Zwischen den Welten
Martin Joss ist mittlerweile zum Nationalverteidiger gereift. Unihockey spielt beim Malanser Abwehrrecken aber nicht die Hauptrolle - Filmemachen ist die grosse Leidenschaft. Eine, die Leiden schafft. Um es gleich vorne weg zu nehmen - dies ist kein Porträt, wie es bei uns in der Vergangenheit oft zu lesen war. Wo über Anfänge, Sternstunden und dunkle Momente der Unihockey-Karriere geschrieben wird. Nein, Martin Joss ist kein typischer NLA-Unihockey-Spieler. Oder nicht mehr. «Früher war Unihockey für mich alles. Mein einziges Lebensziel war, ein NLA-und Nationalspieler zu werden», erzählt der 25-Jährige, der seine ganze bisherige Karriere für Alligator Malans gespielt hat. Heute dreht sich das Leben von Martin Joss vor allem um den Film. Das macht es nicht immer sehr einfach. «Ich lebe in zwei Welten», sagt er, «und dies wird immer mehr zur Belastung.» Parallelwelt nennt er sein Sport- und Beruf(ung)sleben - viele Überschneidungen gibts da nicht. «Auch wenn es für mich nichts Besonderes mehr ist, wenn dir hunderte Leute bei der Arbeit zuschauen. Da bin ich durchs Unihockey schon abgehärtet», findet der Verteidiger zumindest eine Parallele.
Artikel lesen
Zwischen den Welten
Martin Joss ist mittlerweile zum Nationalverteidiger gereift. Unihockey spielt beim Malanser Abwehrrecken aber nicht die Hauptrolle - Filmemachen ist die grosse Leidenschaft. Eine, die Leiden schafft. Um es gleich vorne weg zu nehmen - dies ist kein Porträt, wie es bei uns in der Vergangenheit oft zu lesen war. Wo über Anfänge, Sternstunden und dunkle Momente der Unihockey-Karriere geschrieben wird. Nein, Martin Joss ist kein typischer NLA-Unihockey-Spieler. Oder nicht mehr. «Früher war Unihockey für mich alles. Mein einziges Lebensziel war, ein NLA-und Nationalspieler zu werden», erzählt der 25-Jährige, der seine ganze bisherige Karriere für Alligator Malans gespielt hat. Heute dreht sich das Leben von Martin Joss vor allem um den Film. Das macht es nicht immer sehr einfach. «Ich lebe in zwei Welten», sagt er, «und dies wird immer mehr zur Belastung.» Parallelwelt nennt er sein Sport- und Beruf(ung)sleben - viele Überschneidungen gibts da nicht. «Auch wenn es für mich nichts Besonderes mehr ist, wenn dir hunderte Leute bei der Arbeit zuschauen. Da bin ich durchs Unihockey schon abgehärtet», findet der Verteidiger zumindest eine Parallele.
Zwischen Dreh- und Spielort
Dass er nun in Zürich wohnt und in der ganzen Schweiz bei Filmprojekten mitarbeitet, macht sein Unihockey-Leben nicht eben einfach. «Im Team herrscht viel Verständnis, wenn ich nicht ins Training kommen kann», freut er sich und ergänzt rasch, «mittlerweile». Weniger bei den Malansern Zuschauern, die sich - wie beispielsweise im zweiten Viertelfinalspiel gegen Chur - nach einem fürchterlichen Fehlpass von Joss fragen, wo er wohl mit seinen Gedanken in jenem Moment gewesen war. «Es konnte ja keiner wissen, dass ich direkt von einem Dreh kam, morgens um 6 Uhr aufgestanden und erst dreiviertel Stunden vor Spielbeginn in der Kabine war», klärt er auf. Das von Sonntag auf Freitag verschobene Spiel verpasste er wegen des gleichen Drehs, «bei Spiel 6 musste ich einfach dabei sein und konnte zum Glück den Drehort früher verlassen», erzählt er weiter, «es war hart aus der Ferne zu verfolgen, wie die Teamkollegen verloren.» Auch dank seinem Tor kurz vor der zweiten Pause zum 5:3 und zwei Assists in der Schlussphase gewann Malans und qualifizierte sich für die Halbfinal-Playoffs gegen die Tigers Langnau.
Mit Übersicht und Ruhe
«Ich merke, wie mich die Arbeit beim Film immer mehr einnimmt», sagt er dann mit ernster Stimme. Bei beiden Staffeln der Schweizer Krimi-Erfolgsserie «Der Bestatter» war er 2nd AD (Assistent Director) - für nicht Insider: Quasi zweiter Regie-Assistent. Ein Job, der viel mit Organisieren und Planen zu tun hat. Die Drehvorbereitung läuft zu einem grossen Teil bei ihm zusammen. «Ich liebe das», sagt er mit strahlenden Augen. Der Augenschein auf dem Set bestätigt dies eindrücklich. Statt auf dem Unihockey-Feld muss er im Gewusel des Drehorts die Übersicht behalten. Und genau wie im Alligator-Dress erledigt er die Aufgabe ruhig und souverän. Kein langgezogener «Maaaaaartin»-Ruf, wie er fast im Minutentakt aus irgendeiner Ecke über den Platz hallt, bringt ihn aus der Fassung. Mit einem Lächeln huscht er durch den Mikrokosmos, weist Statisten an den richtigen Ort und erfüllt die Wünsche der Produktion.
