02.
2002
Interview mit Thomas Gilardi, AST-Chef SUHV
Grundsätzlich ist es für die Unihockeyszene Schweiz tragisch, dass der Unihockeysport in den Wirtschaftszentren Basel und Zürich immer noch nicht die nötige Anerkennung findet. Für die Positionierung der Sportart Unihockey wäre es von grösster Bedeutung, dass Unihockey in diesen Städten sportpolitische und gesellschaftspolitische Akzeptanz hätte. Diese Akzeptanz müssen wir erarbeiten - und die Grundlage einer solche Akzeptanz sind Vereine mit sportlichen Erfolgen und einer entsprechenden Medienpräsenz.
Grundsätzlich ist der SUHV daran interessiert die leistungsmässige Machtkonzentration nicht nur auf zwei Kantone zu begrenzen. Ich erinnere aber auch daran, dass bis vor kurzem die Frage um den Unihockey-Schweizermeistertitel immer nur innerhalb des Kantons Graubünden geführt wurde – mittlerweile haben aber einige Vereine in der Region Bern die Zeichen der Zeit erkannt und leisten seit Jahren, erfolgreiche Aufbauarbeiten. Wenn diese Anstrengungen mit der nötigen Konsequenz weitergeführt werden, dürften diese Vereine in der Zukunft auch Erfolge feiern können. Nur wo gesät und die jungen Blüten beharrlich gepflegt werden, wird man eines Tages auch goldige Früchte ernten!
Wie beurteilst Du das diesjährige
Spielniveau in der ganzen Nationalliga? Bist Du mit dem Verlauf der Saison
aus Sicht der AST zufrieden?
Das Spielniveau innerhalb der Nationalliga
ist grundsätzlich sehr unterschiedlich. In der NLA Herren ist die
Torflut ausgebrochen. Diese Tatsache hat sicher mit der effektiven Spielzeit
zu tun, doch muss man ehrlicherweise auch sagen, dass die Leistungsunterschiede
eines Teams innerhalb eines Spieles aber auch innerhalb einer Woche eigentlich
zu gross sind. Hohe Niederlagen und hohe Siege wechseln sich stetig ab
– und daraus schliesse ich auch eine gewisse Unkonstanz und Unsicherheit.
Die Ursachen dafür sind unterschiedlichster Natur, lassen aber auch
gewisse Defizite im taktischen, physiologischen und mentalen Bereich erkennen,
die wir uns auf internationaler Ebene auf keinen Fall leisten dürfen.
Die NLB der Herren ist ausgeglichener
geworden, die Aufsteiger spielen ganz vorne in der Tabelle mit. Diese Tatsache
stimmt mich grundsätzlich positiv, denn dadurch wird aufgezeigt, dass
sich seriöse Aufbauarbeit auszahlt – andererseits lässt aber
auch hier die mittelfristige Konstanz der Teams zu wünschen übrig.
Im Damenbereich zeigt sich, dass die Anzahl
der Teams grundsätzlich breiter geworden ist, die Spielerinnen mit
internationalem Potential aber immer noch recht knapp sind. Die positive
Tatsache der Saison ist, dass in allen Teams der NLA auch sehr junge Spielerinnen
eingesetzt werden. Dadurch können von den jüngsten Spielerinnen
wertvolle Spielerfahrungen auf dem höchsten Leistungsniveau gesammelt
werden – und das wird in der Zukunft Früchte tragen.
Im NLB Bereich der Damen sollten die Vereine
zuerst einmal die quantitativen Personal-Ressourcen optimieren. Anschliessend
können die qualitativen Optimierungen in Angriff genommen werden.
Grundsätzlich kann Leistungsdruck auf SpielerInnen erst ausgeübt
werden, wenn die notwendige Konkurrenz innerhalb des Teams vorhanden ist.
Welches sind für Dich die positiven
und negativen Ueberraschungen in dieser Saison?
