15.
12.
2019
Nati Frauen A | Autor: Güngerich Etienne

79 magische Sekunden

Der Halbfinal gegen Tschechien wird als eines der dramatischsten Spiele in einer Schweizer Landesauswahl in die Geschichte eingehen. Die Schweiz war eigentlich schon tot - dann führten spektakuläre 79 Sekunden zur Wende.

79 magische Sekunden Der magische Moment: Wiki erzielt das 6:6 und lässt die Halle beben. (Bild: Dieter Meierhans)

«Im Unihockey ist alles möglich.» Diesen Satz hört man oft, wenn ein Team kurz vor Schluss mit mehreren Toren im Rückstand liegt. Und trotzdem kommen Wenden wie man sie am Samstag in der Pationires du Littoral erlebt hatte, nur ganz selten vor. Nicht einmal die kühnsten Optimisten hätten nach Nela Jirakovas 6:1 für Tschechien wohl ernsthaft auf einen Schweizer Sieg gewettet.

Schlechte Erinnerungen
Allen voran, weil in dieser Partie aus Sicht der Schweiz zu vieles schief lief. Erstmaliger Rückstand in diesem Turnier nach einem eigentlich missratenen Eckfreistoss der Tschechinnen. Wenig später bezwingt Denisa Ratajova Pixbo-Kollegin Lara Heini nach einem kleinlich gepfiffenen Penalty. Nur fünf Sekunden danach folgt der Doppelschlag durch Eliska Krupnova. 0:3 nach etwas mehr als sechs Minuten, der Schock im Schweizer Publikum sass tief. Nicht schon wieder an einer Heim-WM im Halbfinal scheitern, schoss es einem durch den Kopf. So wie 2011 in St. Gallen, ein Jahr später beim Herren-Halbfinal im Hallenstadion oder 2004, als die Männer-Nati ebenfalls in der Gruppenphase Finnland schlug und dann im Halbfinal an Tschechien scheiterte. Bittere Erinnerungen wurden bei den Schweizer Unihockeyfans wach.

«Ich machte mir erst im zweiten Drittel etwas Sorgen, als wir gut spielten, unsere Chancen aber nicht nutzten und sie stattdessen hinten bekamen», blickt Tanja Stella zurück. Trotzdem war nach dem Horrorstart bei den Schweizerinnen eine gewisse Unsicherheit auszumachen. Das erste Drittel dominierten die Tschechinnen mit doppelt so vielen Abschlüssen wie die Gastgeber. Je öfter diese an Jana Christianova scheiterten, desto mehr verhaspelten sie sich in Ungeduld. Die Folge davon waren mehrere Kontergelegenheiten für Tschechien und unnötige Strafen. Krupnova nutzte eine dieser zum 5:0 aus - und schon war auch die gute Schweizer-Bilanz im Unterzahlspiel dahin.

Das Drama war schon geschrieben
Erst drei Minuten vor der zweiten Drittelspause wurde die Schweiz endlich für ihr unermüdliches Anrennen mit dem ersten Treffer belohnt. Dass Isabelle Gerig erst im Nachsetzen getroffen hatte, war sinnbildlich dafür, wie viel die Schweiz für ein Tor investieren musste. Allein der letzte Spielabschnitt schrieb so viele Geschichten, wie normalerweise eine ganze WM. Corin Rüttimann lenkte nach drei Minuten einen Schuss ins eigene Tor ab und als Marti endlich das zweite Schweizer-Tor gelang, begingen die Schweizerinnen einen Wechselfehler. Des Unheils aber nicht genug, erhielt Tschechien vier Minuten vor Schluss den zweiten Penalty zugesprochen. Das Drama nahm unaufhaltsam seinen Lauf.

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Doch die eingewechselte Schmid liess sich nicht bezwingen und heizte das Publikum noch einmal ein. «Tschechien liess viele Chancen aus, das Spiel zu entscheiden. Das hat uns nochmals Energie gegeben», erzählt Stella. Der verschossene Penalty war der Beginn einer berauschenden Aufholjagd. Ganze 37 Mal gingen die Schweizerinnen in den Abschluss. Nach Suters 3:6 schlotterten bei den Tschechinnen plötzlich die Knie und die Schweiz brauchte nur 79 Sekunden, um das Spiel auszugleichen und die Halle zum beben zu bringen. Hatte es zuvor den Eindruck gemacht, diese teuflische Christianova sei an diesem Abend einfach nicht zu bezwingen, ging plötzlich jeder Ball rein. Entscheidenden Anteil an der Aufholjagd hatte Isabelle Gerig, die bei drei der vier Tore den entscheidenden Pass spielte. Die Flügelspielerin beendete die Partie mit fünf Skorerpunkten und stand bei allen sieben Schweizer Toren auf dem Feld.

