09.
2015
Ein Fall für die Churer Reizfigur
Chur Unihockey macht im Derby zum Auftakt der NLA-Meisterschaft 2015/16 gegen Alligator Malans im Schlussdrittel ein 0:2 wett und gewinnt dank vier Streichen des Churer Derby-Spezialisten Jan Binggeli mit 5:3.
Die Buhrufe, die ihm aus dem Malanser Publikum nach dem Schlusspfiff zufielen, hatte sich Jan Binggeli redlich verdient: Ausgerechnet er. Ausgerechnet er, die Reizfigur aus den Reihen von Chur Unihockey, sorgte im ewigen Duell der Rivalen wieder einmal für den Unterschied zuungunsten der Malanser. Der Churer Stürmer entschied den Unihockeyknüller zum Saisonstart bei Alligator Malans in der Maienfelder Lust-Turnhalle im Schlussdrittel quasi im Alleingang für den Stadtklub. Als das kampfbetonte, aber auf eher bescheidenem Niveau ausgetragene Spiel auf eine Churer Niederlage zusteuerte, drehte Binggeli gross auf und wendete die Partie nach einem 0:2 mit vier Toren zum 4:2. Am Ende jubelten die Churer über einen 5:3-Erfolg und buhte der Malanser Anhang.
«Es gibt nichts Schöneres, als auf Buhrufe mit Toren auf Laufband zu antworten», meinte der Matchwinner im Nachgang süffisant. Dass er sich in der Rolle der gegnerischen Reizfigur gefällt, bewies Binggeli gestern mitunter mit provokanten Torjubeln. Dass ihn diese Rolle auch spielerisch beflügelt, zeigte er mit seinen vier Treffern: Beim Anschlusstreffer zum 1:2 in der 44. Minute überraschte er Malans-Keeper Martin Hitz mit einem Direktschuss auf einen Vertikalpass von Schneider aus der Defensive. Beim 2:2 (49.) verschaffte er sich im Slot den nötigen Raum und beförderte den Ball auf das Zuspiel von Ferraresi über die Linie. Beim 3:2 (51.) fand er im Überzahlspiel, das bis dahin auf beiden Seiten überhaupt nicht funktioniert hatte, nach einem Freischlag die Lücke. Beim 4:2 brachte er sich mit einem cleveren Laufweg in die richtige Abschlussposition.
Der Anschlusstreffer zu Beginn des Schlussdrittels war die Initialzündung zur Wende. Das 3:2 war kursweisend, das 4:2 die Vorentscheidung. Zwar konnte Malans mit sechs Feldspielern noch verkürzen. Der bei seinem Pflichtspieldebüt für Chur primär mit seiner physischen Wucht auffällige Schwede Sebastian Gafvelin machte mit dem «Empty Netter» 54 Sekunden vor Schluss den Sack zu. Die Frage, warum in der 50. Minute (beim Stand von 2:2) Gafvelin zum zu diesem Zeitpunkt so wichtigen Penalty antrat und nicht Binggeli, dem alles gelang, verkam zur Randnotiz.
Als Held wollte sich Binggeli nach dem Spiel nicht feiern lassen. «Ich war doch nur der, der die Tore schoss», meinte er demütig und stimmte stattdessen ein Ständchen für Gafvelin ein, der gestern seinen 25. Geburtstag feierte. Aber natürlich war es Binggeli, der Derbyspezialist schlechthin, der gestern den Unterschied ausmachte.
Das turbulente und aus Churer Sicht fulminante Schlussdrittel entschädigte die neutralen Betrachter für die ersten 40 Minuten. Diese waren nämlich alles andere als Unihockey-Feinkost. Beidseits überwog der Kampf, beidseits brachten sie kaum Zusammenhängendes zustande, vieles war Stückwerk. «Beide Team hatten Mühe, den Rhythmus zu finden und spielten nicht auf Top-Niveau», befand Binggeli, «das erste Tor musste durch einen Zufall fallen.» Bezeichnend, dass es mit Florian Tromm ein Verteidiger war, der Malans mit einem Abstauber brachte.
Warum die in den ersten beiden Dritteln wenigstens minim besseren Malanser nach dem Anschlusstreffer aus dem Tritt gerieten, konnten sie sich später selbst nicht erklären. Tim Braillard sichtlich geknickt: «Nach dem Gegentreffer machte es Klick, und wir waren verunsichert. Scheinbar hat die durchzogene Vorbereitung ihre Spuren hinterlassen??» Gut, dass sich heute im Cup beim 3.-Ligisten Aarau die Gelegenheit bietet, das Toreschiessen neu zu lernen und Selbstvertrauen zu tanken.
Alligator Malans - Chur Unihockey 3:5 (1:0, 1:0, 1:5)
Lust, Maienfeld. - 731 Zuschauer. - Baumgartner/Kläsi.
Tore: 11. Tromm (Braillard) 1:0. 36. Hulmi (Dominioni) 2:0. 44. Binggeli (Schneider) 2:1. 49. Binggeli (Ferraresi) 2:2. 51. Binggeli (Ferraresi/Ausschluss Tromm) 2:3. 58. Binggeli (Jung) 2:4. 58. Hulmi (Friolet) 3:4 (Malans ohne Torhüter). 60. (59:06) Gafvelin 3:5 (Malans ohne Torhüter).
Strafen: 3-mal 2 Minuten gegen Alligator Malans. 2-mal 2 Minuten gegen Chur Unihockey.
Alligator Malans: Hitz; Friolet, Gartmann; Tromm, Berry; Veltsmid, Patrick Vetsch; Nino Vetsch, Hulmi, Laely; Buchli, Braillard, Dominioni; Bärtschi, Hartmann, Jäger; Nett.
Chur Unihockey: Reich; Schneider, Jung; Kamaj, Camenisch; Luzian Weber, Fischli; Ferraresi, Aho, Binggeli; Gafvelin, Hirschi, Blumenthal; Beeler, Luzi Weber, Mayer; Torri.
Bemerkungen: Malans ohne Künzli. Chur ohne Bürer, Studer. Pfosten-/Lattenschüsse: 7., 23. Malans, 47. Chur. - 47:13. Time-out Malans. 50. Gafvelin verschiesst Penalty. Malans ab 57:21 phasenweise mit sechs Feldspielern.
Zeitungsbericht "Schweiz am Sonntag"