10.
2002
René Berliat in Schweden - Horrorstart für Berliat in der Meisterschaft mit Alba
Ein schlechter Saisonstart scheint bei Alba Tradition zu besitzen, vor einem Jahr verlor man die ersten vier Spiele in Serie, und die Leute hier glauben wohl schon selber, dass man gar nicht gut starten kann... Eigentlich sollte man misstrauisch werden, wenn alles so gut läuft wie bei uns in der Vorbereitung. Die Stimmung war denn auch sehr locker in der Woche vor dem ersten Spiel gegen Västerås, zu locker wie sich herausstellen sollte... Aber da fehlte mir die Erfahrung mit schwedischen Teams. Es geht halt hier nunmal alles etwas lockerer zu und her und so wollte ich denn die gute Stimmung nicht durch Âusserung meiner Sorgen stören. Ein Fehler, nächstes Mal weiss ich es besser... Genau 5 Sekunden waren gespielt, als es 0:1 für ein sehr konterstarkes Västerås hiess, 0:2 hiess es nach 20 Minuten in denen das ganze Team nur vom Aufstieg in die Elitserie zu träumen schien. Im zweiten Drittel spielten wir Västerås an die Wand und es hiess 2:2. Ich war nun sicher, dass wir das Spiel im dritten Drittel entscheiden würden. Schon nach 2 Minuten schloss Västerås einen schnellen Konter zum 3:2 ab. Statt nun aber weiter ruhig unser Spiel zu spielen, verloren ein paar Spieler die Nerven, das Spielkonzept wurde nicht mehr eingehalten. Resultat war eine 3:7 Niederlage (wobei wir die letzten 2 Tore in den letzten 3 Minuten erhielten) und grosse Ernüchterung.
In der nächsten Woche stimmte dann die Trainingsleistung wieder und jeder war hungrig, am nächsten Sonntag in Stockholm gegen Trollbäcken unser wahres Gesicht zu zeigen. Die Halle dort errinnerte mich an das erste Czech-Open aus dem Jahre 93 als ich noch aktiver Spieler war. Damals war auch nirgends Papier in der Toilette zu finden und wir mussten das jeweils vorher kaufen und mitnehmen. Bei Trollbäcken lief das ähnlich, der Veranstalter musste noch auf die Schnelle WC-Papier kaufen gehen... Überhaupt präsentieren sich hier viele Hallen nicht gerade sauber und die Hygiene in den Duschräumen überzeugt mich nicht gerade (ganz zu schweigen von Gegenständen wie Malstäbe etc. die meist nicht vorhanden sind). Aber besser
eine schmutzige Halle als gar keine Halle. Der Perfektionismus der Schweiz, wo man jedes Hallenfenster mit der Fernbedienung öffnen kann und dafür die Hallen zuviel kosten um sie zu
bauen, ist auch nicht die Lösung...
Der Start gegen Trollbäcken war wieder katastrophal, schon bald lagen wir 2:0 zurück. Darauf folgte ein Schlagabtausch, der den meisten Trainern ein Graus sein dürfte. Man kann es etwa mit glänzender Offensive und haarsträubender Defensive umschreiben. Auch dieses Spiel ging 10:8 verloren und wir trainierten die kommende Woche sehr viel Defensive. Die Umstellung vom alten System zum neuen von mir ist vorallem in der Defensive (Backchecking) noch überhaupt nicht vollzogen. Ich dachte zu diesem Zeitpunkt, dass es wohl kaum noch verrücktere Spiele geben könne und jetzt langsam die Normalisierung eintreten würde. Ich sollte mich täuschen... Eine Woche später spielten wir zuhause gegen Tillberga, und das erste Drittel wurde zum ersten Mal nicht verschlafen, es resultierte gleich eine 6:1 Führung. Als dann im zweiten Drittel die Linie verloren zu gehen drohte und der Gegner auf 6:3 aufgeholt hatte, nahmen wir ein Time-out und machten auf einige Sachen aufmerksam. Sofort besserte
sich unser Spiel wieder und wir gingen mit 7:3 in die zweite Pause. Zwar spielten wir im letzten Drittel schlecht, als aber Urban Mass im Powerplay 9 Minuten vor Schluss das 9:5 erzielte, schien der Match gelaufen. Was sich dann aber abspielte, habe ich wirklich noch nie erlebt. Nicht weniger als dreimal legten wir mit katastrophalen Fehlpässen dem Gegner zum Torschuss auf, nach 58. Minuten war das "Kunststück" vollbracht und Trollbäcken glich zum 9:9 aus. In dieser Hektik fehlte mir das bereits eingezogene Time-out, und es ist schwierig, in einer fremden Sprache die richtigen Worte zu finden. Jedes "normale" Team hätte nun dieses Spiel auch noch verloren, nicht aber unsere Jungs. Ab dem 9:9 spielten nur noch wir und schliesslich gelang kurz vor Ende der Verlängerung noch das Siegestor...
