02.
2019
Der löchrige Ball im Hogerland
Im Verwaltungskreis Emmental gibt es aktuell elf Unihockeyvereine - überdurchschnittlich viele. Warum ist das so, und weshalb sind die meisten auch noch konkurrenzfähig? Die «Berner Zeitung» ist dieser Frage nachgegangen und hat interessante Antworten bekommen.
Die SCL Tigers sind stark wie selten. Schon vor Neujahr wurde das Wort Playoff in und um die Ilfishalle immer wieder geflüstert, laut aussprechen würde es der Emmentaler nie, zu bescheiden ist er. Dass es gleich so weit kommt und die Tigers wie einst 1976 am Ende den Schweizer-Meister-Pokal stemmen, damit rechnet natürlich niemand, käme doch schon eine Playoff-Qualifikation einem Titel sehr nahe. Aber der gelbe Tiger auf schwarzem Grund, den ein roter Ring umrahmt, ist im ganzen Land ein Begriff. Das dachten sich Mitte der Nullerjahre auch die Unihockeyler aus Zäziwil und Gauchern. Einige Jahre zuvor hatten sich die beiden Nationalliga-A-Clubs zusammengeschlossen, doch wirtschaftlich und sportlich musste etwas gehen, um konkurrenzfähig zu bleiben. So klopften sie beim grossen Bruder auf Eis an und traten fortan als Unihockey Tigers in der höchsten Schweizer Liga an.
Nicht die einzigen
Dass sich dies wirtschaftlich gelohnt hat, davon sind die Verantwortlichen noch heute überzeugt. Auch die sportliche Ausbeute lässt sich sehen: Viermal wurden die Tigers Cupsieger, dreimal standen sie im Meisterschaftsfinal. Der jeweilige Gegner: Wiler-Ersigen. Ebenfalls ein Club aus dem Emmental, wenn auch aus dem untersten Teil. Wiler-Ersigen ist nicht irgendein Club, elf Meistertitel, drei Cup siege und ein Europapokal-Triumph stehen im Palmarès des Vereins zu Buche, was ihn zu einem der erfolgreichsten im Schweizer Unihockey macht.
Doch auch neben den beiden Männer-Nationalliga-A-Teams und dem UHV Skorpion Zollbrück sowie den Wizards Bern Burgdorf, die bei den Damen in der höchsten Spielklasse vertreten sind, hat das Emmental so einiges an Unihockeymannschaften zu bieten: Eggiwil, Krauchtal, Heimiswil, Schüpbach oder Schangnau - ganze elf Vereine sind im Verwaltungskreis angesiedelt. Rechnet man die Clubs aus dem angrenzenden Mittelland hinzu, die sich teilweise auch als Emmentaler bezeichnen und mit ihnen zusammenarbeiten, sind es sogar sechzehn. Ein Beispiel für die Dichte: Sechs Clubs sind auf einer Fläche von knapp 60 Quadratkilometern verteilt, dies entspricht etwa der Gemeindefläche von Sumiswald.
Die Dörfli-Mannschaft
Michael Zoss, Geschäftsleiter vom Verband Swiss Unihockey, hat eine These für den Ursprung: «In den 80er-Jahren, als die Unihockeybewegung in der Schweiz ihren Anfang nahm, waren die meisten Spieler verkappte Eishockeyaner.» Durch die immense Identifikation mit den SCL Tigers sei das Hockeygen in der Emmentaler Bevölkerung vorhanden gewesen, jedoch habe es zu wenig Eishallen gegeben. «Ausserdem war und ist Unihockey bedeutend billiger.» Dass der niedrige Preis ein Kriterium gewesen sei, davon sind auch Hans Hirschi und Stefan Schärer überzeugt. Schärer ist Vorstandsmitglied bei den Unihockey Tigers, Hirschi Präsident des UHT Schüpbach.
UHT. Auch so eine unihockeyanische Eigenart. Ausgeschrieben heisst das Unihockeyteam. «Damals gründeten einige Kollegen zusammen eine Mannschaft und nannten sich entsprechend einfach Team. Daraus wuchsen dann die heutigen Vereine», sagt Zoss. Dass es wirklich im Kleinen begann, ist auch in der Jubiläumschronik der Unihockey Tigers nachzulesen: Sowohl das UHT Zäziwil als auch das UHT Torpedo Gauchern taten sich zu Beginn schwer, ortsfremde Personen im Verein aufzunehmen. Im Zäziwiler HV-Protokoll von 1986 steht beispielsweise: «Wichtig scheint uns aber auch, dass das UHT Zäziwil weiterhin eine Dörfli-Mannschaft bleibt.» Und in Gauchern mussten 1988 neue und ortsfremde Spieler einen «lückenlosen Trainingsbesuch» vorweisen können, unterlagen einer «technischen Probezeit», und der Mitgliederbeitrag war für sie 20 Franken höher. Doch bereits auf die Saison 1992/1993 engagierte man in Röthenbach (Gauchern) erstmals einen auswärtigen Trainer. Vier Jahre zuvor hatte der Vorstand den Übungsleiter noch per Zeitungsinserat gesucht.