Ich beurteile grundsätzlich keine
Spieler und Spielerinnen, denn dafür gibt es Fachleute wie Nationaltrainer
und Vereinstrainer. Ich bilde mir mein Urteil über gewisse Entwicklungen
und Tendenzen und dazu führe ich auch Fachgespräche mit Trainern,
Spielern und Schiedsrichtern.
Dennoch, für mich gibt es schon immer
wieder positive Zeichen in der Schweizer Unihockeyszene:
...so schiesst doch der SV Wiler regelmässig
eine hohe Anzahl Tore und meldet dadurch klar seine Ambitionen auf den
Schweizermeister-Titel an.
...so holt sich der UHC Alligator "einen"
oder "den weltbesten Spieler" überhaupt, spielt jede Woche stärker
und bietet für das Publikum immer ein attraktives Offensiv-Spektakel.
...so spielt der Serienmeister Rot-Weiss
Chur mit einer optimalen Mischung von jung und alt eine höchst erfrischende
und konstante Saison mit einer erstaunlichen Flexibilität und Systemvielfalt.
...so spielt Torpedo Chur eine eine starke
Saison, und dies sogar ohne Ausländer.
...so erspielen sich die Red Ants die
Tabellenführung erst im Dezember und sind perfekt getimet für
die internationalen Begegnungen am Europacup in Stockholm.
Verschiedene Vereine lamentieren
immer wieder über die Brutalität des Gegners, in verschiedenen
Berichten wird die häufig unfaire, von den Schiedsrichtern aber zu
wenig geahndete Härte kritisiert. Teams wie Basel Magic oder die Kloten-Bülach
Jets haben sich einen zweifelhaften Ruf erworben. Lassen wir in der Schweiz
ein zu hartes, für die Zuschauer manchmal wenig attraktives Spiel
zu?
Die Spielhärte im Spitzenunihockey
gilt es sicher im Auge zu behalten. Die IFF und die dafür verantwortlichen
Kommissionen auf internationaler und nationaler Ebene beobachten die Entwicklungen
aufmerksam und versuchen mit entsprechenden Regelanpassungen richtungsweisend
zu sein.
Das alleine genügt aber nicht! Wir
brauchen das sportliche Grundverständnis der TrainerInnen und SpielerInnen,
denn wenn wir unsere Gegner auf dem Spielfeld nicht achten, sondern diesen
nur destruktiv und vielleicht sogar brutal am Lösen von sportkreativen
Aufgaben hindern wollen, dann missachten wir Grundregeln im Sport. Vielleicht
kennen einige SpielerInnen und/oder TrainerInnen diese wichtige Grundhaltung
nicht – oder der Druck des "gewinnen müssen" ist zu gross und erlaubt
alle Mittel, auch die persönlichen Attacke gegen den Spieler aus dem
gegnerischen Sportteam. Wäre dies wirklich der Fall, hätte unsere
Ausbildung kläglich versagt.
Eine konstruktive Grundhaltung erwarte
ich von allen SpielerInnen und TrainerInnen auch gegenüber Schiedsrichtern
und Funktionären. Diese wichtigen Steine im Puzzle Unihockeysport
versuchen ebenfalls, nach bestem Wissen und Gewissen, ihre Aufgaben zu
lösen. Trainer und Spieler, die das Spielfeld als Kriegsschauplatz
bezeichnen oder Coaches, die mit Brutalo-Foul-Videos ihre Mannschaften
motivieren müssen, helfen unserer Sportart Unihockey nicht weiter.
Nur wenn alle Beteiligten der Unihockeyszene
konstruktiv mithelfen, können wir den Unihockeysport in eine attraktive
und weiter blühende Zukunft führen – ansonsten wird sich bald
niemand mehr um das neue Spiel mit dem verrückten Plastikball kümmern.
Rot-Weiss Chur ist am Europa-Cup
in den Spielen gegen die Finnen und Schweden im ersten Drittel jeweils
richtig vorgeführt worden (5:0 nach knapp einer Viertelstunde). Wie
hast Du das Abschneiden des Schweizer Vertreters gefunden, und wo stehen
die Schweizer Vereine im Vergleich mit ihren skandinavischen Konkurrenten?
