02.
2015
«Hätte gerne mit Berger beendet»
Vor zwei Wochen haben sich die Nationalliga-A-Equipe von Chur Unihockey und Trainer Thomas Berger vorzeitig getrennt. Interimstrainer Claudio Stingelin über die Geschehnisse der letzten Wochen und den Zustand der Mannschaft.
Sportlich im Fahrwasser, abseits des Platzes in Turbulenzen: Chur Unihockey reihte in der NLA zuletzt sechs Siege aneinander, obwohl es hinter den Kulissen brodelte und sich der Abgang von Trainer Thomas Berger anbahnte. Claudio Stingelin (45), der vom Assistenten zum Chefcoach ad interim avancierte, erklärt, warum die Leistungen nicht unter den atmosphärischen Störungen leiden und warum er die Saison gerne mit Thomas Berger beendet hätte.
Claudio Stingelin, Thomas Berger ist seit zwei Wochen nicht mehr Trainer von Chur Unihockey, Sie sprangen als bisheriger Assistent als Interimscoach ein. Sind Sie überrascht über die vorzeitige Trennung von Berger?
Claudio Stingelin: Was heisst überrascht? Sie hat sich abgezeichnet...
Sie hätten die Saison trotzdem gerne mit Berger zu Ende gespielt?
Ja, selbstverständlich. Aus meiner Sicht ist die aktuelle Situation nicht optimal. Thomas Berger hinterlässt riesengrosse Fussstapfen. In diese hineinzutreten, ist nicht so einfach, wie man sich das vielleicht vorstellt. Berger ist ein sensationeller Trainer, er hat hier eine Basis gelegt, von der wir nur profitieren können.
Wie reagierten Sie, als Sie erfuhren, dass Berger per sofort nicht mehr NLA-Trainer ist?
Im ersten Moment fand ich es unverständlich. Ich fragte mich, warum man nicht versucht, sich zusammenzuraufen und die Saison zu Ende zu bringen. Aber meine Meinung war hier nicht gefragt, darum äussere ich mich auch nicht dazu. Es ist nun, wie es ist. Daraus will ich das Beste machen.
Warum klappte das Zusammenspiel zwischen Berger und dem Team zuletzt nicht mehr?
Wie soll ich sagen... Es gab einige Komponenten, die nicht mehr richtig zusammenpassten. So gesehen ist der Entscheid vielleicht nachvollziehbar. Andererseits... Wie gesagt, ich äussere mich besser nicht dazu.
Wie nehmen Sie die Stimmung im Team wahr?
Die Stimmung ist im Grossen und Ganzen sehr gut. Klar führte die Frage, ob man die Saison nicht besser mit Berger zu Ende gebracht hätte, zu Diskussionen. Aber wir konzentrieren uns jetzt voll auf die verbleibenden Spiele bis zu den Play-offs.
Wie nahm die Mannschaft den Trainerwechsel auf?
Unterschiedlich. Die einen sind sehr grosse Anhänger von Berger, vor allem die Jungen, die unter ihm auch in der U19-Nationalmannschaft spielten, denen Berger im Klub früh das Vertrauen in der NLA geschenkt hat und die von Bergers Förderung profitieren konnten. Aber auch sie müssen den Entscheid akzeptieren und nach vorne schauen.
Worauf legen Sie als Trainer wert?
Wie Berger ist auch mir Disziplin sehr wichtig, ob auf oder neben dem Platz. Wichtig ist mir auch das Zwischenmenschliche. Ich will, dass wir auch Spass haben, mal über die Stränge schlagen, einen dummen Spruch und Witze machen können.
Sportlich läuft es dem Team gut, besonders in den letzten Wochen, als bekannt war, dass Berger Ende Saison gehen muss. Warum läufts so gut?
Ich glaube nicht, dass der Umstand, dass Thomas Berger keinen neuen Vertrag kriegt, ein Grund für die guten Resultate ist. Wir hatten lange mit Verletzungen zu kämpfen, konnten zuletzt viel besser und intensiver trainieren. Wir legten den Fokus auf taktische Disziplin. Das alles hat einen grossen Einfluss auf die jüngsten Leistungen.
Betrachtet man die Resultate der letzten Wochen, entsteht der Eindruck, Chur könne in der Meisterschaft jeden Gegner schlagen. Was trauen Sie der Mannschaft zu?
Alles. Wir können gegen alle gewinnen, müssen dafür aber über mindestens 60 Minuten auf der Höhe sein. Sonst endet es wie zuletzt beim 4:5 im Cup-Halbfinal gegen Malans, als wir ein 3:0 aus der Hand gaben.
Was fordern Sie in den Play-offs mindestens?
Das Ziel ist nach wie vor der Einzug in die Halbfinals. Aber als Sportsmann will man natürlich etwas erreichen, will man in den Final - ist doch logisch.
Wie steht es um Ihre persönlichen Ambitionen. Chur Unihockey sucht für die nächste Saison noch einen Trainer. Ist Claudio Stingelin ein Kandidat?
Nein, definitiv nicht. Ich arbeite nebenbei 100 Prozent, und ich behaupte, auf dem Niveau ginge das schlichtweg nicht aneinander vorbei. Ich sehe mich viel eher als den Mann im Hintergrund.
Zeitungsinterview "Die Südostschweiz"