10.
2002
Herren NLB: Ein Finne gegen 10 Schlafmützen
Bei der undiskutablen Leistung tönten selbst die nicht optimalen Rahmenbedingungen wie Ausreden. Oder lag es an der wegen überhitztem Motor mehrmals unterbrochenen dreistündigen Busfahrrt, dass die Spieler bei Spielbeginn nicht bereit waren? Lag es an der fiebrigen Erkältung, dass der schwedische Topskorer Magnus Hedlund vorne nichts zustande brachte und hinten überhaupt keine Hilfe war. Seine (fehlende) kämpferische Leistung erinnerte leider an letzte Saison. An den drei ersten Gegentreffern, welche alle der erste Reinacher Block kassierte, war er durch inkonsequentes Backchecking mitschuldig. Und lag es an den mindestens zwei Nummern zu kleinen Dresses des Damenteams, welche die Reinacher als Notlösung an diesem Tag tragen musten, dass sie während des ganzen Spiels nie so richtig aus ihrer Haut schlüpfen konnten?
Um das kollektive Versagen zu erklären, vermögen diese Argumente nicht zu befriedigen. Dass Lok Reinach für dieses Spiel nicht bereit war bewiesen mehrere Dinge. Bis zur Spielhälfte, wo die Partie leider bereits für Thun entschieden war, schien die Reaktionszeit der Reinacher bei jedem Zweikampf mindestens doppelt so lang zu sein wie jene des Gegners, der als letztjähriger NLB-Sieger nach den beiden verlorenen Startspielen diesen Sieg viel mehr wollte als die Wynentaler. Die Manndeckung in der Defensive fand nur in der Theorie statt. Auf dem Platz liess man den Gegenspielern alle Zeit der Welt, um sich den durch den Finnen Lehtinen jeweils krönend vollendeten Abschluss in Ruhe vorzubereiten. Bei verlorenen Bällen in der Offensive vergasen die Reinacher Flügelstürmer desöftern ihre Gegenspieler, so dass sich Thuns Verteidiger immer wieder erfolgreich in den eigenen Angriff einschalten konnten.
Etwas, dass man bei Reinachs viel zu spät eingeleiteter Aufholjagd schmerzlich vermisste. Da musste man froh sein, wenn der erste Pass endlich kam. Meistens holten zwei Reinacher Stürmer den Ball tief in der eigenen Platzhälfte ab. Leicht nachvollziehbar, wieso das kompromisslos auf den Mann spielende Thun in der eigenen Zone meistens ein personelles Übergewicht hatte. Überhaupt zeigten die vielen kleinen Unkonzentriertheiten im Spiel der Reinacher, dass die Mannschaft auch in dieser Phase, wo neben einem ausgezeichneten gegnerischen Torhüter auch ein wenig Pech mitspielte, nicht in der Lage sein würde, den hohen Rückstand noch wett zu machen. In 9:20 Minuten Überzahl brachte das im Powerplay bisher so überzeugende Reinach kein Tor zustande. Auch die Ungeschlagenheit bei Unterzahl fand gegen Thun ein Ende. Dass die Reinacher mehrmals reglementswidrig für kurze Zeit mit sechs Spielern auf dem Feld standen, passte in das Bild der nicht bereiten Mannschaft. Der Frust über das eigene Unvermögen ging so weit, dass der bis dahin beste Verteidiger Zürcher seinen Ärger in einer Affekthandlung zuerst am eigenen Tor, danach an der Bande ausliess und dafür - zu hart - mit einer roten Karte bestraft wurde. Der neue Trainer Michael Hilfiker erhielt so zumindest ein Bild davon, wie die Reinacher erstens nach einigen guten Spielen in der Vergangenheit immer wieder durch solche unerklärlich schwachen Auftritte die eigene Erfolgsserie (früh) beendeten und zweitens wie hilf- und kopflos man in Rückstand liegend anrannte. Auch hier fiel man zurück in alte Verhaltensmuster, versuchte den Ball mit dem Kopf durch die Wand ins gegnerische Tor zu tragen, anstatt überlegt und auf das technische Können bauend mit Ballstaffetten oder zumindest dem einen oder anderen Seitenwechsel die kompakte gegnerische Abwehr auseinander zu reissen. Immerhin wirkten die in den ersten beiden Spielen nicht weniger als 19mal bezwungenen Thuner auch gegen Reinach in der Abwehr nicht immer sattelfest. Wenig hilfreich ist auch, dass sich die kollektive Wut über das Versagen an den beiden zugegebenermassen in ihren Entscheidungen nicht immer glücklichen Unparteiischen entlud. Auch dieses Verhaltensmuster, in Momenten der Niederlage die Eigenverantwortung durch Schuldzuweisungen abzuschieben, ist aus den letzten beiden Saisons wohl bekannt. Für das Spiel gegen Thun gilt allerdings festzuhalten: Die schwächsten Akteure auf dem Spielfeld waren gewiss nicht die Schiedsrichter.
UHC Thun - Lok Reinach 5:1 (2:0; 3:0; 0:1)
MUR-Halle Thun - 220 Zuschauer.
SR: Gallo / Schenk
UHC Thun: Portmann; Schönholzer, Nussbaum, Frey, Schmocker; Bürki, Zoss, Kneer; Fantuz, Lehtinen, Hediger; Mader, Wüthrich, Akermann; Affolter; Häusler, Von Guten. Kläy, Bigler
Lok Reinach: Wiederkehr (30. Cazzato); Bürki, Jansson, Rickenbach, Zürcher, Daetwyler, De Icco, Hafner, Hedlund, Huber, Kling, Marbacher, Schnidrig, Gisler, Baumgarnter, Wyder.
Tore: 4. Lethinen (Frey) 1:0. 6. Lehtinen 2:0. 27. Lehtinen (Fantuz) 3:0. 30. Lethinen 4:0. 37. Lehtinen (Bürki, Auschluss Jansson) 5:0. 58. Gisler (Hafner) 5:1.
Strafen: Thun 6mal 2-Minuten, Reinach 2mal 2-Minuten plus 1mal 5-Minuten plus rote Karte gegen Zürcher (unsportliches Verhalten)
Bemerkungen: Thun ohne Stübi (verletzt), Wittwer (krank), 22. Lattenschuss Kneer. 26. Pfostenschuss Wyder