09.
2015
Zwischen Los Angeles und Lüterkofen
Morgen tritt Adrian Zimmermann mit Wiler-Ersigen gegen Grünenmatt an, obwohl er im Frühling zurückgetreten war. Im Sommer arbeitete der langjährige Nationalspieler in der Hockeyschule von Wayne Gretzky, ab Mitte Oktober wird der 31-Jährige Lüterkofen (2. Liga KF) verstärken.

Ganz oder gar nicht. Adrian Zimmermanns Grundhaltung erklärt seinen im Frühling getroffenen Entscheid, dem Branchenprimus den Rücken zu kehren, sich seinen auf dem Kleinfeld engagierten Jugendfreunden des Zweitligisten Lüterkofen anzuschliessen. Als 17-Jähriger hatte der Bucheggberger in der höchsten Spielklasse debütiert. Neun Meistertitel feierte der Stürmer mit Wiler-Ersigen, 2005 den Triumph im Europacup. Er nahm an fünf Weltmeisterschaften teil, wurde bei seiner Premiere 2006 in Schweden gar Torschützenkönig.
Nun ist er 31, führt in Bern einen Veloladen und lässt sich nebenbei zum Landwirt ausbilden, damit er dereinst den elterlichen Grossbetrieb übernehmen kann. Die Lust am Unihockey ist ihm keineswegs vergangen, Zeit für das tägliche Training bleibt unter diesen Rahmenbedingungen jedoch keine - eigentlich.
Gastspiel bei Familie Gretzky
Am Samstag, wenn Wiler-Ersigen die Meisterschaft in Kirchberg gegen Grünenmatt eröffnet, wird der Mann mit der Nummer 18 in den gegnerischen Reihen wie gewohnt für Unruhe sorgen. Ohne dass er von erwähnter Grundhaltung abgekommen wäre. Er führt seinen grenzwertigen Alltag noch ein wenig fort, weil er von Sportchef Marcel Siegenthaler wegen mehrerer verletzungsbedingter Ausfälle darum gebeten worden ist.
Vergangenen März, während der Halbfinalserie gegen die Langnauer Tigers, hatte er wöchentlich bis zu hundert Stunden gearbeitet. «Es kam vor, dass ich morgens um 6 Uhr das Haus verliess, den ganzen Tag lang auf den Beinen stand, abends um 6 Uhr die Garderobe betrat und zwei Stunden später den Match bestritt.» Zimmermann ist hart im Nehmen, die meisten Spieler setzen den Punkt früher. Der Fall offenbart das Kernproblem der Amateursportart. Unihockey spielt, wer sehr jung ist, studiert, oder physisch wie mental über aussergewöhnliches Leistungsvermögen verfügt. Wie Zimmermann, der vom ehemaligen Nationaltrainer Petteri Nykky hochachtungsvoll als «Pferd» bezeichnet wurde.
Im Sommer gönnte sich Zimmermann eine Auszeit. Wobei falsch liegt, wer vermutet, er habe durchgeatmet, Beine und Seele baumeln lassen. Der Solothurner betätigte sich in Wayne Gretzkys Eishockeyschule als Übungsleiter, unterrichtete in Edmonton, Vancouver und Los Angeles Unihockey. Das Konzept sieht vor, die Sportarten ihrer Parallelen wegen zu verbinden, mit dem Nachwuchs alternierend Eis- und Halleneinheiten durchzuführen.
Operativer Kopf des Unternehmens ist Gretzkys ältester Sohn Ty, der weltweit bekannteste Eishockeyspieler in der Geschichte in jedem Camp mindestens einmal präsent. Zimmermann hat ihn als sehr umgänglichen Zeitgenossen kennen gelernt - «wie alle Mitglieder dieser Familie». Und er hat registriert, wie die in Übersee nahezu inexistente Sportart Unihockey auf Anklang gestossen ist. «Die Kinder waren begeistert, weil ihnen mit den deutlich leichteren Stöcken vieles einfacher fiel.»
Derniere in Tschechien
Das letzte Camp fand ohne den Schweizer statt. Dieser war mehr oder weniger direkt von Nordamerika nach Prag gereist, bestritt mit Wiler-Ersigen das Czech Open, ein hochwertiges Vorbereitungsturnier. Sein Comeback ist von begrenzter Dauer, die Vereinbarung endet Anfang Oktober mit dem Champions Cup im tschechischen Mlada Boleslav. Der neue Trainer Olle Thorsell ist ein langjähriger Gefährte, Zimmermann ist nicht zuletzt seinetwegen eingesprungen. Aber auch, weil er per se flexibel ist. Oft wurde er an die Seite der Ausländer beordert; fast immer gelang es ihm, sein Spiel auf die (sehr unterschiedlichen) Stärken der jeweiligen Nebenleute auszurichten.
Er ist ein Spieler, den sich jeder Trainer wünscht, dem die meisten Trainer Extrawürste wie reduzierte Pensen gewähren würden, um ihn nicht zu verlieren. Für Zimmermann war eine Sonderlösung nicht einmal gedanklich eine Option. «Ganz oder gar nicht» lautet das Motto - aber nur im Leistungssport. Mit den Jugendfreunden aus Lüterkofen wird er es locker angehen lassen. «Und die Prioritäten auch einmal anders setzen, wenn die Sonne scheint und es mich auf die Skier zieht.»