Rot-Weiss hat ein stark verjüngtes
Team, trotzdem viel internationale Erfahrung und ein starkes Trainergespann
– ich denke, alle waren sich der Situation im international bestbesetzten
Unihockey-Turnier, am Europacup, bewusst. Dennoch ist das Schweizer Team
zweimal innerhalb von 10 Minuten in eine negative Vorentscheidung gelaufen.
Eine gleichwertige Tatsache ist, dass dasselbe Team in der Schweiz innerhalb
von zehn Minuten schon etliche Spiele zu seinen Gunsten entschieden hat.
Die Konstanz über 60 Minuten, das Abrufen der bestmöglichen Leistung
im entscheidenden Moment, das jahrelange Zusammenspiel einer Linie, die
mentale Bereitschaft und das taktische Leistungsvermögen im Tempospiel
machen die Differenz innerhalb der Topteams aus.
Um beim Internationalen Vergleich
zu bleiben – am kommenden Wochenende stehen die Länderspiele gegen
Schweden, Norwegen und Tschechien an. Was erwartest Du Dir von diesen Spielen
resultat- und leistungsmässig?
Der SUHV möchte auf dem Platz Zürich
mit dem Unihockey-Leckerbissen "Vierländerturnier 02" wieder einmal
einen Meilenstein setzen. Ebenfalls möchten wir herausfinden, ob der
Platz Zürich für ein Herren Weltmeisterschaftsturnier 2004 gerüstet
ist.
Für die Herren-Nationalmannschaft
ist dieses Vierländerturnier ein echter Prüfstein im WM-Fahrplan
2002. Die Schweden, das weltbeste und attraktivste Unihockey-Team mit einigen
ehemaligen Schweizer-Söldnern, wird für ein Spektakel sorgen.
Jani Westerlund und seine Spieler wollen zeigen, dass sie für die
WM in Helsinki gut vorbereitet sind und auch gegen die grossen Favoriten
eine ganz grosse Leistung abrufen können.
Die Spiele gegen Tschechien und Norwegen
müssen wir gestalten. Diese beiden Länder haben nach der letzten
WM vermehrte Anstrengungen unternommen, um sich in der Zukunft eine WM-Medaille
erkämpfen zu können.
Ich freue mich auf das Event in Zürich/Uster
und ich bin überzeugt, dass das Schweizer-Publikum unser siebter Mann
im Spiel sein wird - und entsprechend wird sich jeder Spieler voll und
ganz für sein Land und sein eigenes WM-Ticket einsetzen.
Wie lautet Deine Werbebotschaft an
die Leserinnen und Leser von unihockey.ch?
Der Unihockey-Weltmeister spielt nicht
alle Tage in Zürich...
Zürich ist für alle Schweizer
zentral...
Zürich will in bälde eine WM
austragen...
...und der SUHV, die Zürcher Organisatoren
und alle Zuschauer werden ein Mega-Event zelebrieren...haben Sie ihr Ticket
schon?
Wagst Du Resultat-Tipps?
Die Schweiz wird vier Punkte erspielen
– aber noch nicht alle WM-Karten offenlegen!
Im Forum auf unihockey.ch wurde dem
SUHV der Vorwurf gemacht, ein Urteil zu einer allfälligen Neuregelung
des Rückpasses zum Torhüter abgegeben zu haben, ohne die Regel
im Wettkampf getestet zu haben. Was sagst Du dazu?
Der SUHV hat seit zwei Jahren eine Spezialistengruppe
(Regelgruppe), die sich aus NLA-Trainern, Nationalspielern, Internationalen
Schiedsrichtern und Regelspezialisten zusammensetzt. Diese Gruppe hat sich
mit der Rückpass-Regel intensiv auseinandergesetzt und ein entsprechendes,
breit abgestützes Argumentarium abgeliefert.
