12.
2016
Gold aus der Sauna
Nach einer durchfeierten Nacht in Riga empfängt Unihockey-Weltmeister Tatu Väänänen Indoor Sports mit kleinen Augen zum Gespräch. Der Kapitän der finnischen Nationalmannschaft und des SV Wiler-Ersigen spricht über den Zusammenhalt im Suomi-Team, über den inspirierenden Auftritt der Schweiz im WM-Halbfinal gegen Schweden und über seinen emotionalsten Moment in Lettland.
Es ist bitterkalt am Ufer des idyllischen Kisezers Sees in Riga. Minus 3 Grad werden gemessen. Tatu Väänänen steht draussen vor dem Mannschaftshotel Mezaparks und blinzelt ins grelle Licht. Der finnische Unihockey-Weltmeister trägt an diesem Morgen nur ein dünnes Leibchen. Er ist hundemüde, doch Väterchen Frost hält ihn wach. Der Kapitän des Suomi-Teams hat seit dem gewonnenen Penaltyschiessen im Final gegen Schweden kein Auge zugetan. «Wir haben durchgefeiert», sagt der 33 Jahre alte Finne mit heiserer Stimme. Um seinen Hals baumelt die Medaille. Die Sonne scheint. Sie verleiht dem Moment einen goldenen Glanz.
Kraftort am Wasser
Am Uferrand ist der See mit einer Eisschicht bedeckt. Ein Holzsteg führt zu einer grünen Blockhütte. «Green Islands» steht auf einer Tafel eingraviert. Eine Datscha? «Nein», antwortet Väänänen. «Das war unsere Sauna. Wir sind jeden Abend hierhergekommen - zur Regeneration, zum Diskutieren, zur Besprechung der Spiele. Hier konnten wir wunderbar abschalten und Kraft tanken», erzählt der Verteidiger des NLA-Leaders SV Wiler-Ersigen. Und ja, er sei zur Abkühlung nach der Sauna ins eiskalte Wasser gesprungen, ergänzt Väänänen und lacht. Er ist der einzige amtierende Unihockey-Weltmeister aus der Indoor-Sports-Familie. Hätte Schweden den Final gewonnen, wären zwei «Schweizer» gekrönt worden: Johan Samuelsson (Unihockey Tigers Langnau) und Rasmus Sundstedt (HC Rychenberg Winterthur).
Schweiz inspiriert Finnland
In der Sauna habe man einen guten Teamgeist heraufbeschworen, meint Väänänen. Selbstredend waren für Finnland auch andere Faktoren entscheidend, um den Rekordweltmeister aus Schweden zu besiegen. Der 1,73 Meter grosse Abwehrspezialist sagt jetzt einen erstaunlichen Satz: «Wir haben uns vom Schweizer Auftritt im Halbfinal gegen Schweden inspirieren lassen.» Das aggressive Forechecking der Eidgenossen hat den grossen Favoriten lange Zeit irritiert. Nach zwei Dritteln stand die Partie 2:2, die Abgesandten von swiss unihockey brachen erst im letzten Abschnitt ein und verloren schliesslich unverdient hoch 2:7.
Finnland hat die Spielweise der Schweizer gegen Schweden perfektioniert. «Wir wussten, dass Schweden das Spiel mit dem Ball bevorzugt. Deshalb haben wir versucht, so oft wie möglich in Ballbesitz zu kommen», erklärt Väänänen den Plan. Statt sich gegen das spielstarke Tre-Kronor-Team auf eine saubere Defensivarbeit zu beschränken und in erster Linie kein Gegentor zu bekommen, hat Finnland mutig nach vorne gespielt und dadurch das (Tummel-)Feld für die technisch überragenden Schweden kleiner gemacht. Der Plan ging auf.
