12.
2023
Wirblige Französin und Erklärungsnot
Weltmeisterschaften sorgen auch abseits der Top-4-Nationen immer wieder für interessante Geschichten. So spielte sich am Ende der Tabelle eine Stürmerin von Gurmels ins Rampenlicht, während für einen Schweizer Schiedsrichter das Turnier bereits früh endete. Ein grosses Thema war auch der spärliche Zuschaueraufmarsch sowie stotternde Livestreams.
Hinter den Top-Nationen sorgen Weltmeisterschaften auch bei kleineren Ländern immer wieder für unvergessliche Emotionen. Frankreich bejubelte den 15. Platz beispielsweise wie den Weltmeistertitel. Für Norwegen verlief das Turnier dagegen enttäuschend, für den grössten Gesprächsstoff sorgten allerdings die leeren Hallen.
Überraschungsteams
Erstmals überhaupt durfte Frankreich an einer Weltmeisterschaft mitmachen. «Les bleues» überraschten in der Vorrunde mit einem Unentschieden gegen Australien (5:5) und holten sich gegen denselben Gegner im Spiel gegen den vorletzten Platz den ersten Sieg.
Den grössten Sprung realisierte Japan, das die Gruppe D mit Siegen über Dänemark (3:2) und die USA (8:5) sowie einem Unentschieden gegen Estland (3:3) gewann. Zwar verloren die Asiatinnen das Playoff-Spiel gegen Lettland (5:8), schlugen danach aber Singapur (4:3) und Deutschland (4:1). Den 9. Schlussrang erreichte Japan letztmals vor 20 Jahren.
Auch Dänemarks 8. Platz ist grossen Respekt zu zollen, traten die Skandinavierinnen doch mit einem stark verjüngten Team an.
Tschechien gelang es derweil nach zwölf Jahren wieder einmal eine Medaille zu gewinnen. Die Osteuropäerinnen ziehen damit im Medaillenspiegel (endlich) mit Norwegen gleich.
Entdeckungen
Fernab von den grossen Namen wie Wibron, Kauppi, Krupnova oder Rüttimann machen an interkontinentalen Wettkämpfen auch immer wieder Akteurinnen von kleineren Nationen auf sich aufmerksam. Frankreichs Höhenflug war eng mit Marine Klopfenstein verbunden. Die Stürmerin des 1. Liga-Teams Gurmels war die Frau für die wichtigen Tore. Beim ersten WM-Punkt in der Gruppephase gegen Australien waren es noch zwei, im Platzierungsspiel dann sogar deren vier. Die 23-Jährige fiel immer wieder durch ihre Agilität und ihren Torhunger auf. Mit 10 Skorerpunkten (7+3) belegt sie in der Skorerliste den 17. Platz. Gar in die Top-10 schaffte es Yui Goto. Bei ihrer sechsten WM gelangen der Stürmerin aus Tokyo 14 Skorerpunkte (6+5).
Marine Klopfenstein sorgte für Furore. (Bild: IFF)
Enttäuschung
In der Gruppenphase hielt Norwegen sogar mit den Top-Nationen einigermassen gut mit und besiegte Lettland mit 4:3. Doch im Playoff-Spiel wurde durch eine schmerzliche Overtime-Niederlage gegen Dänemark der Viertelfinal-Einzug verpasst. Es kam gar noch schlimmer: auch gegen Deutschland reichte es nicht, womit gegen Singapur um den elften Platz gespielt werden musste. Immerhin zeigten die Skandinavierinnen dort, dass sie es eigentlich besser können. Trotzdem ist der 11. Schlussrang das schlechteste Ergebnis an einer WM. 1997 und 2001 holte Norwegen die Bronzemedaille.
Unglücksraben
Sie hatten sich so sehr auf die WM gefreut. Marcel Siegfried und Ralph Keel wurden vom IFF neben Davide Rampoldi und Christian Crivelli als zweites Schweizer Schiedsrichter-Duo für die Spiele in Singapur nominiert. Doch dann der Schock: im zweiten Spiel spürte Siegfried plötzlich einen Stich in der Wade. Er kämpfte sich zwar noch durch die Partie, wusste aber sofort, dass es etwas Schlimmeres ist. Das Turnier war für ihn nach zwei Tagen schon vorbei. Partner Keel schloss sich danach dem Duo Rampoldi/Crivelli an und durfte am Dienstag wieder pfeiffen.
Verlierer
Manch ein Beobachter rümpfte schon die Nase, als bekannt wurde, dass die 14. Frauen-WM in Singapur stattfindet. Dem IFF gelang es während der ganzen Woche nicht, die Bedenken zu beseitigen - von Unihockey-Euphorie war weit und breit nichts zu spüren. Gastgeber Singapur spielte ordentlich, dessen Spiele besuchten trotzdem nur ein paar hundert Zuschauer.
Das Bild der riesigen aber praktisch leeren Arena am Finaltag muss für jeden Unihockey-Fan ein Stich ins Herz gewesen sein. Eine Handvoll Zuschauer der Top-Nationen, die den langen und beschwerlichen Weg auf sich nahmen, sorgten zumindest für etwas Stimmung - von einheimischen Interessierten war allerdings keine Spur. Die Aussage von IFF-Präsident Tomas Eriksson auf SRF, man müsse mit den Organisatoren sprechen und analysieren, weshalb nicht mehr Zuschauer in die Halle kamen, löste ebenfalls viel Stirnrunzeln aus. SRF-Experte Kaspar Schmocker fragte zu Recht: «Man wusste ja schon vorher, dass Singapur keine Erfahrung hat. Weshalb hat man den Organisatoren denn nicht schon vorher geholfen?»
Auch Tiffany Gerber nahm in einem Interview auf der IFF-Homepage kein Blatt vor den Mund: «In all meinen Jahren habe ich noch nie vor so wenigen Leuten gespielt. Vor 18 Jahren war es hier ein richtiges Unihockey-Fest mit vielen Zuschauern.»
Ein schlechtes Bild gab der IFF auch in der Bild-Vermarktung ab. Livestreams, die sich die Zuschauer aus der Ferne für 7 Euro kaufen mussten, stürzten zum Teil ab und einige Highlights wurden herzlos und fehelerhaft zusammengeschnitten. Die Verärgerung in der Unihockey-Community war gross.
IFF-Präsident Tomas Eriksson geriet zusehends in Erklärungsnot. (Bild: IFF)