Die Kombination von 235 Länderspielen
Das berühmte Momentum war nun gekippt. Plötzlich hatte niemand mehr der 3734 Zuschauern den kleinsten Zweifel, dass nicht die Schweiz dieses Spiel gewinnen würde. Tschechien war stehend K.O., brachte in der Verlängerung keinen einzigen Abschluss mehr zu Stande. Die Entscheidung des Overtime-Tores ist irgendwie typisch für dieses Team. Gerig erobert sich hinter dem gegnerischen Tor den Ball, legt zu Stella, die einhändig zu Wiki weiterleitet. Die Vollblutstürmerin stand - wie schon beim 6:6, das sie mit einem gekonnten Ablenker erzielte - wieder einmal goldrichtig. «Ich weiss nach all den Jahren mittlerweile, dass sie immer dort am langen Pfosten lauert», erzählt Stella lachend. Die beiden Jets-Akteurinnen haben übrigens zusammen 235 Länderspiele absolviert. Wiki, Ulber, Gerig, Suter und Marti haben das Spiel für die Schweiz gedreht. Das spricht für die Breite im Schweizer Kader und zeigt, dass auch andere in die Bresche springen können, wenn es den Weltklasse-Akteurinnen Rüttimann und Heini mal nicht so optimal läuft.

Wie so oft in diesem Turnier führte also ein Ballgewinn durch das hohe Pressing zum Erfolg. Am Ende passte dann eben doch wieder alles zusammen. Auch der Coachingstaff um Rolf Kern hatte wieder die richtigen Entscheidungen getroffen. Schon nach sechs Minuten ging man auf zwei Linien runter - hatte also schon im Vorfeld eine Zwei-Linien-Strategie ausgetüftelt. Kern bewies auch bei der Einwechslung von Schmid ein glückliches Händchen, zog schon früh den Torhüter und legte damit viel Siegeswille an den Tag.

Christianova die tragische Heldin
In der ganzen Euphorie gehen die so aufopferungsvoll kämpfenden Tschechinnen beinahe unter. Dabei hatte das Team um Sascha Rhyner sehr vieles richtig gemacht. Gegen das Forechecking der Schweizerinnen lösten sie sich hervorragend, um Welten besser, als beispielsweise Finnland in der Gruppenphase. Allein im letzten Drittel blockten sie elf Schüsse. Christianova hielt glänzend und wäre zweifellos zur Heldin geworden - wären da diese verflixten letzten zwei Minuten nicht gewesen. Statt einer überragenden Abwehrquote von 93% gab es für die ehemalige Winterthur-Torhüterin am Ende nur 79%. Die bedauernswerten Tschechinnen standen ihrer ersten Finalteilnahme so nah wie noch nie, doch am Schluss fehlte ihnen die Kraft, um ihren Auslösungsplan bis zum Schluss durchzuziehen.

So jubelten am Ende nur die Schweizerinnen. Sie haben mit einem furiosen Schlussdrittel für das «Wunder von Neuenburg» gesorgt. Und stehen erstmals seit zehn Jahren in einem WM-Final. Dort wartet nun Rekord-Weltmeister Schweden. Das Team von Asa Karlsson tat sich gegen Finnland vor allem mit deren Manndeckungs-System enorm schwer. «Aber wir wissen alle, dass sie immer noch einen Gang höher schalten können und am besten spielen, wenn sie das Messer am Hals haben», warnt Stella. Es wissen auch alle, dass gegen ein Schweden nur 79 magische Sekunden nicht zum Titel reichen werden. Solche Wenden kommen eben nur sehr selten vor. Zu packen ist Schweden aber allemal, vor allem wenn im Schweizer Spiel wieder von Anfang an alles so passt, wie während grossen Teilen des Turniers.

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