11.
2016
Jansson: "Absichtliches Chaos erzeugen"
Der Nationaltrainer der Herren erklärt vor der anstehenden Euro Floorball Tour (EFT) in Växjö (SWE) wie weit das jetzige Kader vom WM-Team entfernt ist, spricht über die Entwicklung seiner Mannschaft und nimmt ausführlich zu den Situationen einzelner Spieler Stellung.
unihockey.ch: David Jansson, am Freitag bestreitet die Nationalmannschaft der Herren an der EFT in Växjö die letzten Testspiele vor der Weltmeisterschaft in Riga. Du hattest das Team bereits am letzten Wochenende zusammen. Worauf wurde das Hauptaugenmerk in den Trainings gelegt?
David Jansson: Zum einen haben wir Tests im physischen Bereich gemacht. Dann aber auch viel mit Ball trainiert, dabei unser Defensiv- und Offensivspiel verfeinert. Auch an den Special Teams konnten wir intensiver arbeiten. Ein grosses Thema war bei diesem Zusammenzug auch die Kommunikation.
Worum ging es dabei konkret?
Wir wollen, dass der ganze Fünferblock mit klaren und definierten Anweisungen untereinander kommuniziert. Das erfordert aber, dass jeder weiss, was genau er dem Mitspieler in bestimmten Situationen sagen muss.
Und wie nahm die Mannschaft diese Aufforderung auf?
Gut. Der eine oder andere muss halt etwas über seinen Schatten springen, weil er eher ein ruhigerer Typ ist. Wir ermutigen aber jeden, lieber zu viel, als zu wenig zu sagen. Ich hatte Freude, als ich bei den Linienbesprechungen reinhörte und hie und da schon meine Ausdrücke hörte - wohlbemerkt in grammatikalisch korrektem Deutsch (lacht). Die Spieler haben also die Message verstanden. Jetzt geht es nur noch darum, sie in der Praxis umzusetzen.
Was für Ziele hast Du mit dem Team für die Spiele gegen Schweden, Finnland und Tschechien festgelegt?
Es ist nicht mehr so wie früher, dass die Finnen nur voll pressen kommen und die Schweden eher aus einer gefestigten Defensive angreifen. Alle Nationen sind in den letzten zwei Jahren taktisch flexibler geworden. Uns ist es wichtig, zu agieren, statt zu reagieren. Wir wollen so variabel wie möglich sein, uns unberechenbarer für den Gegner machen und dadurch auch weiteres Know-How gewinnen, welches wir bis zur WM weiterverarbeiten können.
Ist die Schweiz denn jetzt so weit, um auch die Schweden mit einem hohen 1:2:2-System angreifen zu können?
Ein hohes Pressing-System gehört zweifellos zu unserem Repertoire. Wir haben es schon vermehrt angewendet - auch gegen die Topnationen. Im Spiel ohne Ball wollen wir jedoch mehrere Möglichkeiten haben und flexibel bleiben. Dabei ist es auch wichtig, dass wir nicht nur mit viel Struktur agieren, sondern manchmal auch absichtlich ein Chaos erzeugen. Aber um auf deine Frage zurückzukommen: ja, ich traue meiner Mannschaft zu, auch die Besten hoch unter Druck zu setzen. Wie oft und wann wir dies genau anwenden werden, kann ich aber noch nicht beantworten.
Hand aufs Herz: wie weit wird sich das EFT-Aufgebot vom WM-Kader unterscheiden?
Natürlich wird der Grossteil der Spieler, die nach Växjö reisen, auch in Riga dabei sein. Alles andere wäre gelogen. Aber es gibt schon noch die eine oder andere offene Position. Momentan sind wir daran, die drei Linien mit welchen wir an der WM starten wollen, zu finden. Aber auch die Nomination der Spieler 16 bis 18 - also diejenigen ausserhalb der Startformationen - ist noch nicht festgelegt. Die Wichtigkeit dieser Akteure wird oft unterschätzt. Doch auf diesen Positionen sind besondere Fähigkeiten gefragt, beispielsweise ob man in unseren zwei Defensiv-Systemen gut ist. Ein WM-Turnier bietet immer spezielle Herausforderungen, da geht es darum, die bestmögliche Teamzusammenstellung mit verschiedenen Optionen zu finden.
