10.
2012
Das letzte WM-Camp
Magglingen ist zur zweiten Heimat der Schweizer Nationalspieler geworden. Am Wochenende stand der letzte Zusammenzug vor der WM anfangs Dezember in Bern und Zürich an. Ein Augenschein.
Über Nacht kam der Winter nach Magglingen. Tief verschneit liegt die Eidgenössiche Sportschule im malerischen Ort oberhalb von Biel. Normalerweise ein Ort, von welchem aus auf die Nebeldecke im Berner Seeland hinabgeblickt werden kann. Am letzten Sonntag lag Magglingen selber dick verpackt in einem Wattebausch. Nur vereinzelt sind noch Jogger zu sehen, daneben freuen sich Kinder über den ersten Schlittelplausch im Schnee. Und ganz zuhinterst, vorbei am Kampfsport-, Nordic- und anderen Pavillons, macht die riesige Sporthalle "End der Welt" ihrem Namen alle Ehre. Wer sich durch Schnee und Wind bis zu ihr vorgewagt hat, verlässt die Halle nicht mehr so rasch. In dieser Abgeschiedenheit trainiert die Schweizer Unihockey-Nationalmannschaft. Nicht ganz allein. Kinder spielen Rugby nebenan «und am Samstag liessen sich einige Spieler wohl durch die Kunstturnerinnen in der anderen Halle etwas ablenken», sagt Teamleiter Björn Karlen lächelnd. Die einzelnen Hallen - vier Grossfelder passen in den Komplex - sind nur mit einem Netz abgetrennt.
Zufriedenstellende Entwicklung
Viel Zeit für sportliche Weiterbildung hatten die Natispieler aber nicht. Essen - Trainieren - Theorie - Schlafen, so lauteten die Fixpunkte seit Freitag. Nichts Neues, seit Mai trafen sich die Nationalspieler monatlich in der Eidgenössischen Sportschule, einmal führte der Weg auch nach Näfels. Grosszügig unterstützt Swiss Olympic die Vorbereitung der Unihockey-Nati. Unter Profibedingungen kann sich diese auf die WM vorbereiten. In gut fünf Wochen beginnt die langersehnte Heim-WM. Für Nationaltrainer Petteri Nykky kein Grund zur Hektik. Der Finne macht wie immer keinen gestressten Eindruck. «Die Truppe hat sich gut entwickelt», bilanziert er zufrieden, «nun gilt es, das beste Team für Dezember zu bestimmen.» Die Liste mit den 30 in Frage kommenden Spielern müssen die Schweizer Verantwortlichen bis am 5. November an den internationalen Verband IFF abgeben.
Offene Positionen
Rund 15 Positionen im 20-er WM-Kader seien bestimmt, sagt Nykky. Aber es gibt noch offene Fragen. Martn Hitz (Alligator Malans) und Pascal Meier (Rychenberg Winterthur) stechen um den zweiten Torhüterplatz hinter Daniel Streit (Wiler-Ersigen). Beide erhalten am Wochenende bei der Euro Floorball Tour in Växjö (Schweden) die letzte Möglichkeit, sich für die WM zu empfehlen. Streit, der am Sonntag das Training nach einer wieder aufgetretenen Fussverletzung, vorzeitig beendete, wird zuhause bleiben. Auch unter den Feldspielern sind noch eine Plätze offen. Armin Brunner kämpft, wie seit 2006 jedes Mal, um das WM-Ticket. Ebenso wie sein Malanser Teamkollege Sandro Dominioni, der erst zehn Länderspiele absolviert hat, aber mit acht Toren und 14 Assists auf Rang 2 der nationalen Skorerliste liegt. Noch weniger Spiele - drei an der Zahl - hat Teamküken Manuel Engel (Tigers Langnau) absolviert. Dafür brillierte er an der U19-WM im vergangenen Jahr. «Er bringt alles mit für einen aussergewöhnlichen Spieler», ist Coach Nykky des Lobes voll über den talentierten Sohn von ex-Natihüter Niklaus Engel. Der Langnauer Angreifer wird genauso Gelegenheit haben, sich am Wochenende am EFT in Växjö (Schweden) zu präsentieren, wie Teamkollege Markus Gerber. Dieser hat sich erstaunlich schnell erholt von seiner im Frühling diagnostizierten Diskushernie. Wie ein junges Fohlen dreht er seine Runden auf dem - von den Spielern selber verlegten - WM-Boden. Nur einer ist schneller als alle anderen Natispieler: Joel Krähenbühl wirbelt wie zu seinen besten Zeiten.
