02.
2019
Sie sollen es richten
Seit Oktober sitzen mit Nivin Anthony und Sven Engeler zwei junge Coachs im Cockpit der Kloten-Dietlikon Jets. Sie müssen jetzt dafür sorgen, dass das NLA-Schlusslicht nicht in der NLB landet. Im Interview mit dem "Zürcher Unterländer" sprechen die beiden über ihre neue Rolle, erklären, wieso die Jets nicht auf Touren kommen und warum Winterthur in den Playouts der Lieblingsgegner wäre.
Nivin Anthony, Sven Engeler, Sie beide haben im Herbst das Männerteam der Jets vom entlassenen Cheftrainer Arto Riihimäki übernommen. Würden Sie es wieder tun?
Nivin Anthony: Ja.
Sven Engeler: Grundsätzlich ja. Aber es gibt schon Momente, in denen ich mich frage, ob sich dieser Mehraufwand lohnt.
Und?
Engeler: Ja, doch. Er tut es. Wir spüren seitens der Spieler und der Vereinsführung viel Vertrauen.
Anthony: Es war mutig von den Sportchefs, uns jungen Trainern eine Chance zu geben.
Welches war für Sie der schwierigste Moment in den vergangenen vier Monaten als NLACheftrainer?
Engeler: Für mich eindeutig die erste Kontaktaufnahme mit der Mannschaft in der Garderobe. Ich war sehr nervös, habe mich gefragt wie die Spieler auf mich reagieren würden, insbesondere diejenigen, die nach meiner Einschätzung Arto Riihimäki nahestanden. Das Treffen und das erste Training waren dann aber sehr positiv.
Anthony: Ich würde sagen, der schwierigste Moment beginnt jetzt mit der Vorbereitung auf die Playouts.
Das Team spielt beherzt, oft auf Augenhöhe mit dem Gegner, aber zumeist erfolglos. Was ist das Problem der Jets Ausgabe 2019?
Anthony: Die Erwartungshaltung, mit der das Team in die Saison gestartet ist. Wenn man die Playoffs als klares Ziel formuliert und dann mit vier Niederlagen in Serie beginnt, ist das ein harter Schlag. Das Team ist in ein Loch gefallen und war dann in einer Negativspirale gefangen.
Engeler: Wir sind im Herbst vor einem taktischen Scherbenhaufen gestanden. Was wir gebraucht hätten, ist Zeit. Inzwischen konnten wir eine Grundstruktur erarbeiten, aber eben, das hätte vor der Saison passieren sollen.
Anthony: Diese Einschätzung teile ich nicht. Es war durchaus Struktur vorhanden, auf der wir aufbauen konnten. Aber wie gesagt, das Ziel war zu hoch gesteckt. Um aus einer Negativspirale herauszukommen, braucht es Zeit und Erfolgserlebnisse. Zudem mangelt es der Mannschaft an Erfahrung. Es müssen nun Spieler Verantwortung übernehmen, für die diese Rolle neu ist. Da geschehen eben auch Fehler, gerade in den letzten Spielminuten und unter Druck.
Sie meinen, wie in der jüngsten Partie gegen Uster, als die Jets 23 Sekunden vor Schluss durch ein Eigentor in Unterzahl noch das 4:5 kassiert haben?
Anthony: Genau, aus diesen bitteren Erfahrungen müssen wir unsere Lehren ziehen.
Engeler: Solche Situationen sind es, die uns immer wieder zurückwerfen. Für mich war dieser Gegentreffer ein Schock. Wohl auch, weil ich nach dem 4:3 für uns im letzten Drittel plötzlich überzeugt davon war, dass wir es diesmal packen. Denn anders als in zahlreichen Spielen zuvor sind wir in dieser Partie nicht eingebrochen, es gab keine schwachen fünf Minuten mit ein paar dummen Gegentoren.
Anthony: Da muss ich widersprechen. Eingebrochen sind wir nur gegen Wiler und Köniz.
Fakt ist, dass die Jets in 19 Runden neun Spiele im letzten Drittel verloren haben. Das ist auch eine mentale Sache.
Anthony: Daran arbeiten wir mit gezielten Atemübungen und der Strahlkraft des eigenen «Smile». Ein Gegentor muss man auch mal weglächeln können. Der 5:4-Sieg gegen Thun vor zwei Wochen war in mentaler Hinsicht sehr wichtig.
Mitte Oktober ist der bis dahin beste Torschütze der Jets, Mikael Karlsson, wegen Kokainkonsums durch den Dopingtest gefallen und zurück in seine Heimat gereist. Hat sein Abgang für Unruhe gesorgt?
