Aufgepasst!
Die abgelaufene Saison wird in der ruhmreichen Geschichte der Red Ants keinen besonderen Platz einnehmen. Andrea Hofstetter bezeichnet die Umstände als «sehr schwierig». Gewiss, ein zweiter Platz ist eine Enttäuschung auf hohem Niveau. Aber die Saison war geprägt vom Trainerwechsel (Regula Kindhauser ersetzte Christian Mariniello) und unzufriedenen Spielerinnen, die aufgrund des grossen Kaders nur selten zum Einsatz kamen. Artikel lesen
Aufgepasst!
Sie will kein "hübsches Blondchen sein, das Angst vor dem Schwitzen hat und schlecht Auto fährt". Andrea Hofstetter im Portrait vor der WM in Dänemark.
TEXT: DAMIAN KELLER
FOTOS: ANITA TROLLER UND DAMIAN KELLER
Die abgelaufene Saison wird in der ruhmreichen Geschichte der Red Ants keinen besonderen Platz einnehmen. Andrea Hofstetter bezeichnet die Umstände als «sehr schwierig». Gewiss, ein zweiter Platz ist eine Enttäuschung auf hohem Niveau. Aber die Saison war geprägt vom Trainerwechsel (Regula Kindhauser ersetzte Christian Mariniello) und unzufriedenen Spielerinnen, die aufgrund des grossen Kaders nur selten zum Einsatz kamen.
Kampf gegen Vorurteile
Dabei ist gerade Andrea Hofstetter Harmonie sehr wichtig. Ob das nun in der Familie ist oder im Sport. «Ich muss meine Mitspielerinnen mögen, damit ich mich für sie auf dem Platz zerreissen kann», sagt sie. Und das tut sie. Oft sieht man den wehenden Haarschopf in wilden Zweikämpfen auf dem Feld, die auch mal mit unsanftem Bodenkontakt enden. Für sie selber oder die Gegnerin. Sie kämpft dabei auch gegen das Vorurteil des «hübschen Blondchens und Tussis, das sich nicht schmutzig machen oder schwitzen möchte und sicher auch schlecht Auto fährt». Das Gegenteil ist der Fall. Schon in der Kindheit spielte sie lieber mit den Jungs Strassenhockey, während andere Mädchen mit Puppen spielten. Sie wäre damals lieber ein Junge gewesen, sagt sie so charmant lächelnd, dass man es gar nicht glauben mag. Die Haare trug sie zu der Zeit noch sehr kurz und zudem öfters die alten Kleider des ein Jahr älteren Bruders. Schon in jungen Jahren ist sie Zweikämpfen nicht aus dem Weg gegangen - einmal besuchte gar die Mutter eines Klassenkameraden die Schule um dafür zu sorgen, dass ihr Sohnemann nicht mehr geschlagen werde ...
Im Unihockey hätten eigentlich die Schiedsrichter diese Funktion - aber wenn sie höchstens Freischläge pfeifen und keine Strafen aussprechen, wie das zum Beispiel bei Widler / Wilder im Playoff-Final der Fall war, «muss man sich bei unfairen Attacken der Gegner eben selber helfen», sagt Hofstetter.
Es bleibt also nur noch das Vorurteil von wegen nicht Auto fahren können. Dazu lacht sie nur: «Ich bin jedenfalls noch immer dort angekommen, wo ich wollte.» Zumindest mit dem Auto. Die auf alt getrimmte Vespa, die beim Fotoshooting zum Einsatz kommt, wird aus der Garage geschoben. Es ist bereits mehr Geld in die Reparaturen geflossen als in die Anschaffung.