Die Provinzclubs
Zurück zu den Gründen für die Unihockeydichte: Hans Hirschi von Schüpbach meint: «Zum Boom im Emmental hat bestimmt auch beigetragen, dass Zäziwil, Schüpbach und Gauchern sehr schnell erfolgreich waren.» Das stimmt: Die erste offizielle Schweizer Meisterschaft 1985 gewann das UHT Zäziwil. Eine weitere Ursache ist für Stefan Schärer gesellschaftspolitischer Natur: Das Emmental sei eine strukturschwache Region, und er spricht wieder den relativ geringen Preis an. Und gerade Regionen mit einer kleinen wirtschaftlichen Wertschöpfung scheinen im Unihockey besonders gut zu sein: Siebzehnmal ging der Meistertitel bei den Männern in den Kanton Graubünden, elfmal nach Wiler bei Utzenstorf und nur gerade einmal in die Weltstadt Zürich. Zur Veranschaulichung: In den Jahren 2004 bis 2015 machten der SV Wiler-Ersigen und der UHC Alligator Malans den Titel jeweils unter sich aus. Die Gemeinden Wiler und Malans zählen zusammengenommen nur etwas mehr als 3000 Einwohner.
Die Zusammenarbeit
Eine Anfrage bei Reto Luginbühl, Präsident von Wiler-Ersigen, zeigt, dass sich die Unteremmentaler gar nicht wirklich als Emmentaler fühlen: «Wir orientieren uns gegen das Mittelland», so Luginbühl. So arbeite man eher mit Burgdorf, Langenthal und Solothurn zusammen als mit den Oberemmentalern. Das Fanionteam trägt seine Heimspiele beispielsweise in Kirchberg oder Zuchwil aus. Das bringe auch Vorteile: «In der näheren Umgebung gibt es weder ein Eishockey- noch ein Fussballteam, das in der obersten Stärkeklasse spielt.» Stimmt: Im Eishockey herrscht zwischen Bern, Biel, Langnau und Zürich ein Vakuum, im Fussball sogar in der Region zwischen Bern, Basel, Luzern und Zürich. Ein guter Nährboden für den ländlichen Unihockeysport.
Während sich Wiler über die Kantonsgrenzen hinaus orientiert, gibts im oberen Teil des Tals seit zwei Jahren eine engere Zusammenarbeit der Vereine: Grünenmatt, Eggiwil, Schüpbach, Konolfingen, Arni, Utzigen und die Unihockey Tigers machen in sportlichen Belangen teils gemeinsame Sache - dies aber nur bei den Herren. Die Damen ihrerseits sind vorwiegend unter dem Dach der Skorpions Zollbrück vereinigt. Während sich Vorstandsmitglieder verschiedener Vereine für eine noch nähere Zusammenarbeit aussprechen, finden andere die trotz allem vorhandene Konkurrenz befruchtend.
Das Hallenproblem
Ein Problem bleibt aber bestehen. Es gibt zu wenige Hallen im Emmental. Schon 1984, an der ersten Hauptversammlung des UHT Zäziwil, wurde auf dieses Problem hingewiesen. Auch heute scheint es noch nicht gelöst zu sein. Wobei fast jedes Dorf und jeder Weiler eine eigene Turnhalle hat. Das Problem ist, genügend grosse Hallen zu finden. In den Nationalligen und teilweise bis hinunter in die 4. Liga wird auf dem Grossfeld gespielt - dafür braucht es eine Dreifachturnhalle.
Im Verwaltungskreis gibt es solche nur in Sumiswald, Burgdorf, Kirchberg, Zollbrück und bald auch in Langnau. Das reicht für die vielen Clubs nicht aus Und besonders die Eishockeyler der SCL Tigers scheinen den Kollegen aus der Halle vor der Sonne gestanden zu sein. Während 2012 die Ilfishalle umfassend renoviert wurde, stand das Projekt Dreifachturnhalle seit dreissig Jahren mehr oder weniger in den Startlöchern. Dies, obwohl die Unihockeyaner das Pendant auf Eis zahlenmässig mittlerweile überflügeln.
Quelle: «Berner Zeitung», von Benjamin Lauener.