12.
2015
Teutonisches Trio in Chur
Mit Jan-Niklas Buckermann, Marius Mildner und Sebastian Spöhle stehen derzeit drei junge deutsche Unihockeyaner in den Diensten der Churer U21-Equipe. Ein ungewöhnliches Experiment.
Mit «Wir sind die Doofen» begrüssten die deutschen Komiker Wigald Boning und Olli Dittrich in den 90er-Jahren ihr Publikum bei Konzerten. Mit «Wir sind die Deutschen» stellen sich Jan-Niklas Buckermann, Marius Mildner und Sebastian Spöhle im Gespräch vor. Von doof ist das Trio aber weit entfernt - die drei munteren jungen Herren spielen seit August im U21-Team Chur Unihockeys.
Als «Auslandsjahr» zwischen Abitur und Studium bezeichnen die drei den Aufenthalt in Chur. Denn Unihockey ist eine der wenigen Sportarten, in welcher die Schweiz in der Entwicklung um einiges weiter ist, als in Deutschland. Dort besitzen knapp 6000 Spielerinnen und Spieler eine Lizenz, in der Schweiz sind es über 30'000 - bei zehnmal kleinerer Einwohnerzahl.
Die Verhältnisse in Deutschland sind überschaubar, vor allem in den neuen Bundesländern erfreut sich Floorball, wie Unihockey in Deutschland heisst, grosser Beliebtheit. Es mangelt an vielem, der Spielbetrieb bei den Frauen auf Grossfeld wurde beispielsweise mangels Teams eingestellt. Die Mehrzahl der deutschen Spielerinnen, die kürzlich an der WM den 6. Rang belegten, spielt bei den Männern in der 2. Bundesliga oder in Schweizer Ligen.
Ziehvater Berger
Einer der Enthusiasten, die sich in Deutschland engagieren, ist der Jeninser Unihockeytrainer Thomas Berger, der aktuell die U21-Mannschaft Chur Unihockeys betreut. Seit zweieinhalb Jahren leitet er auch die deutsche U19-Nationalmannschaft. Jenen Spielern dort bot er an, sich in Chur quasi «weiterzubilden». Buckermann (Dümpten), Mildner (Wernigerode) und Spöhle (Bonn) meldeten sich daraufhin bei Berger. Auf das Trio, das sich bislang nur aus der U19 kannte, wartete eine grosse Herausforderung. Ein neues Land, ein neues Team, erstmals eine Arbeitsstelle - und erstmals auch einen Haushalt führen. «Mittlerweile bekommen wir es ganz gut gebacken», sagt Buckermann, dessen Eltern anfangs dem WG-Trio über die Schultern schauten.
Viel profitiert
Die Integration sei sehr einfach gewesen, sagen alle unisono. Die Jobs waren organisiert, Schweizerdeutsch zu verstehen, sei auch kein Problem, selber sprechen, dann doch lieber nicht. «Auch wenn wir mit Hochdeutsch bei den Churer Frauen nicht punkten können», wie Torhüter Spöhle lachend erzählt. Dieser kam übrigens schon früher mit Chur in Kontakt. Der ehemalige Torpedo-Chur-Goalie Rico Mazzoleni hütete früher das Tor der Schwimm- und Sportfreunde Bonn in der 2. Bundesliga und war einer der Lehrmeister Spöhles.
Persönlich konnten alle drei schon, wie erhofft, sehr von der neuen Herausforderung profitieren. «Das Niveau in der U21-A-Kategorie hier ist ähnlich hoch, wie bei den meisten Teams in der 1. Bundesliga», urteilen die drei. Sportlich lief es unterschiedlich. Während Center Buckermann zu den Leistungsträgern gehört, fand sich Verteidiger Mildner länger auf der Ersatzbank und Torhüter Spöhle muss oft der ein Jahr älteren Nummer 1 Sandro Breu den Vortritt lassen. Dazu krebst die Churer U21-Equipe am Tabellenende herum. Sechs Punkte fehlen derzeit auf die Play-offs. «Wir schaffen das noch», ist das deutsche Trio aber überzeugt. Besondere Freude kommt jeweils dann auf, wenn eine Einladung zum NLA-Training erfolgt.
Fortsetzung offen
Die Unterschiede zu Deutschland seien riesig, vor allem in Sachen Organisation und Akzeptanz. «Hier kennt jeder Unihockey, zuhause müssen wir oft erklären, was für einen Sport wir ausüben», hat Spöhle festgestellt. Ob das Abenteuer in der Schweiz nach Ablauf der Saison eine Fortsetzung erfährt, ist noch nicht entschieden. Mildner tendiert darauf, sein Studium zu beginnen, während sich Spöhle und Buckermann eher einen Verbleib vorstellen könnten. Im November waren sie erstmals mit der deutschen A-Nationalmannschaft unterwegs. Eine weitere Saison in der Schweiz würde da mit Sicherheit helfen.
Zeitungsbericht "Die Südostschweiz"