Der Sunnyboy
Auf der Homepage von Wiler-Ersigen mussten die NLA-Spieler angeben, wer der Anständigste unter ihnen sei. Knapp die Hälfte aller Akteure gab dabei Olle Thorsell an. Eben so viele nannten ihn aber auch als unangenehmsten Gegenspieler im Training. Kein Widerspruch: Unangenehm ist der Schwede nur wegen seinen flinken Beinen. Kaum ist er in die gegnerische Zone vorgeprescht, steht er schon wieder in der Abwehr seinen Mann. Artikel lesen
Der Sunnyboy
Seit bald drei Jahren wirbelt Olle Thorsell in der Abwehr von Wiler-Ersigen und ein Ende ist nicht abzusehen. Ein Portrait des Traums aller Schwiegermütter.
TEXT: RETO VONESCHEN
FOTOS: ANITA TROLLER UND DAMIAN KELLER
Auf der Homepage von Wiler-Ersigen mussten die NLA-Spieler angeben, wer der Anständigste unter ihnen sei. Knapp die Hälfte aller Akteure gab dabei Olle Thorsell an. Eben so viele nannten ihn aber auch als unangenehmsten Gegenspieler im Training. Kein Widerspruch: Unangenehm ist der Schwede nur wegen seinen flinken Beinen. Kaum ist er in die gegnerische Zone vorgeprescht, steht er schon wieder in der Abwehr seinen Mann. Als ehemaliger Stürmer kennt er zudem die Tricks und Kniffs seiner Gegenspieler bestens. Respekt verschafft er sich auch ohne hartes Körperspiel. «Ich bin keiner, der die gegnerischen Spieler über die Bande fliegen lässt», sagt er bestimmt. So erstaunt es wenig, dass er in den zweieinhalb Saisons in der Schweiz erst fünf kleine Bankstrafen absitzen musste. Fürs Grobe sind bei Wiler-Ersigen andere zuständig.
Leichtathlet und Fussballer
Mit seinem schnellen Spielstil passt er bestens zum Tabellenführer Wiler-Ersigen, der seine Kontrahenten gerne mit Tempo und Offensivspiel zu überrollen versucht. Seine Schnelligkeit erarbeitete er sich als Jugendlicher in der Leichtathletik. Wären nicht alle seine Kollegen aus der Schulzeit damals Färjestadens Unihockeyverein beigetreten, würde Thorsell wohl heute noch über die Tartanbahn flitzen oder seiner anderen grossen Leidenschaft frönen, dem Fussball. Mit 16 Jahren wechselte er zu Södrakärr in die 1. Division und nach dem Trainingslager in Zug war für ihn klar, «eines Tages möchte ich in der Schweiz spielen.» Nach einer verpatzten Saison mit Karlskrona in der Elitserien («Wir gewannen nur vier von dreissig Spielen») und vier Spielzeiten beim Traditionsverein Jönköpings IK kam das Angebot von Wiler-Ersigen gerade zur rechten Zeit. «Ich brauchte eine Luftveränderung», nennt er einen Grund für den damaligen Wechsel.
Musterverein
Einen Tag nachdem die Berner ihren ersten Meistertitel gewannen, erschien Thorsell zu einer Stippvisite. Trainer Thomas Berger holte den damals 24-jährigen persönlich vom Flughafen Kloten ab - notabene ohne eine Stunde geschlafen zu haben... Auch ohne seine neuen Kollegen jemals spielen gesehen zu haben, entschied er sich innerhalb von fünf Tagen zum Wechsel in die Schweiz. Zuvor hatten ihn seine ehemaligen JIK-Mitspieler Andreas Hedlund und Matthias Hofbauer über Wiler-Ersigen informiert. Den Wechsel hat er nie bereut. «Die Organisation des Vereins ist einzigartig. Man sollte das Ganze einmal auf eine CD aufnehmen und als Muster nach Schweden schicken», lobt er die Verantwortlichen des zweifachen Schweizermeisters.
Perfekte Startsaison
Schnell integrierte er sich in die neue Mannschaft und lernte fleissig Schweizerdeutsch bei WG-Kollege Marcel Kaltenbrunner. Schon bald erlebte er einen ersten Höhepunkt in seinem Sportlerleben. Im Januar 2005 gewann Thorsell mit seinem neuen Club den Europacup in Zürich. Dass er den Final gegen seine Landsmänner von Pixbo Wallenstam gleich 9:1 gewann, macht ihn heute noch stolz, wie das Glänzen seiner Augen verrät. Zuvor erlebte er aber einige anstrengende Tage. Schon zu Beginn des Turniers kämpfte er mit einer Erkältung, vor dem Halbfinalspiel gegen den SSV Helsinki musste er forfait erklären. «Es war sehr bitter am Samstagmorgen zu Berger zu gehen und ihm zu erklären, dass ich nicht spielen kann». Mit einem dicken Schal um den Hals musste er das Spiel hinter der Bande verfolgen. «Ich habe wohl am meisten geschwitzt von allen Spielern und dies nicht wegen der Erkältung», erzählt er noch heute aufgewühlt. In der selben Saison folgten der Cupsieg und der Meistertitel.
