12.
2002
René Berliat in Schweden - Der Albtraum geht weiter
Leider kann ich auch diesmal von keiner resultatmässigen Besserung sprechen, die Lage hat sich sogar noch zugespitzt. Wir sind nach 7 Runden mit gerade mal 3 Punkten an zweitletzter Stelle, doch alles der Reihe nach. Im Derby gegen das nur 20 Kilometer entfernte Gävle kriegten wir mit nur vier erhaltenen Gegentoren die Defensive das erste Mal richtig in den Griff. Leider erzielten wir auch nur deren drei. Immerhin war dieses Spiel in einer proppenvollen Halle (600 Leute) ein gelungener Event. Aber Derbys zu verlieren tut auch hier in Schweden noch ein bisschen mehr weh... Auch im Heimspiel gegen Borlänge (Saisonziel Aufstieg) waren es nur vier Gegentore und wir das klar bessere und aktivere Team, leider versagten wir im Abschluss total (3 Tore). Nach dieser Niederlage war ich wirklich extrem niedergeschlagen, zumal wir uns wirklich keine grossen Vorwürfe machen konnten. In der ersten Enttäuschung nach dem Spiel sprach ich den vor dem Team auch davon, dass wenn es in den nächsten zwei, drei Spielen nicht klappt, ich als Trainer die Konsequenzen zu ziehen habe und zurück in die Schweiz gehe. An diesem Abend und in den nächsten Tagen erlebte ich dann aber wirklich viele für mich unheimlich aufbauende Sachen. Die Spieler taten durch viele Gesten kund (Mail, Gespräche) das sie sehr gerne mit mir zusammenarbeiten und das ist in der Situation, in der wir stecken, nicht selbstverständlich. Klar, das man so ein Team extrem gerne kriegt und weiterhin vollmotiviert zur Sache geht. Zur Sache ging es (geiler Übergang....) auch ein Woche später in Südstockholm gegen Nykvarn. Bis 7 Minuten vor Schluss stand es 3:3, als die einzige Strafe des Spiels gegen uns ausgesprochen wurde. Nykvarn gelang das 4:3 und schon wieder drohte uns eine unglückliche Niederlage. Unsere Reaktion war gut und kurz darauf gelang das 4:4, endlich mal ein kleines Erfolgserlebnis. Das wurde dann aber in der Verlängerung noch getrübt, wir trafen statt das leere Tor den Pfosten und hatten noch zwei weitere Hochkaräter, 20 Sekunden vor Schluss machte es Nykvarn besser und traf...
Nach diesem Spiel gab es in Sandviken einen Teamausgang (2 Wochen Pause standen bevor) der uns in unserer Situation sehr gut tat. Wer schon mal in Schweden einen Ausgang erlebt hat, der weiss jetzt wahrscheinlich, von was ich spreche, ich sage nur „Weltklasse“... Eine Woche später reiste ich Freitag/Samstag in das 70 km entfernte Falun wo die Schweizer Nati zu Gast war. Obschon es zwei Niederlagen absetzte bin ich überzeugt das die Schweizer Mannschaft auf dem richtigen Weg ist. Urban Karlsson hat wieder Feuer reingebracht, das war jederzeit auch auf der Tribüne zu spüren. Ich glaube an diesen Trainer und diese Mannschaft! Das es trotzdem ein Sportwunder braucht um Schweden zu schlagen, das sei hier mal gesagt. Leute, die das anders sehen, sind meines Erachtens Träumer. Ihnen sei mal empfohlen, im Winter einen Monat nach Schweden zu kommen und hier das Niveau der Elitdivision kennenzulernen (abgesehen davon bin ich auch überzeugt, dass viele 1. Divisionsteams locker in der NLA mitspielen könnten, und die besten würden um den Titel spielen) und vor allem die unheimliche Breite (kein Wunder bei 120´000 Lizenzierten, natürlich alle Grossfeld....) zu sehen. Über die Unterschiede Schweden/Schweiz möchte ich aber in einem späteren Artikel näher eingehen, es ist nämlich nicht so, dass wir nicht auch Möglichkeiten und Chancen haben.
In der Woche vor dem wichtigen Spiel zu Hause gegen Hässelby organisierten wir ein Freundschaftsspiel gegen Alfta aus der 1. Division Nord. Wir spielten phasenweise wie aus einem Guss und gewannen ohne Probleme mit 12:4. So ging ich denn optimistisch in die Partie gegen das sehr junge Team aus Hässelby. Was dann folgte war eine einzige riesige Enttäuschung. Einmal mehr versagten wir auf der ganzen Linie. Wenn man 3:4 verliert und alleine im letzten Drittel 20:4 Schüsse auf das gegnerische Tor verzeichnet, so muss man das leider schon mit Unfähigkeit umschreiben. Ich hatte noch nie zuvor in meiner Trainerlaufbahn soviel Geduld mit einem Team wie hier bewiesen. Da auch der kämpferische Einsatz gegen Hässelby nicht stimmte, schlug ich die Woche darauf das erste Mal härtere Töne und Taten an. Dienstags gab es ein Straftraining im seit 6 Wochen hier liegenden ca. 30 cm hohen Schnee. Dabei machte ich dem Team mit deutlichen Worten klar, was der Verein und ich bis zu Weihnachten von ihnen erwarten. Nach dem Training gab es noch eine Teamsitzung und durch die Woche sprach ich noch mit jedem Spieler einzeln.
Was ich hier in dieser Situation manchmal fühle, ist schwer
zu beschreiben. Sich immer wieder neu zu motivieren, wieder aufzustehen und das
alleine in einem fremden Land in einer fremden Sprache braucht einfach
unheimlich viel Kraft. Manchmal bin ich wirklich der Verzweiflung nahe. Ich
glaube ich wäre nicht mehr hier, wenn ich nicht die wirklich sehr gute
Unterstützung der Leute in und um den Verein spüren würde. Auch die Akzeptanz in
der Mannschaft motiviert mich immer wieder. Am wichtigsten sind aber für mich
der Support meiner Freunde und Bekannten in der Schweiz. Man lernt hier oben
seine wahren Freunde kennen.
Rasch aufgeben war noch nie meine Art, auch in
Köniz musste ich oftmals harte Zeiten durchstehen, bevor dieser Verein in der
NLA etabliert war. Ein Sprichwort sagt ja, dass man am Widerstand wächst - na
ja, alles hat seine Grenzen und so hoffe ich endlich auf bessere
Resultate.
Entspannung finde ich öfters mit Spaziergängen entlang den
verschneiten Wäldern und gefrorenen Seen. Da zeigt sich Schweden von seiner
schönsten Seite. Allerdings ist es momentan nur noch von 8.30 bis 15.00 Uhr Tag.
Es war auch schon öfters mal –15 Grad (für die Leute hier ist 0 Grad
warm....).
Fortsetzung folgt in den nächsten Tagen!