03.
2003
René Berliat in Schweden - Verrücktes Ende einer verrückten Meisterschaft!
Nach dem Borlängespiel liessen wir ein Training ausfallen und gingen stattdessen ins Hallenbad. Sprudelbad, Sauna und damit Erholung waren angesagt. Nach dem Borlängespiel waren viele Spieler sehr müde, und ich erhoffte mir, dass im Spiel gegen Nykvarn mit dieser Erholung nochmal alle alles versuchen, bevor eine 2-wöchige Pause anstand. Nykvarn kam top vorbereitet nach Sandviken und im Gegensatz dazu waren wir nicht mehr die gleiche Einheit wie noch die Spiele zuvor. Eine Toptorhüterleistung sowie 10 gute Minuten reichten, um in einem von unserer Seite schlechten Spiel mit 6:5 im Sudden-death zu gewinnen. Immerhin gewinnen wir nun schon wenn wir schlecht spielen...
In der zweiwöchigen Pause trainierten wir schlecht. Viele waren krank (auch mich legte es mit einer Grippe eine Woche lang flach) und bei einigen war die Priorität Innebandy nicht mehr so hoch. Es gibt es also auch in Schweden, dass ein Spieler lieber Snowboarden geht als einen Match zu spielen... Solche Sachen ärgerten mich schon in der Schweiz jeweils gewaltig, und es brauchte einen langen Kampf, um diese Unsitte bei Köniz zu beenden. Habe mir ehrlich gesagt nie träumen lassen, dass ich in Schweden wieder über solche Sachen diskutieren muss. Aber eben, es ist lange nicht alles Gold was glänzt, auch im schwedischen Innebandy nicht. Die Quittung der schlechten Trainingsleistungen erhielten wir gegen die im Schnitt 21 Jahre junge Mannschaft von Hässelby. Wir erhielten eine Lehrstunde und gingen mit einer 7:1 Packung heim. Hässelby spielte ein wirklich geiles modernes Innebandy - wenn die zusammen bleiben und weiter hart trainieren, wird man noch von ihnen hören! Da kamen wehmütige Erinnerungen an meine Könizer Zeit auf, wo wir mit einer ähnlich jungen Equipe für Furore sorgten. Immerhin war nun nach diesem Spiel jedem klar, dass es so nicht geht. Als nächstes kam der souveräne Leader Södertälje nach Sandviken, und viele im Umfeld prophezeiten schon eine klare Niederlage. Ich wusste, dass wir nur eine Chance haben, wenn wir vor dem letzten Drittel noch im Spiel sind und wenn wir einen perfekt organisierten Defensivbeton aufziehen. Södertälje hat Mühe gegen kompakte Defensiven zu spielen, da sie unwahrscheinlich viel in blockende Spieler schiessen. Gegen uns waren das 36 Mal! Unsere Defensive stand absolut top und sehr diszipliniert, und nach 2 Dritteln stand es nur 0:2 für Södertälje, wunderbar, wir waren noch im Spiel. Nun gab ich in der Garderobe Gas, motivierte die Spieler und zog unsere Lenkung ein paar Meter weiter hoch, vereinzelte Situationen spielten wir Forechecking (speziell bei Freischlägen in ihren Ecken). Das zeigte sofort Wirkung, und schon nach 5 Minuten stand es 2:2. Nun begannen die Stockholmer zu schlottern, da sie schon x-mal in der Saisonschlussphase den Gruppensieg verspielt hatten. Wir spielten uns in einen Rausch, 3:2 vier Minuten vor Schluss und das 4:2 ins leere Tor, die Sensation war geschafft. Das Schussverhältnis lautete übrigens am Schluss 71:44 für Södertälje, es wird in Schweden viel mehr geschossen als in der Schweiz.
Letztes Wochenende stand die letzte Runde an. Den direkten Abstieg hatten wir abgewendet und wir standen auf dem fünften Platz. Allerdings waren 4 Teams innerhalb eines Punktes, die am letzten Spieltag noch um Direktabstieg oder um den drittletzten Platz (Abstiegsspiele) spielen mussten. Zwar spielten zwei Teams davon gegen den Ersten und den Zweiten (die noch um den Gruppensieg spielten) und eigentlich musste ja sehr viel gegen uns laufen, wenn es uns selbst bei einer Niederlage noch erwischen sollte. Aber was war in dieser Gruppe in dieser Saison schon normal... nicht allzuviel. Und es lief wirklich alles gegen uns am letzten Spieltag. Zwar spielten wir gegen das bereits abgestiegene Schlusslicht Sala Silverstaden auswärts drückend überlegen. Aber es war eines dieser Spiele, wo der Ball einfach nicht rein will. Dazu kam noch, dass der gegnerische Goalie hexte, das Schussverhältnis von 21:4 (Schüsse auf Tor) alleine im letzten Drittel war schon fast rekordverdächtig. Es waren noch 45 Sekunden zu spielen als ich das Time-Out nahm, wir lagen 4:3 in Rückstand und die Resultate in den anderen Hallen waren tatsächlich so, das wir Abstiegs-Play-Off spielen mussten, wenn nicht noch der Ausgleich gelang. Ich zeigte die Aufstellung auf der Taktiktafel und nahm den Torhüter raus. 25 Sekunden vor Schluss kam der Ball auf die rechte Seite zu Mass und der knallte direkt in das Kreuz, unglaublich! In der Verlängerung kam dann noch die Krönung, als Grönblad mit dem Thäkä-Trick in Überzahl der Siegtreffer gelang. Wir waren das x-te Mal in dieser Saison in der Abstiegshölle und das x-te Mal gelang uns der Befreiungsschlag. Schlussendlich beenden wir diese verrückte Saison auf dem fünften Platz, fast schon sensationell, wenn man die Tabellenlage vor Weihnachten anschaut. Aus den letzten acht Spielen resultierten 7 Siege, 2 davon in der Overtime.
