12.
2011
Hoffen auf die Sensation
Wenn die Schweiz heute auf Schweden trifft, wird dies kein Duell auf Augenhöhe. Auch wenn dies nicht gern gehört wird: Die Schwedinnen spielen in ihrer eigenen Liga. Mit 87:1 Toren rauschten sie durch ihre vier bisherigen WM-Spiele. Pro Spiel wurden die gegnerischen Torhüterinnen mit einem Schuss pro Minute eingedeckt. Das einzige Gegentor erzielte Torhüterin Hanna Pettersson gleich selber. In der WM-Skorerwertung sind sechs Schwedinnen in den Top-10, die ersten drei Ränge allesamt in schwedischer Hand. Topskorerin Emilie Lindström fehlen nur noch acht Punkte, um zur besten WM-Skorerin aller Zeiten zu werden. Und dies im Alter von 25 Jahren.
Selbstverständnis des Siegers
Gegen den Mix aus blindem Spielverständnis, brillanter Individualtechnik und hoher Laufbereitschaft hatte keine der vier bisherigen Kontrahenten nur den Hauch einer Chance. Seit fünf Jahren hat die Mannschaft von Jan-Erik Vaara erst zweimal knapp verloren. Wenn eine Spielerin wie Sara Kristoffersson nach einem 19:0-Sieg im Viertelfinale sagt, dass sie bislang noch gar nicht an das Halbfinal gegen die Schweiz gedacht hat, dann heisst dies vor allem: Den Schwedinnen ist egal, gegen wen sie spielen, sie sind überzeugt, gegen jeden zu gewinnen. Arrogante Überheblichkeit werden die einen sagen - intaktes Selbstvertrauen des Seriensiegers, die andern.
Vier klare Schweizer Siege
Die Schweizer Frauen-Auswahl hat an einer Weltmeisterschaft noch nie gegen Schweden gewonnen. Überhaupt siegten sie erst einmal (Februar 2005) gegen den dreifachen Weltmeister. Zuletzt verlor die Schweiz am EuroFloorball Turnier in Helsinki Ende November mit 6:11. An der WM in St. Gallen zogen die Schweizerinnen mit vier Siegen und 63:3-Toren ins Halbfinale. Dabei schossen sie 72mal weniger aufs gegnerische Tor als die Schwedinnen (167:239). Das Viertelfinale gegen Lettland (12:1) verkam für Schweizerinnen bis Spielhälfte zum Geduldsspiel. Erst in der 28. Minute fiel das langersehnte 2:1.
Neue Traumlinie
Statistisch gesehen spricht heute wenig für die Schweizerinnen. Von 27 bisherigen Begegnungen verloren sie deren 23, eines wurde gewonnen. Dazu kommen drei Unentschieden, davon nur eines in einem Heimspiel. Chancenlos ist die Schweizer Equipe aber nicht. „Ich denke seit vier Monaten an diese Partie", umschreibt die Schweizer Topskorerin Mirca Anderegg (4., 7 Tore/8 Assists) die Stimmungslage. Im Viertelfinale zeigte ihre Linie mit den Jungstars Julia Suter und Corin Rüttimann ein traumhaftes Zusammenspiel auf höchstem Niveau. Mit fünf Toren in acht Minuten zerlegten „Ju-Mi-Co" (Julia - Mirca - Corin) die Lettinnen in ihre Einzelteile.
Strohalme der Statistik
Neben dem Heimvorteil, sind genau die jungen Spielerinnen das wichtigste Plus der Schweizerinnen. Sie wissen, wie gegen Schweden in einem entscheidenden Spiel gewonnen werden kann. Im U19-WM-Finale 2008 setzten sie sich in einem dramatischen Spiel nach einem Tor von Julia Suter in der Verlängerung mit 8:7 durch. Es gibt aber noch mehr Gründe, warum die Schweiz heute Schweden gewinnen kann. An einem WM-Turnier im Land der Top-3-Nationen (Schweden, Finnland, Schweiz) stand der Gastgeber immer im Finale. Ebenfalls gelang einer Nation noch nie der Titelhattrick (Schweden gewann die beiden letzten Weltmeisterschaften). Ebenfalls spricht das Gesetz der Serie für die Schweiz.
Unterschiedliche Töne
Chancenlos sind die Schweizerinnen also nicht. „Im letzten Spiel gegen Schweden hielten wir 45 Minuten mit, diesmal müssen wir es 60 Minuten durchziehen", sagt Anderegg. Das lautstarke St. Galler Publikum könnte genau die fehlende Energie beisteuern. Und im Gegensatz zu Schweden wurden die Schweizerinnen an dieser WM bereits gefordert. „Ich war fast froh, dass wir auch ein wenig beissen mussten", freute sich Anderegg beinahe über die hartnäckige Gegenwehr der Lettinnen im Viertelfinale. Schweden hatte dagegen noch keine einzige kritische Situation zu überstehen. Dort hiess es nach dem Startdrittel gegen Norwegen nach einer 8:0-Führung in der Kabine: „Nehmt es ein wenig lockerer". So viel Überheblichkeit müsste einfach bestraft werden.