Von Zug nach Winterthur
Vor drei Jahren wechselte Hofstetter von den Zuger Highlands zu den Red Ants. Dies, obwohl ihr damals von den Kloten-Bülach Jets ein finanziell lukratives Angebot vorgelegen hätte. Das fehlte bei den Red Ants, «da müssen wir Ende Saison jeweils sogar die Gratis-Stöcke zu Handen der Juniorinnen wieder abgeben». Gereizt hat sie die sportliche Herausforderung. «Ich finde nicht, dass man sich in ein gemachtes Nest setzt, nur weil man zum Meister wechselt», sagt Hofstetter mit Blick auf die andere (Trainings-)Welt, die sie in Winterthur angetroffen hat. Vier Kilo nahm sie in der ersten Saison ab...
In Sachen Entschädigung wird auch die Nati ein erstes Mal zum Thema. Für den WM-Titel von Singapur gab es eine Uhr und - nach einigen Diskussionen - noch einen Betrag von Fr. 500.-. Immerhin. Für die WM in Dänemark muss Hofstetter unbezahlten Urlaub nehmen. «Der reduzierte Lohn im nächsten Monat wird nicht reichen, um die fixen Ausgaben zu decken», weiss sie schon jetzt.
Sie bleibt
Nachdem die Red Ants das halbe Kader verlieren, hätte es nicht überrascht, wenn auch Andrea Hofstetter den Verein verlassen hätte. Vor allem in der Heimat erinnert man sich noch gerne an die verlorene Tochter. Aber sie bleibt. «Natürlich werde ich einige Teamkolleginnen vermissen, vor allem Gaby Breitenstein und Andrea Benz, mit denen ich viel unternommen habe. Aber als Breitenstein als Trainerin feststand, habe ich für nächste Saison zugesagt. Ich empfinde sehr viel Respekt für sie und bin überzeugt, dass sie einen guten Job machen wird». Ein Lehrjahr mit den neuen Spielerinnen empfindet sie nicht als Unglück. Zudem wohnt sie in unmittelbarer Nähe der Halle Oberseen, was beim Zeitmangel einer frischgebackenen Primarlehrerin ein Vorteil ist.
Vorfreude auf Dänemark
Nach dem verlorenen Playoff-Final gegen Dietlikon brauchte sie ein paar Tage, um die Saison mental zu verarbeiten. Schon bald aber kam die Vorfreude auf die Weltmeisterschaft in Dänemark auf. Es gilt den WM-Titel von Singapur 2005 zu verteidigen. «Etwas anderes kann ja gar nicht unser Ziel sein», sagt Hofstetter selbstbewusst.
Den deutlichen Niederlagen in den Testländerspielen in Baar gegen Schweden (4:7) und Finnland (3:6), als die Schweizerinnen chancenlos waren, misst sie keine allzu grosse Bedeutung bei, zu viele Spielerinnen seien in Unterform gewesen. «Wir müssen es hinbekommen, dass wie in Singapur alle auf den Tag genau fit sind, dann stehen unsere Chancen gut».
Die Herausforderung wird sein, in den Gruppenspielen so viel Schwung zu holen, um im Halbfinal bereit zu sein. «Unsere Trainer sind ausgefuchst genug, sie werden uns schon richtig vorbereiten», ist sie zuversichtlich.
Von Kamera überrascht
Im Rahmen der mentalen Vorbereitung hielt Chef-Coach Figi Coray den Spielerinnen plötzlich eine Kamera vors Gesicht und wollte von den Spielerinnen wissen, was es ihnen bedeute, in der Nationalmannschaft zu spielen. «Ich war so überrascht, dass ich irgendwas von harter Arbeit gestammelt habe... Dabei hätte Figi wohl lieber etwas bezüglich Stolz gehört, aber das ist mir in dem Moment nicht in den Sinn gekommen», lacht Hofstetter. Dabei ist sie sehr stolz, im Nati-Dress auflaufen zu dürfen. Bei der Nationalhymne komme ihr immer ein Bild mit Bergen und Seen in den Sinn. Nicht Oberseen, sondern «der Zugersee und die Rigi. Oder der Pilatus?» Jedenfalls scheint trotz des Auszugs aus der Innerschweiz der Heimatbezug immer noch stark vorhanden zu sein. Vielleicht schafft es Zug United ja doch eines Tages, das Eigengewächs zurück zu holen.