Früher war es so, dass höchstens eine handvoll Schweizer Spieler gegen die Topnationen Akzente setzen konnte und der Rest sich vorwiegend darauf konzentrierte, hinten dicht zu halten.
Das hat sich definitiv geändert. Die Spitze der Spieler mit höchster Qualität ist viel breiter geworden. Es gibt in der Schweiz mehr Spieler auf Top-Niveau als früher.
Also wirst du die besten Akteure nicht in eine Linie schmeissen und stattdessen versuchen, drei ausgeglichene Linien zu gestalten?
Das ist spannend. Als ich einen ersten Linien-Entwurf in meinem Kopf entwarf, ergaben sich automatisch drei ziemlich ausgeglichene Linien - obwohl ich das gar nicht beabsichtigt hatte. So realisierte ich aber, dass es eine Steigerung in der Breite gab. Die Zeiten, als es Spieler gab, von denen man nur defensive Aufgaben verlangen konnte, sie aber trotzdem mitnahm, weil es schlicht keine bessere Alternativen gab, sind definitiv vorbei. Wir sind noch daran, die Rollenverteilung für die verschiedenen Akteure zu definieren. An der WM wollen wir dann allen drei Linien eine eigene Identität geben und sie mit unterschiedlichen Ideen spielen lassen. Nach der EFT werden wir diesbezüglich sicher schlauer sein.
Manuel Maurer musste wegen einer Schulterverletzung die EFT-Teilnahme absagen. Für ihn hast Du Joel Friolet nachnominiert, dem es in der letzten Saison überhaupt nicht gut lief, nun aber in dieser Spielzeit neben Jarkko Nurmela und Dan Hartmann richtiggehend aufblüht.
Das sehe ich auch so. Joel hat momentan «Hot Hands». In der letzten Saison spielte er ja in Malans oft als Verteidiger und ich sah ihn auch bei uns eher auf dieser Position. Aber so wie er momentan drauf ist, musste ich dies noch einmal überdenken. Er war bei unseren Zusammenzügen auch immer mit professioneller Einstellung dabei und hat, als es ihm nicht so lief, unsere Feedbacks super aufgenommen und versucht daran zu arbeiten. So wie übrigens auch Paolo Riedi, den wir für den verletzten Remo Buchli nachnominiert haben. Er zeigt eine viel bessere Körpersprache und bringt sich auch positiver in Diskussionen ein.
Sorgenfalten dürfte dir Nico Scalvinoni bereiten, der bei Dalen noch nie zum Einsatz gekommen ist. Kann man einen Spieler an die WM mitnehmen, wenn er im Klub noch keinen Ernstkampf bestritten hat?
Klar ist die Situation um «Zico» nicht ideal. Aber er war in der Nationalmannschaft zuletzt einer der besten Offensivspieler. Er macht uns mit seinen Skills im Spiel mit Ball unberechenbarer. In Dalen hatte er etwas Pech: zuerst konnte er wegen seiner Rückenverletzung nicht richtig trainieren und als er zurück war, standen so viele Spiele an, dass die Mannschaft wohl gar nicht mehr viel trainiert, sondern eher regeneriert hat. So konnte er sich auch nicht für die Startaufstellung aufdrängen. Wir geben ihm jetzt die Chance, sich an der EFT zu zeigen. Dann schauen wir weiter.
Nach längerer Abwesenheit ist auch Christoph Hofbauer wieder dabei...
...ich wollte ihn eigentlich schon lange mal an einer EFT beobachten, aber leider scheiterte dies wegen gesundheitlicher Probleme. Nun hat es endlich geklappt und es freut mich sehr, dass "Chrischi" nach dem Zusammenzug im Sommer auch in Växjö dabei ist. Bei Wiler agiert er ja seit dieser Saison als Verteidiger und ich finde, er macht das sehr gut. Für mich war er bis jetzt einer der dominantesten Verteidiger der Liga und ist deshalb auch für uns eine sehr interessante Variante auf dieser Position. Mal schauen, wie er sich auf internationalem Niveau als Verteidiger schlägt. In Schweden haben wir vor der Bekanntgabe des WM-Kaders die letzte Möglichkeit, ihn gegen die Topnationen zu sehen.