Obschon die Mannschaft und der Verein bis jetzt voll hinter mir stehen, mache ich momentan eine sehr harte Zeit durch. Man fühlt sich manchmal sehr alleine, als Trainer ist das sowieso noch viel extremer als als Spieler. Das Wohlbefinden hängt noch viel enger mit den sportlichen Resultaten zusammen, als das schon in der Schweiz der Fall war, man ist schliesslich wegen dem Innebandy hier. Es hängt aber auch mit meinem momentanen Job zusammen. 3 mal pro Woche arbeite ich 8 Stunden in einem Hotel als "Zimmermädchen". Das heisst Betten, WC-putzen, Boden fegen, waschen, einfach das ganze Programm. Start ist morgens um 6 Uhr. Immerhin, besser als der Zeitungsverträgerjob, wenigstens ist es Tag und ich kann mich mit Leuten unterhalten... Da überlegt man sich schon öfters, ob man sich das mit 34 Jahren noch antun soll, zumal ich in der Schweiz gemütlich in einem Büro sitzen könnte und das Mehrfache verdienen (mein Stundenlohn ist 60 Kronen oder 10 Franken...) würde. Zu all diesen Problemen musste ich noch auf die Abschlussprüfung Diplomtrainer für Magglingen lernen und via Fax absolvieren. Die Gedanken, die man bei all diesen Umständen hat, kann man schwer erklären, ich glaube man muss das einfach selber erleben um das zu verstehen. Man kommt öfters als einem lieb ist an seine Grenzen. Ich habe aber noch einen zweiten Job, der wesentlich mehr Spass macht. Ich unterrichte zwei Stunden in der Woche 12-jährige Schweden in Deutsch (das ist kein Witz, das ist hier möglich, obschon ich noch nie in meinem Leben Lehrer war...). Manchmal muss ich für mich schmunzeln, noch vor 20 Jahren ein Lehrerschreck und nun selber vor einer Klasse... Das Leben schreibt manchmal verrückte Geschichten!
Ich will mich aber weiterhin durchbeissen und alles versuchen, um es hier zu schaffen. Es ist aber auch klar, das wir jetzt Punkte brauchen, sonst wird meine Lage wirklich ungemütlich. Noch ein Wort zu den Teamhierharchien. In unserem Team befinden sich momentan vier Spieler, die dreissig und älter sind, ca. die Hälfte ist zwischen 23 und 30 Jahren und der Rest ist jünger. Auch bei unseren Gegnern sind es ähnliche Verhältnisse oder gar noch mehr ältere Spieler. Wir wir alle wissen, sieht das Verhältnis in den meisten NLA-Schweizer Mannschaften so aus, dass ¾ aller Spieler 22 Jahre und jünger sind (bös gesagt haben wir momentan eine "Kinderliga"). Da ich mit Köniz selber eines der jüngsten Teams der NLA trainiert habe, kann ich ein wenig vergleichen. Bei Alba stelle ich einfach fest, das die älteren Spieler (und damit meine ich vorallem die 30er)
ihre Funktionen als Teamleader wahrnehmen. Bei auftauchenden Problemen jeglicher Art beziehen sie klar Stellung und das bis jetzt immer in einer sehr positiven Art. Man hat auch die Erfahrung, die eigene Leistung und die Leistung des Teams richtig einzuschätzen. Sie helfen jüngeren Spielern besser zu werden aber sie helfen auch dem Trainer, indem sie auch mal selber ein Zeichen setzen können. Ein Beispiel aus unserem Trainingslager: Als ein paar jüngere Spieler noch eine Stunde nach Lichterlöschen Gas gaben und ich schon nahe dran war was zu sagen, stand plötzlich der Teamälteste auf und hielt eine kurze Ansprache. Nach dieser Ansprache war es mucksmäuschenstill und jeder konnte schlafen. Aber man kann es einem 20-jährigen nicht verargen, wenn er noch nicht Teamleader sein kann. In jungen Jahren beschäftigen
einen andere Sachen, und es braucht halt einfach einen gewissen Reifeprozess, der
nun mal mit dem Alter zusammenhängt um Führungsaufgaben zu übernehmen. I
n der Schweiz wurde, natürlich auch mangels Alternativen, der Bogen punkto junger Spieler überspannt. Neben meines Erachtens wirklich grossen Persönlichkeiten in jungem Alter (als Beispiel etwa die Teamleader in Köniz) tummeln sich momentan zu viele Jungnationalligaspieler in der NLA und NLB, die sich aufgrund ein paar gelungener gerader Pässe und Ballannahmen masslos überschätzen. Kommt noch dazu das das Umfeld öfters dazu neigt nach 2,3 guten Leistungen schon von der Nationalmannschaft zu sprechen... Es ist schwer zu hoffen das die meisten der heute 20 bis 24-jährigen dem Nationalliga-Unihockey bis ins Alter von ca. 30 Jahren erhalten bleiben und dannzumal auch fähig sind, Führungsrollen zu übernehmen und ihre grosse Erfahrung weiterzugeben. Genau das fehlt meines Erachtens momentan vielerorts, und damit gelangen dann auch immer wieder zahlreiche junge Spieler in Nationalligamannschaften, in die sie entweder aufgrund technischer, athletischer, taktischer, mentaler oder sonstiger Mängel normalerweise nie gelangen würden. Darunter leidet dann wiederum das Niveau der ganzen Liga. Gelingt es nicht, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, sehe ich schwarz für die Zukunft unseres Unihockeys. In der schwedischen Elitserie sieht man kaum Spieler unter 20 Jahren (wenn doch, dann sind diese Spieler wirklich sehr, sehr gut), die sehr guten jungen Spieler verdienen
ihre Sporen in der 1. Division ab und die guten Jungen spielen gar nur in der 2. Division oder bei den Junioren. Zudem wird ein Spieler, der den Sprung zum Stammspieler erst mit 21 Jahren schafft, im Normalfall kaum schon mit 23 aufhören. In der Schweiz spielen oftmals 22 jährige bereits 5 Jahre in der ersten Mannschaft und haben schon fast alles gesehen und sind satt.
So, das war's wieder mal, hoffe Euch nächstes Mal von einem Aufwärtstrend berichten zu dürfen.