07.
2002
Interview mit Peter Düggeli - Coach von Rot-Weiss Chur
Ich komme gar nicht darum herum, dich zu fragen,
was dich bewogen hat, als langjähriger Torpedianer zum Erzrivalen Rot-Weiss Chur
zu wechseln!
Mythen, Mythen und nochmals Mythen! Die Zeiten der
Erzrivalen und der Derbys mit tonnenweise verbalen und z.T. auch handgreiflichen
Attacken sind doch vorbei. Ebenso bezeichne ich das mit der lebenslangen
Vereinstreue als Mythos. Irgendwann in den letzten 200 Jahren haben die Menschen
gemerkt, dass sie frei sind und genauso frei entscheiden können. Das trifft auch
auf die Wahl von Sportvereinen zu. Ich bin Gründungs- und Ehrenmitglied bei
Torpedo und der Meinung, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt bei Rot-Weiss tätig
sein will. Aufgrund meiner Erfahrungen und Ausbildungen werde ich Rot-Weiss viel
bringen können. Umgekehrt freue ich mich aber auch bei Rot-Weiss viel lernen zu
können.
Du hast schon Erfahrungen gesammelt als Trainer.
Was waren die grössten Erlebnisse?
Nur
eines von vielen: In der Saison als Trainer bei den Torps NL-A hatten wir einen
Lauf mit 11 Spielen ohne Niederlage. Es war phantastisch wie die Gruppe
funktionierte, und sich einen Sieg nach dem anderen erspielte…
Es gab sicher auch weniger schöne Momente,
oder?
Ja, als wir nach eben dieser
Serie einbrachen und im letzten Spiel der Qualifikation die Playoffs verpassten.
Rot-Weiss Chur steigt nächste Saison einmal
nicht als Gejagter ins Rennen, sondern als Jäger des Spitzenduos, Alligator und
Wiler! Wie gedenkst du diesen zwei Teams ein Schnippchen zu
schlagen?
Ich kenne aus meiner
sportlichen Karriere die Rolle des Jägers doch relativ gut… Ich konnte mich 14
Jahre darin üben, ohne allerdings viel sammeln zu können. Genau das möchte ich
jetzt ändern. Die Mannschaft, das Umfeld und der Trainerstab, wie ich das alles
bis jetzt kennen lernen durfte, stimmen mich zuversichtlich, dass wir diesen
beiden und allen anderen Mannschaften mehr als nur ein Schnippchen schlagen
werden, um uns in einem Jahr wieder in der anderen Rolle zu wissen.
Was sind deine persönlichen Ziele für die
kommende Saison?
Ein Referent in meiner
Trainerausbildung hat mich mit der Trilogie vom Notwendigen-zum Nützlichen-zum
Souveränen bekannt gemacht. Mit dieser Trilogie kann alles Lernen und jede
Entwicklung charakterisiert werden. Meine Traineraktivitäten bei Torpedo waren
für mich und meinen Einstieg in den Trainerjob notwendig, die zweijährige Pause
und die Ausbildung bei Swiss Olympic äusserst nützlich…, so viel zu den
Zielen.
Wo siehst du als ehemals Aussenstehender die
grössten Stärken und Schwächen des UHC Rot-Weiss
Chur?
Einigen wir uns auf eine Stärke
und eine Schwäche; zuerst die Stärke. So abgedroschen die Phrase auch sein mag,
ich sah und sehe bei Rot-Weiss immer wieder, DASS und WIE Erfolg verpflichtet;
verpflichtet, sich in unzähligen Trainings immer wieder von Neuem verbessern zu
wollen, zielorientiert zu arbeiten, sich auf sich selbst zu konzentrieren, egal
ob die Übung sinnvoll ist oder der Mitspieler einen schlechten Tag erwischt hat,
etc. Diese Mentalität wurde in den letzten Jahren durch viele Charakterköpfe auf
dem Trainerposten wie auf dem Spielfeld geprägt. Ich glaube, dass sie in diesem
Masse nur bei Rot-Weiss vorhanden ist.