Ich habe hier wieder unheimlich viel dazu gelernt, bin in vielen Bereichen viel stärker geworden und habe gezeigt, dass ich kein Trainer bin, der nur bei guten Tabellensituationen seine Leistung bringt. Ich habe mich zum Teil unter widrigsten Umständen durchgesetzt, habe auch phasenweise an mir gezweifelt und musste immer wieder hart an mir arbeiten, um mein Selbstvertrauen nicht zu verlieren. Das Team und ich mussten unzählige schwierige Situationen lösen (ein paar Schwierigkeiten kann ich hier nicht beschreiben weil sie nicht aufs Internet gehören...). Aber wir sind an der schwierigen Ausgangslage gewachsen und nicht zerbrochen, das kann eine sehr gute Voraussetzung für eine nächste Saison sein. Den Teamgeist kann man schlicht als sensationell bezeichnen und ohne diesen Zusammenhalt wäre das sicher nicht möglich gewesen.
Nun stellt sich für mich die schwierige Frage der Zukunftsgestaltung. Zwar liegen mir einige Angebote aus der Schweiz vor, aber tendenziell möchte ich eher nochmals eine Saison hierbleiben (man kann dann ja noch 40 Jahre in der Schweiz leben...). Da ist aber weiterhin das Problem der Arbeitsstelle (habe nur bis Ende April einen Job) und ich kann mir finanziell nicht erlauben, nochmals so einen Durchhänger wie im November/Dezember zu haben. Weiter möchte ich, dass die Voraussetzungen (Umfeld, Kader) für kommende Saison besser sind als dies während der letzten Saison der Fall war. Es werden in den nächsten Wochen viele Gespräche stattfinden, und ich hoffe die für mich richtige Lösung finden zu können. Ich muss sagen, dass ich mich relativ schnell an die schwedische Mentalität angepasst habe und mir hier vieles sehr gut gefällt.
Riesig freue ich mich auf den Schweizer Cupfinal
und auf die Play-Offs. Ich werde ca. 2 Wochen in der Schweiz weilen und dabei
für meine ehemalige Mannschaft Floorball Köniz fanen. Einige Leute sprechen
mich auf die jüngsten Erfolge von Floorball Köniz an und erwarten wohl dann,
dass ich mich neidisch äussere. Weit gefehlt, ich freue mich sehr darüber und
mag es den beteiligten Leuten gönnen, super gemacht!
Ich sage mir, dass es nicht nur eine Kunst ist ,massgeblich mitzuhelfen einen
Verein zu einer der besten Adressen im Schweizer Unihockey zu machen, sondern
auch eine Kunst, in so zu hinterlassen, dass es gleich gut oder sogar besser
weitergeht. Das ist offensichtlich gut gelungen. Beim Auswahlverfahren meiner
Nachfolge war ich beteiligt, und dieses Problem lösten wir auf professionelle
Art und Weise. Oestman hat neue gute Impulse und Ideen gebracht, und genau darum
wurde er geholt. Und wenn die Saisons zuvor nicht gute Arbeit geleistet worden
wäre, wären die aktuellen Erfolge kaum möglich. Überhaupt freut mich die
Entwicklung im Schweizer NLA-Unihockey im Bezug darauf, dass nun die Vereine an
der Spitze sind, die während langen Jahren stets auf eine sehr gute
Juniorenförderung gesetzt haben und unspektakuläre aber harte Basisarbeit
leisten. Was kann einer Sportart besseres passieren, als dass sich gute,
längerfristige Arbeit durchsetzt? Das ist doch die beste Motivation für andere
Personen und Vereine, es ihnen gleichzutun. Da finde ich es manchmal schade,
dass vor allem über den Tabellenletzten Basel gesprochen wird, und das ja
bekanntlich nicht wegen sportlicher Grosstaten. Oder dann wird immer über das
liebe Geld gesprochen. Obschon es ganz ohne Geld in Zukunft kaum noch gehen
wird, gilt es doch festzustellen: Unihockey ist (zum Glück?) immer noch eine
Sportart, wo vor allem ein grosses Herz, Leidenschaft und Einstellung Cupfinals
und Meisterschaften entscheiden und nicht die paar Fränkli, die es zu verdienen
gibt.
Das wär also mein letzer Schwedenbericht gewesen. Nächstens folgt noch der längst versprochene Schweiz - Schweden Vergleich. Der Vergleich ist mittlerweile ausgeartet, und ich überlege mir schon, ob ich ihn nicht gleich in Buchform rausbringen soll... Ne, Spass beiseite, geht halt einfach Schweden-like ein wenig länger, kommt aber dann schlussendlich schon gut. Hoffe ich wenigstens....
Ich wünsche Euch allen einen guten Saisonabschluss!