Die IFF hat nach der eindrücklichen
Präsentation von Renato Orlando (SUHV Präsident und Chef RACC/IFF)
nach dieser Arbeitsgrundlage, auch im Sinne des SUHV, entschieden. Jeder
weitere Kommentar ist überflüssig.
Hier noch einige Stichworte, die
Du bitte mit einem Kurzkommentar versehen möchtest...
Urban Karlsson: Ist der nächste
Unihockey Nationaltrainer der Schweizer. Ich bin stolz darauf, dass der
SUHV diesen hochkarätigen und von allen Seiten umworbene Trainer für
das Schweizer Unihockey verpflichten konnte. Er wird die Arbeiten von Jani
Westerlund weiterführen und mit den Vereinen und Spielern der NL intensiv
zusammenarbeiten. Seine Handschrift wird anders sein, als diejenige von
Jani, sie wird aber ergänzend sein und viele neue und interessante
Ansätze bringen. Wir werden mit Urban Karlsson im Jahre 2004 in der
Schweiz eine Medaille gewinnen.
Achter-Playoffs statt Masterround: Achter-Playoff wären ein Rückschritt, denn da können ja alle (8 von 10) dabei sein. Wir brauchen aber eine lange und umstrittene Meisterschaft in der jeder Punkt von September bis April zählt. Nur dadurch lernen wir konstante Leistungen zu bringen, breite Kader auszubilden und diese zu führen. Mit nur wenig wichtigen Playoff-Spielen und einem langen Vorgeplänkel um nicht so wichtige Ausgangspositionen, werden wir Zuschauer verlieren und die zum Teil bequem veranlagten SpielerInnen hätten wenig Grund im Sommer bis Herbst seriöse Aufbauarbeiten zu leisten. International brauchen wir in erster Linie hohe Konstanz - falls wir Erfolge feiern möchten.
Zwei erlaubte Ausländer pro Team: Dann wird die Schweizer Unihockeymeisterschaft nicht mehr von den Schweizer Spielern entschieden. Die Vereine würden gefährliche finanzielle Wege beschreiten und sich in eine Abhängigkeit manövrieren. Bevor wir nach dem zweiten ausländischen Spieler rufen, könnten wir erst einmal ein Qualitätsprofil erstellen, welche Ausländer in unserer NL überhaupt spielen dürfen, und was die Vereine aus einer solchen Verstärkung alles für die Nachhaltigkeit in den Vereinen heraus holen sollten...sie müssten dann auch mindestens eine ganze Saison bleiben...?
Eine grosse Fusion im Bünderland...: Wenn ich die Tabellensituation von heute ansehe, gibt es keinen sportlichen Grund für eine Fusion... Wenn ich andere sport- und wirtschaftslogische Aspekte berücksichtigen würde, müsste man eine solche ins Auge fassen... Wenn dieser Fusionsantrag heute beim SUHV eingehen würde, würde ich für eine Abstockung in der NLA plädieren, damit wir im Hinblick auf die WM-2004 in der Schweiz keine Qualitätseinbusse in Kauf nehmen müssten.
Am 25. Mai 2002 werde ich...: Nach einer intensiven WM-Woche werde ich unseren Schweizer Spielern zu einer WM-Medaille gratulieren und ich werde mich bei Jani Westerlund für seine erfolgreiche, jahrelange Tätigkeit im Schweizer Unihockey bedanken. Anschliessend werde ich gut schlafen, wie immer...
Vorsätze für die Zukunft...: Ich versuche meine ehrenamtlichen Aufgaben für den SUHV pflichtbewusst und kompetent zu lösen und wenn ich eines Tages diesen freiwilligen enormen Arbeits- und Zeitaufwand nicht mehr zu leisten gewillt bin, werde ich meine Nachfolge minuziös vorbereiten und auf eine interessante und lehrreiche Zeit im SUHV zurückschauen...dann werde ich mit meiner Familie vermehrt Sport treiben und mein Know-how für eine andere NPO einsetzen.
Gila, herzlichen Dank für die Auskunft.