11.
2014
Der Krawatten-Skandal von St.Gallen
Heute vor zehn Jahren ereignete sich eine der skurrilsten Szenen in der Geschichte des Schweizer Unihockeys. Iiro Parviainen und Sascha Brendler gingen sich an die Gurgel. Wir schauen zurück.
Normalerweise ist die «Geschichtsstunde» ja das Schmankerl zum Abschluss einer Ausgabe des unihockey.ch-Printmagazins. Diesmal machen wir eine Ausnahme, respektive bringen eine «Geschichtsstunde Extra». Denn auf den Tag genau vor zehn Jahren eskalierte in der St.Galler Kreuzbleiche-Halle die Fehde zwischen dem damaligen WaSa-Trainer Iiro Parviainen und HCR-Coach Sascha Brendler. Beide wurden zwei Minuten vor Spielschluss nach heftigen Wortwechseln auf die Tribüne verwiesen. Zuvor hatte Parviainen den jeweils im Anzug coachenden Brenlder mit einer Krawatte, die der Finne später auch noch abschnitt, provoziert. In den Katakomben knallte es dann noch heftig - wer, wen (überhaupt) zuerst geschlagen hatte, konnte nie geklärt werden. Beide beschuldigten den anderen - schlichten mussten schliesslich Offizielle und Spieler.
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Um das alles etwas besser verstehen zu können, drehen wir das Rad zehn Jahre zurück. Wiler-Ersigen war im Frühling erstmals Meister geworden und am anderen Ende der Tabelle kämpfte Waldkirch-St.Gallen um seine Existenz. Nach einer turbulenten Premierensaison in der NLA verliessen neun Spieler - darunter auch Othmar Schärli und Armin Brunner - die Ostschweizer. Um einigermassen konkurrenzfähig zu sein, holte WaSa mit Lassi Vänttinen, Markus Neimo und Joni Niiranen drei finnische Spieler und Iiro Parviainen als neuen Coach. Ein ganz neuer Weg damals: Erst ein Jahr zuvor wurde die Ausländerregelung auf richterlichen Beschluss hin (siehe dazu «Geschichtsstunde» in Heft 97) aufgehoben. Das finnische Quartett bescherte Waldkirch aber ein wahres Wintermärchen. Mitte November stand der Prügelknabe der Vorsaison plötzlich auf Rang 6, hatte schon gleich viele Punkte wie in der ganzen Spielzeit zuvor geholt und landete zuweilen spektakuläre Siege wie das 16:8 bei den Kloten-Bülach Jets. Sogar die NZZ interessierte sich damals noch für das aktuelle Unihockey-Geschehen.
Kaum war die Druckerschwärze getrocknet, begann der Absturz Waldkirchs. Zehn Tage später verlor Waldkirch besagtes Skandalspiel gegen Rychenberg mit 2:8, Parviainen flüchtete kurz darauf nach Finnland und Neimo an Weihnachten zu Chur. Vänttinen und Niiranen trotzten der WaSa-Misere bis zum bitteren Ende - 18 Punkte hatte dieses nach der der Quali auf dem Konto, schaffte es aber in der Abstiegsrunde den Neun-Punkte-Vorsprung zu verspielen. Im allerletzten Spiel hätte ein Unentschieden gegen Uster zum Ligaerhalt gereicht. WaSa verlor 2:9 und musste nach 1:2 Siegen in den Playouts gegen Basel sogar in die NLB absteigen.
Zurück zu Parviainen und Brendler. Der Finne war später unter anderem bei Helsinki IFK, Loviisan Tor und in der letzten Saison sogar beim schwedischen Superligan-Team Dalen tätig. Vor allem trainiert er seit vier Jahren die lettische Nationalmannschaft, mit welcher er zweimal zuletzt den fünften Rang an der WM erreichte. Brendler gewann als Assistenztrainer der Schweizer Nati 2006 Bronze, nachdem er zuvor an der WM 2004 mit Tschechien die Silbermedaille holte. Heute ist er Nationaltrainer der Frauen und gewann zuletzt Bronze an der WM vor einem Jahr. Vor allem aber: Parviainen und Brendler sind mittlerweile so etwas wie Arbeitskollegen. Brendler vertreibt in der Schweiz jene Stockmarke, bei welcher Parviainen in Finnland angestellt ist...