Stars auf der Tribüne
Auf dem Set vermeidet es Joss, zu erwähnen, dass er «nebenbei» auch noch in der NLA und der Nationalmannschaft spielt. Wenn er es dann im kleinen Kreis («es ist halt manchmal nicht zu vermeiden») erzählt, «sind die meisten extrem erstaunt, dass beides nebeneinander geht», sagt er lachend. Erkannt wird der 25-Jährige dafür auch schon mal von Statisten. «Ich staune selber, aber ich werde immer wieder angesprochen, ob ich denn nicht der Unihockeyspieler sei.» Selbst Autogrammwünschen musste er nachkommen. Die Filmstars selber sind auch immer wieder sehr «gwundrig», wie sich «ihr Martin» auf dem Spielfeld schlägt. Gilles Tschudi («Lüthi&Blanc») war bei den Playoffs vor einem Jahr ein paar Mal in Maienfeld auf der Tribüne zu sehen. Barbara Terpoorten-Maurer, die Kommissarin aus «der Bestatter», kam mit der ganzen Familie an den Cupfinal. «Und Mike Müller wollte schon mehrmals ein Spiel anschauen, leider hat es terminlich nie geklappt. Auf die Halbfinal-Playoffs hat er es mir aber fest versprochen», erzählt Joss.
Martin Joss mit Bestatter-Star Barbara Terpoorten bei einem Schwatz in Zürich.
Die Joss-Frage
Da sich Drehtage gerne auch mal ziehen können, ist an ein geregeltes Training meist nicht zu denken. Vor gut einem Jahr arbeitete er für den bekannten Schweizer Filmemacher Peter Luisi beim Independent Kinofilm «Schweizer Helden» in Altdorf mit. Geplant war, dass er während dieser Zeit bei B-Ligist Sarnen trainieren würde. Dort sorgt die Frage «Wo ist denn der Joss?» heute noch für Belustigung. «Ja, es stimmt, ich habe alle Trainings verpasst», entschuldigt sich der Angesprochene, «aber es kam zu viel zusammen: Erstens drehten wir auf einer Alp und vor allem hab ich Tag und Nacht gearbeitet.» Das Budget für den Film belief sich auf sieben Millionen Franken, zusammen gekratzt werden konnten aber nur 400'000 Franken. «Wir haben ständig improvisiert, ich hab nie weniger als 16 Stunden täglich gearbeitet.»
Profi in den Playoffs
So blieb der Unihockey-Stock in der Ecke. Vor den Playoff-Viertelfinals fand sich Joss auf der Bank wieder. «Nach dem ersten Wochenende war der Dreh vorüber und ich habe im Training Vollgas gegeben.» Für die Zeit während der Playoffs verzichtete er auf ein weiteres Film-Engagement. Ein buchstäblich hoher Preis: 20'000 Franken gingen flöten. Sportlich lohnte es sich aber. Ab dem nächsten Spiel stand er wieder in der Aufstellung. In den Finalspielen gegen Köniz bildete er mit Rückkehrer Mathias Larsson das beste Malanser Abwehrduo. «Eine absolut geile Zeit», erinnert er sich an seinen ersten grossen Titel. Beim Champions Cup in Tampere schaffte er es als einziger Schweizer Vertreter sogar ins All-Star-Team. Fortan stand sein Name auch wieder im Notizbuch von Nationaltrainer Petteri Nykky. In Schaffhausen und Bratislava gehörte der Landquarter dann auch zum Team. In dieser Saison war er mit bislang zehn Toren und acht Assists so produktiv wie nie zuvor in seiner Karriere - und mit dem Finnen Tommi Aro Alligators gefährlichster Verteidiger.
Ruhe gefunden
Trotz der grossen Belastung durch den Job reizt der Sport den grossgewachsenen Verteidiger nach wie vor. «Ich bin ein Wettkampftyp», sagt er selber, «und sehr ehrgeizig». Stehen keine Film-Projekte an, gibt er im Training jeweils doppelt Gas. Das Sommertraining bestritt er alleine. Der gestrenge Fitness-Freak Akseli Ahtiainen vertraute ihm. «Beim Abschlusstest im Sommer schnitt ich sehr gut ab, seither sind die Diskussionen verstummt», sagt er erfreut. Dass Joss konstant hohe Leistungen zeigt, hängt auch mit seinem Job zusammen. «Ich bin viel ruhiger geworden, seit ich meinen Platz beim Film gefunden habe», so Joss, «früher ist die ganze Welt zusammengebrochen, wenn ich schlecht gespielt habe oder wir verloren haben. Heute ist die Unihockey-Welt deutlich kleiner geworden.»
Auch der Umzug ins Zürcher Niederdorf, wo er mit einem Regie-Kollegen und einem Schauspieler eine klassische Künstler-Single-WG bildet, tat Joss gut. «Mir gefällt es ausgezeichnet hier. Die räumliche Trennung zwischen Sport und Beruf ist für mich ideal. In Zürich kennt man mich als Filmer, in Graubünden als Sportler.» Sagts und entschuldigt sich herzlich. Es ist 21.30 Uhr. Während dem Interview hat dreimal das Telefon geklingelt. Der nächste Drehtag will besprochen sein. An Unihockey denkt Martin Joss nun nicht mehr. Und ist glücklich dabei.
Das filmische Interview, das sportliche Interview und weitere Infos zu Martin Joss lesen Sie in der gedruckten Ausgabe.