Berührende Geste
Im Penaltyschiessen haben alle finnischen Spieler sicher verwandelt, Schweden scheiterte zweimal. Väänänen verwertete seinen Versuch souverän. «Ich war ganz relaxed. Meine Teamkollegen haben mir viel positive Energie gegeben», sagt Finnlands Spieler des Jahres 2012, 2013 und 2014. Als Tatu Väänänen den WM-Pokal als Erster in Empfang nehmen darf, berührt er mit einer feinen Geste das Publikum in der Halle und die Zuschauer vor dem TV: Der Kapitän reicht die Trophäe an Unihockey-Legende Mika Kohonen weiter. «Mika hatte zum zehnten Mal an einer WM teilgenommen. Ihm gebührte die Ehre, den Pokal als Erster in die Höhe zu stemmen», sagt Väänänen bescheiden. Die Umarmung Kohonens sei für ihn der emotionalste Moment an der 11. Unihockey-WM in Lettland gewesen, sagt der Mann aus der ostfinnischen Stadt Joensuu. Väänänen erzielte in Riga 7 Skorerpunkte (1 Tor/6 Assists). Er wurde ins All-Star-Team berufen.Väänänen hat in Riga seine dritte WM-Goldmedaille gewonnen. Zu Hause liegen bereits die goldenen Plaketten der Titelkämpfe von 2008 in Tschechien und von 2010 in Finnland. «Der WM-Titel 2008 bedeutet mir aber nicht so viel», sagt der dreimalige WM-Silbermedaillengewinner (2006, 2012 und 2014) und WM-Dritte (2004). «Ich hatte mir im letzten Training vor der Eröffnung einen Kreuzbandriss zugezogen und habe keine Minute lang gespielt.»
Präsident gratuliert per SMS
Der finnische Präsident Sauli Niinistö schickte zum dritten WM-Titel des Suomi-Teams ebenso ein Gratulations-SMS wie Exponenten von Alligator Malans (Väänänens Ex-Klub) und Wiler-Ersigen. Am Abend besuchte der Weltmeister das «House of Switzerland», wo ihn seine vier Teamkollegen Matthias Hofbauer, Christoph Hofbauer, Patrick Mendelin und Nicolas Wolf hochleben liessen. «Die ganze Schweizer Nationalmannschaft hat sich mit mir gefreut. Das war schön», sagt Väänänen.
Nach den Feierlichkeiten in Finnland fliegt Tatu Väänänen am Donnerstag in die Schweiz zurück. Am Abend wird er vom SV Wiler-Ersigen zum Training erwartet. «Der WM-Titel ändert nichts an meiner Einstellung zum Unihockey», sagt der sympathische Finne, der mit den Unteremmentalern 2014 und 2015 Schweizer Meister geworden ist. «Ich will jeden Tag mein Bestes geben. Ich möchte die jungen Spieler unterstützen und ihnen ein Vorbild sein.»
Insgesamt fünf Spieler von Wiler-Ersigen haben an der WM in Riga Medaillen gewonnen. Väänänen ist stolz auf diese bemerkenswerte Ausbeute. «In unserer Mannschaft steckt viel Potenzial. Trainer Thomas Berger macht einen sehr guten Job. Ich habe einiges von ihm gelernt», lobt der Familienvater. Seine beiden Söhne Emil (9) und Noel (5) haben den WM-Final zu Hause in Zuchwil mit Mutter Elina im finnischen Fernsehen verfolgt.
Konsequent auf Unihockey setzen
Auf die Frage, was die Schweiz denn machen müsse, um Schweden erstmals zu besiegen, antwortet Väänänen: «Das ist eine schwierige Frage. Die beiden Trainer David Jansson und Esa Jussila haben die Schweiz sowohl gegen uns (die Eidgenossen verloren im Gruppenspiel gegen Finnland 4:6, die Red.) als auch gegen Schweden hervorragend eingestellt.» Womöglich fehle noch die letzte Entschlossenheit, sinniert Väänänen, eine Karriere als Unihockey-Profi einzuschlagen - «so wie wir das in Finnland tun».
Vielleicht sollten die Schweizer Nationalspieler vor einem grossen Spiel zusammen in die Sauna gehen.