12.
2016
Ein Tag mit René Berliat, Teil 2
In einer fünfteiligen Serie beleuchtet die "Berner Zeitung" das Arbeitsumfeld von verschiedenen Trainern. Arno Del Curto (HCD), Martin Rubin (Handball), Vladimir Petkovic (Fussball-Nati), Scott Beattie (ex-SCL Tigers) und Martin Andermatt (ex-YB), äussern sich über die Arbeit mit den Jungen und die Ausbildung, die Arbeitslosigkeit und andere Aspekte ihrer Tätigkeit. In der Ausgabe vom Dienstag waren die Tagesabläufe von YB-Coach Adi Hütter und Floorball Köniz' René Berliat an der Reihe. Heute zeigen wir euch den zweiten Teil der ausführlichen Story zu Berliat.
Der Könizer frönte in seiner Jugend auch dem Fussball und dem Streethockey. Erst 1986 kam er mit Unihockey in Berührung. «Ich sah im Bus jemanden mit einem Trainingsanzug des Vorgängerklubs UHC TLS Köniz, was mein Interesse weckte.» Berliat besuchte ein Training, verliebte sich in die Sportart, einige Monate später spielte er in der ersten Equipe. «Die Kameradschaft war besser als anderswo. Das Spiel war intensiv, und es war ein Pioniergeist zu spüren. Das reizte mich.»
Bald erkannte der Jüngling, der damals eine wilde Mähne trug, wie wichtig die Ausbildung von Jugendlichen ist. 1989 war er bei der Gründung eines B-Junioren-Teams involviert. 1991 übernahm er das Coaching der ersten Elitejunioren. Aus Spass am Spiel wurde Passion. Berliat sog alles auf, was mit Unihockey zu tun hatte, reiste auf eigene Faust ins Ausland, bildete sich weiter, machte den J + S-Leiter-Kurs.
Bei Turnieren in Schweden merkte er, dass das Spiel im Mutterland des Unihockeys «wie von einer anderen Welt war». Er adaptierte Dinge, die er dort sah, gab sie weiter, holte sich einen Vorsprung in Technik und Taktik.
1995 war die Zeit reif: Nach einer verkorksten Saison, die im Abstieg aus der NLA gemündet hatte, stieg er zum Headcoach auf. Er revolutionierte das Training, selbst Kugelstosslegende Werner Günthör konnte er für sporadische Athletiktrainings gewinnen. Jahr für Jahr zog Berliat Junioren in die erste Equipe hoch.
Die Früchte seiner Akribie erntete er 1998/1999, just in jener Saison, als der Verein erstmals unter dem Namen Floorball Köniz firmierte (er entstand aus der Fusion zwischen dem UHC Köniz und dem UHC Lerbermatt). «Es war eine traumhafte Saison, wir verloren kein Spiel», erinnert sich Berliat mit Stolz. Die Könizer stiegen in die NLA auf, und am Ende der Spielzeit gewannen sie sensationell den helvetischen Cup.
Lehrjahre in Schweden
Sein Fachwissen erweiterte Berliat in Schweden, als er für zwei Saisons (2002-2004) als Coach in der zweithöchsten Liga bei Alba IBK gewirkt hatte. «Dort oben wartet niemand auf einen Schweizer. Ich war nahe am Scheitern, als Mensch und als Coach, konnte es aber durchziehen. Das hat mein Selbstvertrauen gestärkt, mich zu einem besseren Trainer gemacht», sagt er rückblickend.
Zurück in der Schweiz war er bald wieder bei Floorball involviert, gewann 2008 zum zweiten Mal den Cup. Im Sommer 2009 übernahm er die U-21 des Agglomerationsklubs, parallel dazu, zwischen 2007 und 2011, betreute er auch das Nationalteam. Seit Januar 2015 ist er wieder Chefcoach bei Floorball - nebst all seinen anderen Funktionen.
Mittlerweile verfügen die Könizer - Berliat sei Dank - über die wohl beste Nachwuchsabteilung der Schweiz. Während viele Kontrahenten auf Ausländer setzen, bestreiten die Vorstädter diese Saison fast durchwegs mit Einheimischen. «Mehr als 90 Prozent der Akteure haben wir selber ausgebildet», sagt Berliat.
Letzte Saison gewann Berliat zum dritten Mal den Cup. Im «Superfinal» um den Meistertitel scheiterte Köniz jedoch nach einem dramatischen Spiel (8:10) vor fast 8000 Zuschauern an GC. Und so fehlt Berliat diese eine wichtige Trophäe, jene des helvetischen Meisters, nach wie vor in seinem Palmarès. Um sie zu gewinnen, tut er alles, dafür verzichtet er auf vieles.
Zwanzig Jahre lebte Berliat ohne Partnerin. «Ich hatte doch gar keine Zeit für eine Freundin», sagt er verschmitzt. Bis ihn Amors Pfeil vor einigen Monaten an einem Musikfestival in Deutschland endlich wieder traf. «Schreiben Sie das ruhig», sagt er, um zu verdeutlichen, wie viel Herzblut er schon ins Unihockey, und fast ausschliesslich ins Unihockey, gesteckt hat.
Als im Gespräch die Leidenschaft von Coachs thematisiert wird, steht Berliat auf, greift ins Bücherregal, holt die Biografie von Pep Guardiola hervor. «Ich lese fast alle Bücher über Trainer, das bringt mich weiter», sagt er nur. Dessen ist sich Berliat wohl gar nicht bewusst: Im Geiste sind er und der Spanier Zwillingsbrüder. Nur optisch und lohnmässig trennen die beiden Welten.
Und erfolgstechnisch die Anzahl Meistertitel. Wohl kaum ein Trainer in der Schweiz hätte einen nationalen Titel so sehr verdient wie dieser Freak, der seinen Sport derart liebt.
Berner Zeitung, Adiran Lüpold