Eine Schwäche des Vereins ist meiner
Meinung nach, dass er es in den so genannten fetten Jahren verpasst hat,
regelmässig Junioren in die NL-A einzubauen. Das grosse Umdenken hat erst vor
einem jahr nach den Kollektivrücktritten eingesetzt. Wenn ich denke wie gross
die Juniorenbewegung von Rot-Weiss immer schon war, und wie wenige Spieler
tatsächlich den Sprung in die erste Mannschaft schafften, habe ich schon das
Gefühl, dass zum Teil nicht ganz ideal selektioniert wurde. Mit Blick auf die
aktuelle Kaderliste stellt man fest, dass vor allem in den Jahrgängen '75- '78
keine "eigenen" Spieler vorhanden sind. In diesem Bereich muss in Zukunft
sorgfältiger gearbeitet werden.
Wie sind die Aufgaben im Trainerstab nächste
Saison verteilt?
Markus Wolf ist der
Chef. Aus unserer gemeinsamen Zeit bei Torpedo (Spieler und Trainer) kennen wir
uns sehr gut. Wir ergänzen uns optimal. Aufgrund dieser Tatsache und aufgrund
meiner limitierten zeitlichen Verfügbarkeit (evtl. Studium, Wohnort) wird Markus
mich dort einsetzen, wo ich für den Erfolg am meisten beisteuern
kann.
Was denkst du im Allgemeinen über das Niveau der
NLA?
In unserer Gesellschaft nimmt die
Individualisierung immer groteskere Züge an. Im Sport, gerade auch im Unihockey
stelle ich den gegenteiligen Trend fest. Seit der Einführung von
Juniorenmannschaften im SUHV vor etwa zehn Jahren sind die Jugendlichen in
unzähligen Trainings zunehmend verschult und dadurch uniformisiert worden; nach
dem Motto, dass alle das Gleiche lernen und können sollen. Der Phantasie und
v.a. der Talente des Einzelnen wurde dabei nicht genügend Rechnung getragen.
Kreativität und Spielwitz wurden/werden zu früh durch scheinbar ausgeklügelte
(?!?) Taktiken der Trainer marginalisiert; Freiräume für die individuelle
Entwicklung fehlen. Wo sind die Tellis, Reinmanns und Engels der Jahrgänge 78
und jünger? Willst du immer noch, dass ich etwas über das Niveau der NL-A
sage?
In letzter Zeit wurde ja unglaublich viel über
das Projekt GC diskutiert. Wie denkst du über diese Fusion und wie siehst du die
Chancen des Stadtzürcher Grossvereins?
Naja, im Raum Zürich haben wir in den letzten zwei Jahren einige
Fusionen beobachten können…; im Ernst: ich bin überzeugt, dass Fusionen für die
Entwicklung des Schweizer Unihockeys bei den Damen und den Herren absolut
notwenig sind. Ich war im letzten Jahr selbst in einer sehr engagierten
Arbeitsgruppe tätig, welche sich mit der Fusion auf dem Platz Chur beschäftigte.
Genauso wichtig wie die Fusion ist aber deren Planung und Umsetzung. Viele
Fusionen sind Verlegenheitsprodukte, Schnellschüsse, oftmals reicht die Zeit
nicht aus, sich eine Strategie eine Vision zurechtlegen zu können. Die operative
Hektik hat zur Folge, dass ohne Konzept von der ersten Minute an schon wieder
Schadensbegrenzung betrieben werden muss. Nebst der fehlenden Strategie ist bei
Fusionen oft ein Problem, dass zwar Strukturen miteinander verheiratet werden,
dass aber das Zusammenbringen der Kulturen völlig ausser Acht gelassen wird.
Ebenfalls sollte bei einer Fusion ganz klar auch die Qualität in der Ausbildung
bis zum kleinsten Unihockeyschüler erhöht werden. Nur ein grosser Name bewirkt
noch gar nichts. Wenn GC diese Tipps zu Herzen nimmt, kann ich mir vorstellen,
dass durchaus ein sehr gutes und auf mittelfristig erfolgreiches Produkt
entsteht.
Vielen Dank für das Gespräch und herzlich willkommen beim Rekordmeister!