«Brauchen flexible Spieler»
Überhaupt überrascht das Tempo, das auch am dritten Tag des letzten Trainingslagers angeschlagen wird. Zwar wird der Körpereinsatz im abschliessenden Trainingsspiel dosiert, dafür halten alle vier Linien das Tempo hoch. Liga-Topskorer Emanuel Antener und Finnland-Legionär Beni Reusser bilden ein höchst kreatives Duo. Christoph Hofbauer wirbelt mit Wiler-Sturmpartner Philipp Fankhauser, daneben wird GC-Verteidiger Pascal Helfenstein als Flügel neben Krähenbühl getestet. Flexibilität ist Naticoach Nykky, wie zu seinen Finnland-Zeiten, sehr wichtig. «Wir brauchen Spieler, die auf allen Positionen spielen können», so der finnische Weltmeistertrainer. Schlechte Karten haben Spieler wie Renato Schneider (Chur), Florian Kuchen (Pixbo, Sd), Nino Wälti (Köniz) oder Christoph Meier (GC), die nicht mehr zum letzten Lehrgang aufgeboten wurden. Ganz dürfen sie die WM nicht abschreiben, «aber die aufgebotenen Spieler haben die besseren Chancen», gibt Nykky unumwunden zu. Einen guten Eindruck hat der Malanser Neuling Tim Braillard hinterlassen, welcher kurzfristig von Freitag bis Samstag für die später eingerückten Reusser und Severin Brandenberger aufgeboten wurde. Ein «Sonderfall» bleibt der verletzte Wiler-Stürmer Adrian Zimmermann. «Wir hoffen sehr, dass er bis WM-Start wieder fit ist», sagt Teamleiter Karlen. Die gute physische Verfassung von Zimmermann sollte viel zur raschen Heilung beitragen. Am 11. November muss die «Final List» mit den 20 WM-Teilnehmern abgegeben werden.
Entscheidung in Schweden
Entscheidend wird nun für die fraglichen Spieler die Euro Floorball Tour am kommenden Wochenende. Ein letztes Mal können die Top-4-Nationen Finnland, Schweden, Tschechien und die Schweiz testen. «Die Resultate sind mir egal», sagt Nykky. Er will vor allem sehen, wie sich das Team gegen die besten Nationen der Welt behaupten kann. Kurz vor Saisonstart verlor die Schweiz in Pardubice gegen Gastgeber Tschechien mit 3:5. Erfolgserlebnisse kurz vor der WM wären trotzdem eminent wichtig. Das weiss auch Natitrainer Nykky. Der Druck wird gross sein in Bern und Zürich. Der Finne hat einen einfachen Ratschlag an seine Schützlinge. «Sie sollen die Atmosphäre geniessen. So schnell bekommen wir nicht mehr die Möglichkeit vor eigenem Publikum zu spielen», so Nykky. Vor der WM werden die Nationalspieler aber nochmals abschalten. Vom 18. bis 23. November geht es an die Wärme. Entweder in Dubai, Lanzarote oder Belek (Türkei) werden die Natispieler nochmals Kraft tanken. Ein bewährtes Rezept von Nykky: Die finnische Nationalmannschaft holte sich vor ihren beiden WM-Titeln 2008 und 2010 ebenfalls den letzten Schliff in wärmeren Gefilden. Der Winter von Magglingen wird dann weit, weit weg sein.