12.
2014
Der zweite Anlauf des Alchimisten
Für einige ist er ein durchgeknallter Vogel, für andere ein Magier. Ab Sonntag nimmt der finnische Querdenker Petteri Nykky in Göteborg den zweiten Anlauf, um mit dem Schweizer Unihockey-Nationalteam an der WM zu reüssieren.
Kloten, 25. November. Petteri Nykky ist soeben am Flughafen gelandet, gekommen aus der Heimat, eiligst transferiert ins nahe gelegene Hotel, an die Bar. An seiner Seite die finnische Entourage im Schweizer Unihockey-Nationalteam: Esa Jussila, zweiter Assistenztrainer neben Remo Manser. Und Samu Kuitunen, dritter Assistent.
Samu Kuitunen. Bei der letzten WM 2012 in Zürich schon inoffiziell stiller Beobachter in Nykkys Hintergrund, ist er jetzt auch auf dem Papier der verlängerte Arm von Nykky. Wie sein Vorgänger Jussi Jäntti sitzt er während der Spiele irgendwo weit oben auf den Tribünen und ist per Headset mit dem Chefcoach verbunden. Er sei ein schlauer Fuchs, ein guter Beobachter und scharfsinniger Analytiker, heisst es über Kuitunen, der auch schon im Eishockeybusiness tätig war und dort mitunter den heutigen Klotener Assistenztrainer Kimmo Rintanen coachte. «Kimu ist der Meister. Ich bin nur sein Lehrling», sagt Nykky. «Und er schaut, dass ich nicht ‘too crazy things' tue.»
Ein ziemlich verrückter Hund
Crazy things. Vieles in Nykkys Leben ist ziemlich «crazy». Neben dem Unihockey-Nationalteam doziert der belesene Motivationskünstler an finnischen Universitäten und coacht Golfspieler - nicht nur mental, denn er ist selbst ein begnadeter Spieler. Derzeit hat der 49-Jährige zwei Golferinnen, die auf der LET, der Ladies European Tour spielen, und einen Universitäts-Golfer unter seinen Fittichen - sieben Tage die Woche kümmere er sich um sie, sagt er. Früher betreute er zudem einen professionellen Pokerspieler.
An den Universitäten spricht der frühere Chemiker darüber, wie man Sportler erfolgreich macht, wie man Menschen dazu bringt, über sich hinauszuwachsen. Im übertragenen Sinn: Wie man aus Metallen Gold schmiedet. «Der Alchemist» lautet deshalb der Titel einer finnischen Biografie über ihn.
«Habe mehr als genug Zeit»
Bleibt da noch Zeit für das Schweizer Nationalteam? «Natürlich. Jetzt habe ich mehr als genug Zeit», sagt Nykky. «Jetzt», weil er vor wenigen Jahren noch umtriebiger war, mehr Golfer begleitete und neben dem finnischen Nationalteam auch noch einen Klub coachte. Es habe Zeiten gegeben, da habe er zu arbeiten angefangen, als seine Familie schlafen ging, erzählt er. «Ich liebe meine Arbeit so sehr, es kommt mir nie vor, als würde ich arbeiten.» In der Zwischenzeit hat er seine Gewohnheiten angepasst.
Die Schweizer Unihockey-Nationalmannschaft coacht Nykky quasi von Finnland aus, auch dank moderner Technik. Nur für die Teamzusammenzüge reist der Mann, der sein Heimatland 2008 und 2010 zweimal zum Weltmeistertitel geführt hatte, jeweils an. Nykkys Ruf ist, abgesehen davon, dass er ziemlich chaotisch sein kann, exzellent. Seine Erfahrung, sein Know-how und seine Motivationskünste sind gefragt. Der Unihockeyverband musste an seine Schmerzgrenze gehen, um ihn nach der letzten WM als Trainer halten zu können.
Kloten. Der heutige Stopp ist nur ein kurzer Zwischenhalt auf Schweizer Boden. Ein Bier an der Hotelbar, eine Gesprächsrunde mit zwei Medienschaffenden, danach die NLA-Hockeypartie der Kloten Flyers in der Kolping-Arena um die Ecke - ein 0:2 der Flyers gegen Ambri. Morgen geht die Reise weiter in die Türkei, ins WM-Vorbereitungscamp mit dem Nationalteam. Dann beginnt das WM-Abenteuer richtig, beginnen die Wochen, «die ich am meisten von allen liebe». Auch vor seiner neunten WM zieht es Nykky im Vorfeld der Titelkämpfe mit seinen Schützlingen in warme Gefilde, wo Unihockey während einigen Tagen in den Hintergrund rückt: «Es geht darum, physisch in Bestform zu kommen und zu einem Team zu werden.»
Motivator und Psychologe
Göteborg. Der WM-Auftakt steht unmittelbar bevor, am Sonntag steht die Schweiz zum ersten Mal im Einsatz. «Meine Spieler sollen jede Sekunde geniessen, den Moment leben, das Turnier zu einem unvergesslichen Erlebnis machen, alle ihre Alltagssorgen ausblenden», fordert Nykky. Für ihn selbst sei das alles Routine, «aber für die Spieler ist es etwas Einmaliges. Dieses ‘Once-in-a-lifetime-Gefühl' soll sie durchs Turnier tragen und zum Erfolg führen». Nykky, der Motivator und Psychologe.
Obwohl die Resultate in der Vorbereitung wenig Gutes verheissen, sprüht Nykky vor Optimismus. Nach der bitteren Halbfinalniederlage gegen Finnland 2012 in Zürich (3:4 n.V.) will Nykky in Göteborg in den Final. «Wir müssen nicht überall besser sein als die anderen. Wir müssen in den richtigen Punkten besser sein.» Nykky, der Philosoph.
Magier oder Träumer?
Ist er ein Genie? Ein Magier? Ein Alchemist? Oder manchmal einfach ein wenig ein Träumer? Die Chancen für die Schweiz sind, nüchtern betrachtet, nicht allzu gross. Zu entrückt scheint Schweden, zu oft hatte Finnland auch in jüngerer Vergangenheit die Nase vorn vor der Schweiz.
Aber wenn einer im Schweizer Unihockey Wunderdinge vollbringen kann, dann Nykky, dieser verrückte Hund.
Zeitungsbericht "Die Südostschweiz"