Längerer Aufenthalt als erwartet
Geplant hatte er ursprünglich nur eine Saison in der Schweiz zu spielen («Bei JIK hielten sie eine ganze Saison meinen Platz im Car frei»), mittlerweile hat er aber im letzten Dezember bereits den Vertrag für seine vierte Spielzeit unterschrieben. Er fühlt sich beinahe schon als halber Schweizer. «Ich zähle sogar bereits auf deutsch», erklärt er lachend. Die Pünktlichkeit und Disziplin haben es ihm angetan. Eine Rückkehr nach Schweden schliesst Thorsell momentan aus. «In der Schweiz zu leben bedeutet für mich jeden Tag ein kleines Abenteuer» sagt er. Daneben fand er auch sein privates Glück. Seit einem Jahr ist er mit Freundin Siube Marrer zusammen. Für sie steht der Schwede sogar am Sonntagmorgen um neun Uhr in einer Turnhalle, um sie bei einem 1. Liga Spiel zu unterstützen.
Rote Karte wegen Punkari
Als ruhig und ausgeglichen bezeichnet er sich selber. Auf die Frage, wann er das letzte Mal ausgerastet ist, muss Thorsell lange überlegen. Eine Episode fällt ihm aber trotzdem noch ein. «Als wir damals bei Karlskrona eine so schlechte Saison hatte, habe ich im Spiel gegen Sjöstad die Nerven verloren und Vesa Punkari den Stock in den Magen gerammt.
Dafür erhielt ich die einzige rote Karte meiner Karriere.» Als Punkari diese Saison zu Wiler-Ersigen wechselte, vergewisserte sich Thorsell als Erstes, ob ihm der Finne noch böse sei deswegen. Dieser hatte die alte Geschichte aber längst vergessen... Weitere Negativschlagzeilen sind nicht eruierbar. Der Strahlemann würde wohl bei jedem Boygroup-Casting in die Endrunde kommen. Ambitionen in diese Richtung hegt er jedoch keine. «Ich stehe nur auf dem Spielfeld gerne im Rampenlicht» erklärt der Blondschopf bestimmt.
Star auf der Insel
Seine Schüchternheit legt er im Sommer ab. Der Heimaturlaub auf Schwedens Ferieninsel Öland ist ihm heilig. «Normalerweise leben nur 100000 Einwohner auf der Insel, im Juli geniessen aber 500000 Leute ihren Urlaub dort». Mit seinen alten Kumpels geht er dann auf Fischjagd oder geniesst das Leben am Strand. In Öland selber ist er ein kleiner Star. Jede Woche ist die NLA-Tabelle in der lokalen Zeitung abgedruckt, nach dem Europacup-Triumph wurde sogar auf einer ganzen Seite über ihn berichtet. «Alle zwei Wochen ruft jemand von der Redaktion an und fragt, wie es mir geht», freut er sich über die Anteilnahme in seiner Heimat.
Enttäuschung vor der WM
Einen noch grösseren Bericht würde es wohl geben, wenn er dereinst auch den Weltmeistertitel erringen würde. Bei der Weltmeisterschaft 2006 machte er als siebter Verteidiger die gesamte Vorbereitung mit, wurde aber kurz vor WM-Beginn aus dem Kader gestrichen. Noch heute erinnert er sich nicht gerne daran, und das Finalspiel schaute er sich nur im Fernsehen an. «Ich war so enttäuscht, dass ich sofort in die Schweiz zurückgekehrt bin». Trotzdem hofft er, bei der nächsten WM dabei zu sein, auch wenn seine Chancen als «Auslandspieler» nur klein sind. «Vielleicht kommt Nati-Trainer Ulf Hallstensson an den Cupfinal, dann kann ich ihm zeigen, was ich kann.»
Meistertitel als Saisonziel
Einiges zu verdauen hatte Thorsell auch nach dem Playoff-Final des vergangenen Frühlings. In etlichen Zeitungen wurden Wilers Ausländer harsch kritisiert. Zu Recht, wie er findet: «Ausländische Spieler stehen im Fokus und müssen die Mannschaft in entscheidenden Momenten führen. Das haben wir nicht geschafft.» Die Niederlage gegen Malans lag ihm schwer auf dem Magen. Verarbeitet hat er sie auf seine Weise. «Ich war oft im Kraftraum danach...» Besonders die verpasste Möglichkeit, den Europacup in seinem Heimatland zu spielen, ärgert ihn noch heute. Die TV-Bilder aus Warberg waren für ihn und seine Teamkollegen aber bestes Doping. «Nächstes Jahr wollen wir wieder dort mitmischen», umreisst der Schwede Wilers Saisonziel klar und deutlich. Der Kurs stimmt bisher. Olle Thorsell würde nur zu gerne wieder ein Bild von ihm mit dem grossen Pokal in der Hand an das «Ölandbladet» schicken.