersigen gemacht hast, verdient allergrössten Respekt und steht für sich.

Gerne würde ich dich im Vorfeld einer Ligapartie des SVWE gegen einen der beiden Bündner Klubs über die «Erfolgsgeheimnisse» deines Vereins befragen. Bestimmt würde sich auch der eine oder andere Bündner Verein für deine Ausführungen interessieren.

Ich schätze, dass ich es mit jemandem zu tun hätte, der zu seiner Meinung steht und sich nicht verbiegen lässt. Und aus deiner früheren Tätigkeit weisst du, wie dankbar wir «Journis» sind, wenn unsere Gesprächspartner eine klare Meinung haben, wenn sie Position beziehen, sich nicht in Floskeln verflüchtigen und auch mal gegen den Strom schwimmen. So wie du. Das Angebot steht.

Freundliche Grüsse

Jonas Schneeberger