12.
2011
«Mit Kunden ist die Stadtpolizei nicht so tolerant»
Heidi Jud, Sie leben an der Unihockey-WM in St. Gallen in diesen Tagen Ihren Traum. Wie fühlt es sich an?
Heidi Jud: Es ist ein grossartiges Gefühl. Wir leben während zweier Wochen wie Profis. Das ganze Team geniesst diese Zeit. Es ist ein einmaliges Erlebnis. Eine WM im eigenen Land erlebt man so schnell nicht wieder.
Die Stadtpolizei St. Gallen muss ziemlich flexibel sein.
Wieso meinen Sie?
Nun ja, Sie arbeiten dort, und es scheint kein Problem zu sein, dass Sie während der WM vom Dienst fernbleiben.
Stimmt, in solchen Sachen ist sie grosszügig. Wenn es um Leistungssport geht, kommt sie ihren Angestellten entgegen. Mit Kunden ist sie aber nicht so tolerant. (lacht)
Sie sind eine Spätzünderin, und Sie haben sich praktisch aus dem Nichts ins WM-Kader gespielt. Wann haben Sie erstmals ernsthaft daran geglaubt, dass Sie es an die WM schaffen könnten?
Das war beim Nati-Zusammenzug Ende Oktober in Filzbach und bei den darauf folgenden Vorbereitungsspielen in Helsinki. Vor einem Jahr habe ich nicht gedacht, dass ich hier in St. Gallen dabei sein würde.
Experten gehen davon aus, dass Sie bei den Schweizerinnen Goalie Nummer 1 sind. Umso mehr nach dem verletzungsbedingten Out der zweiten Torhüterin Helen Bircher am Tag des WM-Starts. Trotzdem haben Sie an zwei der drei Gruppenspiele nur zugeschaut. Muss man sich um Ihre Gesundheit sorgen?
Nein, ich bin fit.
Aber wäre es angesichts Ihrer internationalen Unerfahrenheit dann nicht besser, wenn Sie Erfahrungen hätten sammeln können?
Das kommt schon noch. Es geht auch darum, die Kräfte richtig einzuteilen und in der entscheidenden Phase nicht übermüdet zu sein.
Mit Schweden wartet im Halbfinal ein Gegner von anderem Kaliber als die bisherigen Gegner. Noch nie konnten die Schweizerinnen an einer WM gegen sie gewinnen. In der Vorbereitung setzte es eine 6:11-Niederlage ab. Wie beurteilen Sie die Chancen Ihres Teams?
Ich denke, unsere Chancen stehen sehr gut.
In Fachkreisen gelten die Schweizerinnen aber als klare Aussenseiterinnen. In einer Play-off-Serie über mehrere Spiele wärt ihr chancenlos, heisst es.
Gegen Schweden geht es darum, das Momentum in diesem einen Spiel auf unsere Seite zu bringen. Mit dem nötigen Glück ist dann alles möglich. Wir sind locker, die Stimmung im Team ist super, wir sind fokussiert, und alle arbeiten füreinander. Die Hochs und Tiefs im bisherigen WM-Verlauf haben uns einander näher gebracht.
Was gab es denn nebst der Verletzung von Goalie Helen Bircher sonst noch für Tiefs? Sie haben doch alle Spiele locker gewonnen.
Das bleibt intern.
Sie sind 27 Jahre alt, haben Familie und sind seit knapp 17 Monaten Mutter eines Sohnes. Wie gehts sportlich nach der WM mit Ihnen weiter?
(überlegt) Das weiss ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Ich lasse es offen. Eines ist aber sicher: Die Familie hat Priorität.
Verspüren Sie keinen Reiz, auch auf Klubebene mal in einem Topteam zu spielen?
Der Reiz wäre schon da. Aber es ist immer eine Frage von Aufwand und Ertrag. Und wie gesagt, die Familie geht vor.
Zeitungs-Interview Jonas Schneeberger (Die Südostschweiz)