Anthony: Nein, das war kein grosses Thema. Das erste Spiel nach Karlssons Abgang endete mit einem Sieg gegen Rychenberg. Wir haben also sofort gesehen, dass es auch ohne ihn geht.
Trotz der prekären Tabellensituation haben Sie sich gegen eine ausländische Verstärkung als Ersatz für Karlsson entschieden und stattdessen den ehemaligen Captain Daniel Dürst reaktiviert sowie Junior Sven Gisiger ins Fanionteam integriert. Können sich die Jets diese Personalpolitik leisten?
Anthony: Wir wollen uns diese Personalpolitik leisten. Ein neuer Ausländer müsste in der ersten oder zweiten Linie auffallen, also eine richtige Verstärkung sein. Es ist das eine, einen solchen Spieler zu finden, aber er müsste mit unseren Konditionen auch noch einverstanden sein. Ich arbeite viel lieber mit dem Nachwuchs als mit zusätzlichen ausländischen Spielern.
Engeler: Zudem hat die Vergangenheit ja gezeigt, dass es auch mit fünf oder sechs Ausländern nicht einfach klappt mit den Playoffs.
Anthony: In den letzten Jahren hatten die Jets meist einen ganzen Ausländer-Block verpflichtet. So wachsen aber keine eigenen Leader heran. Es hat ein Umdenken stattgefunden, aber dieser Prozess braucht Zeit. Das wurde wahrscheinlich unterschätzt: Die Qualität für die Playoffs ist zwar potenziell vorhanden, aber wir haben noch nicht ganz die spielerische Reife dazu.
Noch sind drei Qualifikationsrunden zu spielen. Als Schlusslicht sind die Jets aber schon länger als Playout-Teilnehmer gesetzt. Mögliche Gegner sind Waldkirch St. Gallen, Rychenberg oder die Tigers. Haben Sie einen Wunschgegner?
Anthony: Ich bin eindeutig befangen. Ich war in den zwei Saisons zuvor Assistenztrainer in St. Gallen und fände es definitiv nicht cool, gegen meine ehemalige Mannschaft in einer so brisanten Serie antreten zu müssen. Zudem haben wir die zwei bisherigen Spiele gegen Waldkirch klar verloren, gegen Rychenberg aber vier von sechs möglichen Punkten geholt. Die Winterthurer sind das einzige Team, gegen das wir eine positive Bilanz aufweisen.
Engeler: Unsere Präferenzen sind also klar: Rychenberg.
Was muss in Hinblick auf die Playouts im Spiel der Jets vordringlich verbessert werden? Anthony: Wir haben nochmals einen physischen Trainingsblock eingeschaltet, um richtig parat zu sein. In diesem Bereich hätte man im Sommer besser arbeiten müssen. Und dann feilen wir an den Details - Blockarbeit, Passqualität, Kaltblütigkeit.
Engeler: Wichtig ist, dass wir den guten Spirit erhalten, den wir noch immer haben, trotz der prekären Situation, und weiter hart arbeiten.
In der vergangenen Saison ist es für die Jets sehr eng geworden. Gegen Basel stand der Fall in die NLB plötzlich kurz bevor. Erlauben Sie sich auch, daran zu denken?
Engeler: Unbedingt. Wir müssen daran denken. Darum haben wir unter anderem auch das Testspiel eben gegen das NLB-Team Thurgau organisiert.
Die Jets haben 3:4 verloren.
Engeler: Wir haben sieben U -21Spieler eingesetzt, darum ist das Resultat zweitrangig. Was aber bei einigen gefehlt hat, ist der unbedingte Einsatz.
Anthony: Und der ist matchentscheidend. Die Chance, die Playout-Serie zu gewinnen, steht nicht 60:40 für, sondern 70:30 gegen uns. Darum müssen wir uns jetzt schon damit auseinandersetzen, dass es in der Ligaqualifikation weitergehen könnte. Engeler: Wenn wir dann plötzlich in Basel oder Weinfelden antreten müssen, dürfen wir nicht wieder in ein Loch fallen, weil wir mental nicht parat sind.
Sie beide haben einen Vertrag bis Saisonende. Machen Sie weiter?
Engeler: Ich sicher nicht. Aus beruflichen Gründen werde ich im Sommer für ein Jahr ins Ausland gehen.
Anthony: Ich führe im Moment Gespräche.
Spielt die Liga darin eine Rolle?
Anthony: Nein. Ich bin überzeugt, dass wir in der NLA bleiben.
Quelle: "Zürcher Unterländer", von Marisa Kuny
In der letzten Saison unterstützte Nivin Anthony noch WaSa-Coach Fabian Arvidsson. (Bild: Fabian Trees)